Rezension: Small Data mit Systematik

Small Data Martin Lindstrom CoverZu Beginn des Jahres begann, im Anschluss an einen höchst kritischen „Spiegel“-Bericht, eine Analyse über die Belastbarkeit der Daten, die die konventionelle Marktforschung erhebt. Es ist an der Zeit, einmal genauer auf die Alternativen zur quantitativen Messung zu blicken. Martin Lindstrom, einer der innovativsten Marketing-Vordenker unserer Zeit, liefert die passende Vorlage mit seinem Buch „Small Data“.

Marken füllen Lücken in unserer Identität aus, ob uns das nun bewusst ist oder nicht. Woher aber wissen wir eigentlich genau, was Marken im Bewusstsein und auch im Unterbewusstsein der Kunden sind?

Seit geraumer Zeit sind Marketing- und Kommunikationsmanager in aller Welt fasziniert von den immer stärker anschwellenden Datenmassen, die moderne IT-Technologie zu den Kunden-Wünschen und Kunden-Transaktionen bereitstellt. Diese Faszination ist verständlich, umso mehr, weil moderne Trackingverfahren immer verfeinerter das individuelle Suchverhalten und auch das tatsächliche Kaufverhalten abbilden können und Unternehmen die Chance gibt, immer passgenauer und immer individueller aktiv ihre Kunden anzusprechen.

Zu durchdringende Datenmengen sind enorm

Aber diese Datenberge steigen eben auch immer höher an. Das vorhandene Datenmaterial vermehrt sich exponentiell und sehr schnell, weltweit verdoppelt es sich alle zwei Jahre. Es ist gar nicht so leicht, diese Datenmassen intelligent zu durchdringen. Und es sind dazu eine ausgereifte, teure IT- und Technologie- Infrastruktur und hervorragende Analysten vonnöten. Nicht jedes Unternehmen ist hierfür gerüstet.

Aber, selbst wenn, lässt sich aus dieser schönen neuen Datenwelt wirklich alles heraus lesen? Nein, sagt Martin Lindstrom, und stellt seine hochkarätigen Berufserfahrungen dagegen. Martin Lindstrom ist ein Markenspezialist, ein hochkarätiger Branding-Berater. Der Däne arbeitet seit langem für die größten Unternehmen der Welt, hat unter anderem Disney, McDonald, Pepsi Cola, Nestlé, Lego und viele andere mehr beraten. Er ist ein international renommierter Bestseller-Autor. In besonderer Weise hat er vor Jahren mit seinem Titel "Buyologie" für Eindruck gesorgt. Das Buch beschreibt modernes Kauf- und Kundenverhalten im Kontext der Erkenntnisse der Neurowissenschaften.

Small Data durch sorgsame Beobachtung von Kunden

Mit "Small Data" legt Lindstrom ein neues Buch vor, in dem er seine Methode beschreibt. Small Data gewinnt man nicht aus Computern, Tablets und Smartphones. Man gewinnt sie durch sorgsame Beobachtung von Kunden – aus der Nähe, aus persönlichen Gesprächen, auf Spurensuche durch die Wohnungen und Häuser. Einer wie Lindstrom erforscht die emotionale DNA der Menschen. Es geht ihm um die Beobachtung von Gewohnheiten und das Finden geheimer Sehnsüchte. Es geht um das Aufspüren der verborgenen, aber wirklich wichtigen Wünsche und Bedürfnisse.

Lindstrom findet die unerfüllten Kindheitssehnsüchte in den scheinbar vordergründigen äußeren Spuren – und wenn es nur die Magnetsticker auf Kühlschränken sind. Genau beschreibt er, wie er seine Umfeld-Erforschung (in seinen Worten: Subtext) anlegt und wie er beim Data-Mining vorgeht, um entscheidende Spuren-Elemente zu finden, die ihn noch tiefer schürfen lassen. Diese so gewonnenen Spuren dann mit weltweit gewonnenen Eindrücken in der richtigen Weise zu kombinieren, intelligent mit analogen und digitalen Informationen zu verbinden, das führt ihn am Ende auf die Spur, welches Angebot das von ihm beratene Unternehmen als Produkt entwickeln und wie es dieses zu kombinieren hat.

Dafür braucht ein Markenberater wie Lindstrom keine Datenmassen. Eine Serie von Gesprächen mit typischen, repräsentativen Kunden reicht aus, um seine Vorschläge zu entwickeln. Diese 15, 20 oder 25 Begegnungen allerdings führen in Gespräch und Begegnung wirklich in die Tiefe. Wie man das macht, hat er in sieben Fallbeispielen beschrieben. Faszinierend sind teilweise die weltweiten Wege, die er im Auftrag seiner Unternehmen geht, um dann aus scheinbar ganz kleinen Hinweisen am Ende wirklich geniale Schlüsse zu ziehen. Am Ende geht es fast immer darum, sowohl die unerfüllten Kindheitswünsche zu identifizieren und die in zentralen Lebens-Weichenstellungen auftauchenden Wünsche zu identifizieren.

Nachahmung ist möglich

Genial ist das alles zweifellos, ist es am Ende aber eine reine Subjektivität, auf die sich seine Auftraggeber einlassen und verlassen müssen? Lindstroms Vorgehen hat durchaus Methode und Systematik. Diese hat er im abschließenden Kapitel 8 des 320 Seiten starken Buches beschreiben. Nachahmung ist also möglich.

Das alles ist nicht nur für Konsumentenforscher und Marketer interessant, auch Kommunikationsmanager finden hier eine hoch anregende Lektüre. Sie hilft, die Bedeutung von Big Data richtig einzuschätzen – sie aber auch im Kontext von Small Data ein Stück weit zu relativieren.

Titel: Small Data. Was Kunden wirklich wollen. Wie man aus winzigen Hinweisen geniale Schlüsse zieht; Autor: Martin Lindstrom; Umfang: 320 Seiten; Verlag: Plassen, Kulmbach 2016; ISBN 9783864703515; Preis: 24,99 Euro

Über den Autor der Rezension: Markus Kiefer (59, Foto) ist Professor an der FOM - Hochschule für Oekonomie und Management. Dort lehrt er BWL, mit dem Schwerpunkt der Unternehmens- und Wirtschaftskommunikation. Darüber hinaus arbeitet er in Seminaren, Vortragsveranstaltungen und Workshops für Weiterbildungs-Akademien der Wirtschaft. Er berät Unternehmen in Fragen der Kommunikationsstrategie, der PR, Mitarbeiterkommunikation, Social Media und Krisenkommunikation.

Im Recito Verlag, Essen, ist im Juni sein neues Buch „Unternehmenskommunikation - Erfolgreiche Kommunikationskonzepte aus Wissenschaft und Praxis“ erschienen. Markus Kiefer richtet sich darin an Praktiker, die über den Tellerrand hinaus denken. Ein Buch für Kommunikatoren der Zukunft.

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Personalien

René Hartmann leitet Kommunikation der Kliniken Köln

René HartmannRené Hartmann (35, Foto © privat) ist seit April Leiter für Unternehmenskommunikation der Kliniken der Stadt Köln. Zuletzt leitete er die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing der Städtischen Kliniken Mönchengladbach. Zuvor war er Manager Group Marketing Communications bei der Aareal Bank sowie Head of Communications bei der Santander Consumer Bank.

Etats

Targobank vertraut auf newskontor

Marco Cabras und Tanja PlebuchDie Targobank wird sich zukünftig in Kommunikationsfragen von newskontor beraten und unterstützen lassen. Die Bank, die zu den größten Kreditinstituten Deutschlands gehört, hat die in Düsseldorf beheimatete Agentur als neuen Partner an Bord geholt. Das Mandat umfasst neben der Beratung auch Corporate Communications und Contenterstellung. Die Zusammenarbeit hat im 1. Quartal 2024 begonnen.

Agenturen

Neues Joint Venture für Krisenkommunikation

Lars Niggemann, Gerald Hensel, Markus Mayr und Eva FrieseDer Hass greift um sich: Politische Extremisten ziehen Kapital aus konstruierten Empörungswellen. PR-Angriffe auf demokratische Institutionen und Unternehmen häufen sich. Das Resultat: Für Unternehmen wird nicht nur der kommunikative Alltag, sondern auch das Eintreten für Demokratie zur Herausforderung. Ein neues Angebot namens „Brand Spines“ verspricht Hilfe und will die Resilienz stärken.

Unternehmen

Noch Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Gehaltsstillstand in der PR

Grafik GehaltsentwicklungGehaltsstillstand in der PR: Trotz hoher Inflationsrate sind die Gehälter vieler PR-Fachkräfte im Jahr 2023 nicht gestiegen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass 80 Prozent der Kommunikationsprofis in Deutschland im vergangenen Jahr keine Gehaltserhöhung erhalten haben oder ihr Gehalt lediglich unter der Inflationsrate gestiegen ist. Dennoch ist nur jede und jeder Fünfte mit dem eigenen Einkommen unzufrieden.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Jacqueline Althaller weiß, wer im Driverseat sitzt

Jacqueline Althaller Gast im Podcast-Interview April ist Jacqueline Althaller, die Macherin der Studie zur Social Media Kommunikation von B2B Unternehmen und Geschäftsführerin der Agentur Althaller Communication Gesellschaft für Marktkommunikation mbH. Sie berichtet, wie es zu der Langzeitstudie kam, deren 14. Ausgabe Anfang April gestartet wurde, wie sich die Social-Media-Nutzung im B2B-Sektor verändert hat und was die dominierenden Themen sind.

Autoren-Beiträge

Rechte Kommunikation erkennen und bekämpfen

Felix Meyer-WykUnsere Vorstellung von Rechtsextremen beschränkt sich oft auf offensichtliche Verfassungsfeinde: Glatzen mit Springerstiefel oder „Ausländer raus“-Rufe. Keine Frage, diese Gruppen sind gefährlich. Deutlich unauffälliger, aber mindestens genauso gefährlich sind die Neuen Rechten. Für uns als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ist es wichtig, ihre Denkmuster und Strategien zu kennen, denn mit ihren Auftritten werden wir es vermehrt zu tun haben.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Harte Fakten und Kennzahlen fehlen

Schriftzug CR BenchmarkNachhaltigkeitskommunikation ist auf den Corporate Websites zentral positioniert. Immer mehr Unternehmen verknüpfen den Geschäftserfolg inhaltlich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Bedenklich ist aber die seit mehreren Jahren rückläufige Transparenz. Wichtige Kennzahlen verschwinden allmählich aus der Nachhaltigkeitskommunikation. Der neue CR Benchmark von NetFed zeigt die aktuellen Entwicklungen.

Aus- und Weiterbildung

Neue Website veröffentlicht

Screenshot der neuen dapr-WebsiteDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr) hat ihre neue Website. Sie bietet Userinnen und Usern nach eigenen Angaben fortan mehr Serviceorientierung, ein zeitgemäßes Design und eine stark vereinfachte Nutzerführung, unter anderem durch eine neue Suchfunktion sowie durch die Zusammenführung mit dem ehemals separaten dapr-Shop. Interessenten können nun die individuell passende Qualifizierung schneller finden.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Weg mit der Paywall

Kathrin Behrens Ihr kennt es: Ihr stolpert über einen Artikel, klickt ihn an, beginnt zu lesen. Sobald es spannend wird, ist Schluss. Eine Bezahlschranke, angelsächsisch „Paywall“, poppt auf. Von hier aus geht es nur mit einem langfristigen Vertrag weiter, it's Abo-Time: Rund 24,00 Euro kostet dieses digital bei der „Zeit“, 41,00 Euro bei der „FAZ“ und 43,00 Euro bei der „SZ“. Fixkosten, die ich meide. Ich finde Paywalls ätzend und wenig innovativ, sie verderben mir regelmäßig die Laune.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Stolze Gewinnerinnen und Gewinner

Von links: Christoph Heshmatpour, Johanna Wittner, Michael Rotschädl und Lukas KalteisDie Erstplatzierten des diesjährigen Franz-Bogner-Wissenschaftspreises für PR stehen fest: Es sind Johanna Wittner, Michael Rotschädl, Christoph Heshmatpour und Lukas Kalteis. Insgesamt wurden 33 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2023 in vier Kategorien eingereicht. Zehn Arbeiten erhielten bei der Verleihung am 22. April in Wien eine Auszeichnung. Das Preisgeld beträgt insgesamt 8.900,00 Euro.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.