Studien Studie zur EU Green Claims Directive: Greenwashing abwenden

Prüfschema für Umweltaussagen entwickelt

Simon Hagedorn und Christopher Morasch vom Institut für Journalismus und Public Relations der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen haben ein Prüfsystem entwickelt, das Unternehmen dabei hilft, ihre Kommunikation EU-Regeln anzupassen. Der Hintergrund: Viele Unternehmen werden ihre Umweltaussagen überarbeiten müssen, wenn der Richtlinienentwurf der EU zur Kommunikation von Umweltaussagen, die sogenannte „Green Claims Directive“, wie geplant umgesetzt wird.

Das Kategoriensystem basiert auf der EU Green Claims Directive von 2023. (Abbildung © Hagedorn)

Das dürfte viele Kommunikationsabteilungen vor Herausforderungen stellen: Denn der Regulator wird sehr genaue Anforderungen an die künftige Güte der Aussagen stellen. Diesen Anforderungen entspricht ein maßgeblicher Teil der heute getätigten Umweltaussagen nicht. Sie zu überarbeiten könnte aufwändig und kostenintensiv werden. Dies ist in aller Kürze das Ergebnis der Bachelorarbeit von Simon Hagedorn, die er am Institut für Journalismus und Public Relations der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen geschrieben hat.

Anforderungen der EU-Kommission hoch

Klar, präzise und nachprüfbar müssen Umweltaussagen nach dem Vorschlag der Kommission sein. Sie müssen auf objektiven wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und keine irreführenden Informationen enthalten. Auch sollen sie den gesamten Lebenszyklus eines Produkts berücksichtigen und transparente Informationen zur Unterstützung der Aussagen bereitstellen.

Damit soll Greenwashing, also eine falsche oder übertriebene Kommunikation darüber, wie nachhaltig Produkte sind, verhindert und das Vertrauen der Verbraucher gestärkt werden. Denn, so die Denke der EU, nur wenn Verbraucherinnen und Verbraucher zuverlässige Informationen erhalten, denen sie vertrauen, können sie nachhaltige Konsumentscheidungen treffen und eine aktive Rolle beim Umweltschutz spielen.

Beispiele für nicht EU-konforme Umweltaussagen (EU-Kommission, 2023)

  • „klimaneutral“
  • „CO2-neutral“
  • „zu 100% CO2-kompensiert“
  • „Verpackungen zu 30% aus recyceltem Kunststoff“
  • „bienenfreundlicher Saft“
  • „Fahrt mit CO2-Kompensation“
  • „garantierte Verringerung der mit der Herstellung dieses Produkts verbundenen CO2-Emissionen bis 2030 um 50% gegenüber 2020“

Entwickeltes Prüfschema könnte Kommunikatoren helfen

„Ziel der Bachelorarbeit war es, sogenannte ‚ausdrückliche Umweltaussagen‘ auf den Websites von drei großen Unternehmen verschiedener Branchen zu analysieren“, erklärt Professor Christopher Morasch, Studiengangsbeauftragter des Masterstudiengangs Kommunikationsmanagement an der Westfälischen Hochschule. „Zudem sollte abgeleitet werden, wie Kommunikation sich verändern muss, um richtlinienkonform zu sein.“ Für die Analyse hat Hagedorn ein System mit vier Kategorien und fünf Unterkategorien entwickelt, das sich an dem Aufbau der EU-Richtlinie orientiert (siehe dazu das oben stehende Schaubild). Mit dessen Hilfe lassen sich Aussagen prüfen wie zum Beispiel „Verpackung zu 30 % aus recyceltem Kunststoff“ oder „Fahrt mit CO2-Kompensation“.

Nur ein Viertel der Aussagen richtlinienkonform

Nur 25,8 Prozent der Umweltaussagen könnten auch künftig getätigt werden, so das Ergebnis von Hagedorns Prüfung: 31 Aussagen wurden untersucht, davon sind acht richtlinienkonform und können auch bei Inkrafttreten der Richtlinie so kommuniziert werden.

„Ein Grund für diesen geringen Anteil ist, dass Umweltaussagen über zukünftige Umweltleistungen von Unternehmen zeitlich festgelegt sein müssen“, so Hagedorn. „So können Unternehmen zum Beispiel schreiben: ‚Wir arbeiten weiter an unserem Ziel, bis 2030 ausschließlich erneuerbare und recycelte Materialien zu nutzen. Gleichzeitig wollen wir unseren Kund: innen neue Lösungen anbieten, die die Lebensdauer von Produkten und Materialien verlängern.‘ Wird diese zeitliche Begrenzung nicht ausgedrückt, ist die Aussage nicht konform.“ Ein weiterer Grund: Berechnungen, die beispielsweise zur Bewertung des Anteils an recyclebaren Materialien herangezogen werden, sind oft nicht genannt. Künftig sind Unternehmen dazu aber verpflichtet.

Fazit: großer Handlungsbedarf

In der Bachelorarbeit wird subsumiert, dass zumindest in der untersuchten Stichprobe ein deutlicher Handlungsbedarf besteht. Einen Großteil der Umweltaussagen werden Kommunikatoren überarbeiten müssen. Das Forscherteam ist sich einig, dass die Richtlinie höchstwahrscheinlich dazu führen wird, dem „Greenwashing“ von Unternehmen Einhalt zu bieten. Im Umkehrschluss bedeutet das wohl aber auch Mehrarbeit für die Kommunikationsabteilungen hiesiger Unternehmen.

Über die Studie: Aus der EU-Richtlinie Green Claims Directive wurde ein induktives Kategoriensystem für Umweltaussagen entwickelt. Ausgewertet wurden 31 Umweltaussagen von drei Großunternehmen aus der Möbel- Elektronik- und Tourismusindustrie.

Über die Autoren: Simon Hagedorn absolvierte zunächst eine Ausbildung als Industriekaufmann und studierte im Anschluss Journalismus und PR im Bachelorstudiengang an der Westfälischen Hochschule. Aktuell arbeitet er als Kommunikator bei der Mercedes-Benz Group AG.
Christopher Morasch ist Professor für PR und Studiengangsbeauftragter des Masterstudiengangs Kommunikationsmanagement an der Westfälischen Hochschule. Er ist Gründer und Geschäftsführer von digitell.me, ein auf Experience Management ausgerichtetes Software-Unternehmen.

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