Rezensionen Rezension: Aufbruch in neue Social-Media-Dimension
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- von Markus Kiefer, Heiligenhaus
In der Social-Media-Fachliteratur und mit Blick auf die Studienlage ist das Ergebnis ziemlich eindeutig. Es dominiert der Blick auf die Konsumgüterindustrie. Die B2B-Perspektive kommt oft nur am Rande und in versprengten Beispielen zur Sprache. Mit einer Ausnahme: Seit 2010 gibt es eine Langzeitstudie zum Einsatz von Social Media im B2B-Bereich, hervorgegangen aus dem Arbeitskreis „Social Media in der B2B-Unternehmenskommunikation“. Treiberin und Mitbegründerin des Arbeitskreises ist Jacqueline Althaller, die gemeinsam mit Meike Leipold die 2021 die Langzeit-Studienergebnisse im Zehn-Jahres-Vergleich als Buch veröffentlichte. Noch immer ein lohnendes Buch.
Die Kommunikationswissenschaftlerin und Kommunikationsberaterin Jacqueline Althaller war es, die die Studie 2010 federführend konzipierte und seitdem in Zusammenarbeit mit der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) jährlich neu auflegt. Im Herbst steht bereits die Veröffentlichung der Ergebnisse zur 13. Erhebungswelle an. Althaller hat zudem gemeinsam mit ihrer Kollegin Meike Leipold, gleichfalls eine durchaus namhafte Social-Media-Expertin, die Studienergebnisse im Zehn-Jahres-Vergleich als Buch veröffentlicht. Es handelt sich hier um die einzige deutsche Langzeitstudie zum Thema. Begleitet wird sie übrigens seit vielen Jahren vom PR-JOURNAL, das Medienpartner der Studie ist.
Die vornehmliche Stärke der Publikation ist tatsächlich der Längsschnitt. Die Entwicklung des Einsatzes von Social Media in Unternehmen, die primär Dienstleister für andere Unternehmen sein wollen, wird hier auf wirklich bemerkenswerte Weise deutlich. Von tastenden Anfängen um den damaligen Leuchtturm Facebook, bis hin zum heutigen strategischen Einsatz eines ausdifferenzierten Social-Media-Mix, zuweilen sogar als Leitinstrument der Unternehmenskommunikation genutzt.
Grundlagen in Teil 1, Praxisperspektive in Teil 2
Das Buch hat zwei große Teile. Im Grundlagenteil 1 werden die Studienergebnisse systematisch vorgestellt, immer in der Entwicklung der zehn Jahre, nach sieben Kapiteln thematisch geordnet. Im Teil 2 dominiert die Praxis-Perspektive, unter anderem mit acht Best-Practise-Cases aus der Wirtschaft, geschrieben von den dort verantwortlichen Social-Media-Managerinnen und -Managern sowie zwei Aufsätzen zu rechtlichen Aspekten und zu den Erfolgsregeln eines Unternehmens-Blogs.
Doch der Reihe nach. Ein Grußwort von Professorin Romy Fröhlich, Kommunikationswissenschaftlerin an der LMU, erinnert an die Gründung der Studie und zeigt ihre Entwicklung in der Zeit. Nach der Einleitung der Autorinnen zeichnet Kapitel 1 die Entwicklung der präferierten Plattformen im Zehn-Jahres-Vergleich auf. Und macht zugleich die aktuelle Entwicklung hin zum gegenwärtigen Spitzenreiter LinkedIn verständlich. Denn diese Business-Plattform dominiert heute die B2B-Szenerie, wegen ihrer Internationalität, wegen der Option des Newsfeeds und wegen ihrer Bedeutung als öffentlicher Ort für Unternehmens-Werte, für Recruiting und für den qualifizierten Special-Interest-Austausch.
Einordnung der fünf wichtigsten Kanäle
Kapitel 2 zeichnet nach, welche Social-Media-Kanäle vornehmlich gegenüber den verschiedenen Zielgruppen gewählt werden, geordnet nach prioritärer Ansprache (Prio 1, 2 und 3). Die fünf wichtigsten Kanäle LinkedIn, Facebook, Xing, YouTube und Instagram werden heute doch deutlich unterschiedlich eingesetzt, wie ein beeindruckendes Schaubild auf Seite 42 eindrucksvoll und differenziert ausweist. Beispielsweise: Mit LinkedIn werden zuallererst Geschäftspartner angesprochen, mit Instagram Influencerinnen und Influencer, mit YouTube die Bestandskunden, mit Xing die potentiellen Bewerber und mit Facebook die allgemeine Öffentlichkeit.
Kapitel 3 präsentiert die Ergebnisse zu den Prozessen, den Zuständigkeiten, den Fragen der Erfolgsmessung. Auffällige Ergebnisse: Die Führung der Social-Media-Kommunikation liegt hier mit knapp 70 Prozent bei den Marketing-Abteilungen. Viel seltener wird die Aufgabe in die Hände von PR-Verantwortlichen gelegt. Und: Die Unternehmen versuchen heute nicht mehr mit aller Macht, jede Wahrnehmung immer letztendlich auf die eigene Website zu lenken. Die Pflege von Social-Media-Kanälen als eigenständige Orte von Öffentlichkeit ist in ihrem Wert und in ihrer Notwendigkeit erkannt.
Viel Luft nach oben bei der internen Kommunikation
Kapitel 4 geht auf die Bedeutung von Social Media in der Internen Kommunikation ein und sieht hier noch viel Luft nach oben. Es zeichnet sich in dem Zusammenhang zwar ein Schwerpunkt bei der Gewinnung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Markenbotschafter/Corporate Influencer ab. Aber das ist ja im Grunde mindestens genauso sehr ein Aspekt von externer Unternehmenskommunikation.
Am ausführlichsten im Grundlagenteil ist Kapitel 5. Hier geht es um erfolgversprechende Content-Strategien. Dabei vermischt sich die Ergebnisdarstellung vielleicht manchmal ein bisschen zu stark und zu schnell mit den abgeleiteten To-do-Ratschlägen der Verfasserinnen. Das ist gut gemeinter Rat, in der Sache auch hilfreich. Dennoch könnte die Ergebnisdarstellung der objektiven Studienergebnisse zuvor durchaus deutlicher abgegrenzt sein.
Kaum Angst vor einem Shitstorm
Die Lektüre von Kapitel 6 sollte vornehmlich die noch nicht überzeugten Leserinnen und Leser ansprechen. Es weist die Gründe aus, warum Unternehmen sich nicht in Social Media engagieren oder noch zögerlich waren beziehungsweise es noch sind. Im zeitlichen Längsschnitt stabil sind wichtigsten Gründe: mangelnde Ressourcen, gefürchteter (zu) hoher Zeitaufwand, Unsicherheit in Bezug auf den Beitrag zum Unternehmenserfolg und heute die zunehmende Frage, ob man kontinuierlich genug interessanten Content bieten könne. Positiv hervorzuheben: die viel zitierte Angst vor einem Shitstorm ist in B2B-Unternehmen wenig ausgeprägt (15 %).
Kapitel 7 fasst zusammen und zeigt bedeutende aktuelle Tendenzen auf. Eindeutige Ergebnisse: Drei Kanäle sind heute von tragender Bedeutung und zwar in dieser Reihenfolge: LinkedIn, YouTube und Instagram. Die bedeutsamsten Interessen-Felder sind: Recruiting, Positionieren von Influencern, Gewinnung von Thought Leadership in speziellen Themenfeldern.
Veränderungen der Sichtweise von Unternehmen im Längsschnitt
Teil 2 des Buches besticht vor allem durch die Cases (u.a. werden Datev, Voestalpine und Siemens vorgestellt).
Insgesamt zeigt das Buch auf faszinierende Weise auf, wie sich im zeitlichen Längsschnitt die Unternehmens-Denkweise über Social Media und deren Einsatz deutlich verändert hat. Von einer Phase der anfänglichen Unsicherheit, des Experimentierens mit allem und jedem, dem Nachlaufen von Hypes in einen heute gezielten, systematischen, strategischen Einsatz im Kontext des kommunikativen Managements relevanter Themen.
Titel: Aufbruch in die digitale Dimension. Wie zehn Jahre Social Media die Businesskommunikation verändert haben; Autorinnen: Jacqueline Althaller und Meike Leopold; Verlag: Redline, München 2021; Umfang: 256 Seiten; Preis: 24,99 Euro; ISBN-Nr.: 978-3-86881-836-9
Über den Autor der Rezension: Professor Dr. Markus Kiefer (65, Foto) war von 2010 bis Ende des Sommersemesters 2022 hauptberuflich an der FOM – Hochschule tätig, als Professor für Allgemeine BWL, mit dem Schwerunkt Unternehmens- und Wirtschaftskommunikation. Ab dem Wintersemester 2022 wird er an der FOM und im Wechsel an weiteren Hochschulen Lehraufträge mit Schwerpunkt PR und Unternehmenskommunikation wahrnehmen.
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