Autoren-Beiträge Haltung allein reicht nicht: Rechtsextreme Kommunikation erkennen und bekämpfen

Unsere Vorstellung von Rechtsextremen beschränkt sich oft auf offensichtliche Verfassungsfeinde: Glatzen mit Springerstiefel oder „Ausländer raus“-Rufe. Keine Frage, diese Gruppen sind gefährlich. Deutlich unauffälliger, aber mindestens genauso gefährlich sind die Neuen Rechten. Für uns als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ist es wichtig, ihre Denkmuster und Strategien zu kennen, denn mit ihren Auftritten werden wir es vermehrt zu tun haben.

Felix Meyer-Wyk arbeitet bei segmenta communications. (Foto: segmenta)

Neue Rechte – Was ist damit gemeint?

Die Neuen Rechten sind ein komplexes, vielfältiges Konstrukt. Sie geben sich optisch unauffällig oder sogar modern. Sie scheuen NS-Symbole und treten als konservative Intellektuelle auf. Doch auch sie sind Verfassungsfeinde, die völkisch denken und menschenverachtende Feindbilder pflegen. Was sie aber so gefährlich macht, ist ihr Ziel, mit diesem oberflächlich harmlosen Auftreten im Mainstream Anschluss zu finden und so den Diskurs zu verschieben. Sie wollen keine Wahlkämpfe, sondern den Kulturkampf gewinnen.

Content in unauffälligem Gewand

Was Neue Rechte vorher schon mit Kochshows und Kinderbüchern versucht haben, wird aktuell auf sozialen Netzwerken, vor allem TikTok, optimiert. Inhaltlich sind die Beiträge oft von Provokation, abwertendem Humor und scheinbar unpolitischem Inhalt geprägt, zum Beispiel Rollenverständnisse (#tradwife), Kindererziehung, homogene Gemeinschaftsbilder oder scheinbare Enthüllungen zu niederträchtigen Eliten – mit schnellen Cuts, aktuellen Memes, Untertiteln. So verbreiten sich extremistische Denkmuster, ohne dass die Userinnen und User dies auf den ersten Blick mitbekommen – und bei wiederholtem Konsum verfestigen sie sich unterbewusst. Aufgrund ihres selten illegalen Verhaltens kann man sich bei der Bekämpfung nur bedingt auf Rechtsprechung und Nutzungsrichtlinien verlassen.

Was bedeutet das für unsere Arbeit?

1. Selbstverständnis hinterfragen

Nicht nur unser Bild von Rechtsextremen ist oft verzerrt, sondern auch unsere eigenen Denkmuster. Nein, Sie sind kein unterbewusster Nazi. Aber zu selten und inkonsequent hinterfragen wir als Individuen, als Unternehmen, als Gesellschaft, wo rassistische Klischees oder rechte Formulierungen in unserem Denken verankert sind. Das liefert einen gefährlichen Nährboden für die unterbewussten Anknüpfungsversuche der Neuen Rechten im Mainstream. Hinterfragen Sie sich. Informieren Sie sich. Nutzen Sie dieses Wissen.

2. Sensibilisieren für den direkten Kontakt

Wenn Rechtsextreme sich harmlos geben, wird es schwerer, sie zu identifizieren. Wir müssen daher noch gewissenhafter hinterfragen, wer genau eine Presseanfrage stellt, wer mit auf einem Panel sitzt, wer bei einer Buchmesse den Nachbarstand hat. Der Austausch mit Extremistinnen und Extremisten beinhaltet immer die Gefahr, sie inhaltlich nicht stellen zu können und sie stattdessen als legitime Akteurinnen und Akteure wirken lassen zu müssen. Wir dürfen ihnen nicht unbewusst den gewünschten Anschein von Normalität geben. Natürlich, manchmal kann die diskursive Konfrontation auch sinnvoll sein, aber nur, bei ausreichender Vorinformation. Das TV-Duell zwischen CDU-Mann Mario Voigt und Björn Höcke (AfD) ist ein gutes Beispiel für diese Gratwanderung.

3. Social Media-Dynamiken verstehen

Der wichtigste Punkt ist der Auftritt auf Social Media, da hier viele Menschen mit neurechten Inhalten – oft unbewusst – in Kontakt kommen. Besonders in diesem Kontext müssen wir uns informieren. Was sind aktuelle Diskurse, Symbole, Umdeutungen, die Rechtsextreme versuchen in die Massen zu streuen? Machen Sie den Selbsttest, welche dieser Begriffe beziehungsweise Chiffren Sie erkennen: Passdeutsche. Remigration. Umvolkung. Well Well Well. 14. 🙋‍♂️. ⚡️⚡️. Wer hier Bescheid weiß, kann bei fast allen sozialen Netzwerken Kommentare mit gewissen Begriffen direkt blocken oder melden. (Hier finden Sie eine Übersicht über die meistverbreiteten Codes und Zeichen der traditionellen rechtsextremen Szene und eine Erklärung der aktuell populärsten rechtsextremen Symbole auf Social Media).

TikTok hat bei gewissen Chiffren vorm Posten auf die Zweideutigkeit und den möglichen Verstoß gegen die Nutzungsrichtlinie hingewiesen. Gerade bei der unbewussten Nutzung solcher Codes sind solche Hinweise viel wert. Wer sich zu diesen Phänomenen informiert, entwickelt ein Gefühl dafür, mit wem man es zu tun hat. Muss ich widersprechen, um rechtsextreme Inhalte nicht unkommentiert zu lassen? Oder helfe ich einem überzeugten Faschisten dabei, seine Reichweite zu steigern?

4. Gegenpräsenz demonstrieren

Es geht darum, zu zeigen: Wir sind mehr. Deshalb ist es so wichtig, dass Unternehmen sich klar äußern. Nicht, weil die Welt auf das eine Statement gewartet hat, sondern weil in der Summe deutlich wird, wie die große Mehrheit denkt. Als im Januar Hunderttausende nach den Correctiv-Recherchen auf die Straße gingen, hat das rechtsextreme Selbstverständnis tiefe Risse bekommen: Steht die schweigende Mehrheit doch nicht hinter ihnen? Diesen Effekt braucht es auf Social Media, denn hier haben Rechtsextreme aktuell zu wenig Gegenpräsenz zu befürchten. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die AfD-Bundestagsfraktion auf TikTok dreimal so viele Impressionen generiert wie alle anderen Fraktionen zusammen.

Über den Autor: Felix Meyer-Wyk arbeitet als Consultant für Corporate Communications und politische Kommunikation bei segmenta communications in Hamburg. Ein Schwerpunkt ist dabei die Erarbeitung und Umsetzung individueller, haltungsbewusster Kommunikationsstrategien für Unternehmen. Zuvor hat er sich im Masterstudium intensiv mit den Neuen Rechten beschäftigt und war im Bundestag als Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei einer Grünen Bundestagsabgeordneten tätig.

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