Autorenbeitrag zu Krisen-PR: Wie fett willst Du sein?

Zucker in Lebensmitteln: Wie Rewe seine Kunden umarmt - und was andere davon lernen können

Vom 19. bis 28. Januar findet in Berlin die Grüne Woche statt, die internationale Ausstellung für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. Damit rückt das Thema gesunde Ernährung auf der öffentlichen Tagesordnung wieder deutlich nach oben. Dabei stehen Deutschlands Lebensmittelhersteller und -händler unter Druck. Die Anti-Zucker-Lobby macht sie schuldig für Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck. Der Rewe-Konzern kontert sehr geschickt - und lässt seine Kunden mit dem Einkaufswagen abstimmen. Was Kommunikatoren aus dieser Umarmungsstrategie lernen können.

Mit der Aktion „Wie viel Zucker brauchst Du noch?“ wirkt Rewe der „Zuckerkrise“ entgegen.

Lebensmittelindustrie und Handel geben sich geläutert: Nestlé will den Zuckergehalt in seinen Produkten deutlich senken. Edeka und Aldi schrauben an ihren Rezepturen. Lidl weist sogar schon ein ehrenwertes Ziel auf: Der Anteil an zugesetztem Zucker und Salz soll bei den Lidl-Eigenmarken um 20 Prozent sinken – allerdings erst bis 2025. Dieser Gesinnungswandel ist nicht freiwillig. Die Foodwatch's dieser Welt dringen mit ihren kontinuierlichen Ermahnungen durch, dass Industrie und Handel vollkommen gewissenlos die Deutschen in Wohlstandskrankheiten hineintreiben.

Dieser Duktus gefällt dem Verbraucher. So sind böse Konzerne schuld an den immer größeren Ausschlägen der Waage – und nicht man selbst. Das ist ganz bequem. Und wo die böse Industrie schuldig ist, soll sie es bitte auch richten. Die Politik und Verbraucherschutz sind auch auf diesem Zug aufgesprungen. Es wäre ja auch nicht gerade populär, den Verbraucher an seine eigene Verantwortung zu erinnern.

Hoffe nicht darauf, dass die Frösche das Moor selber trocken legen

Der Appell an die Eigenverantwortung wird deshalb auch Industrie und Lebensmittelhandel nichts nützen. Millionen Fettleibige wollen das schlicht nicht hören. Obendrein rächt sich nun eine Sünde der Vergangenheit: Zucker in Lebensmitteln wurde und wird gerne versteckt. Zum Anfeuern des Appetits und des Abverkaufs ist Zucker seit Jahrzehnten eine beliebte Zutat in den Rezepturen. Nur gezeigt wird es so wenig wie möglich. So scheitert der Appell an die Eigenverantwortung der Menschen eben auch an der Verschleierungstaktik der Hersteller. Sie haben sich ihre Falle kunstvoll selber gegraben.

Doch was kann man jetzt tun? Rewe liefert ein sehr gutes Beispiel, mit der aufkommennden PR-Krise umzugehen: Der Lebensmitteldiscounter fragt seine Kunden und launcht dafür eine eigene Marketing-Kampagne unter dem Titel „Wie viel Zucker brauchst Du noch?“ In dieser Woche finden Kunden einen Schokopudding in vier Varianten im Kühlregal. So sollen die Kunden selber ausprobieren, welcher Zuckergehalt ihnen am besten gefällt – und entsprechend abstimmen. Die Variante mit den meisten Stimmen werde ins Sortiment aufgenommen, kündigt Einkaufschef Hans-Jürgen Moog an, selbst wenn es die süßeste ist.

Diese Beteiligung der Kunden ist ein kluger Schachzug, nach dem Motto: If you can't beat them, join them. Rewe umarmt seine Kunden, und damit auch potenzielle Kritiker. Der Händler macht schlicht das, was seine Kunden wollen. „Sicherlich, der Zuckergehalt ließe sich noch weiter senken, aber der Verbraucher möchte das nicht. Und das respektieren wir“, könnte eine Entgegnung auf Attacken der Anti-Zucker-Kämpfer sein.

Umarmungsstrategie in der Krisen-PR glaubwürdig umsetzen

Es allein bei einer Kundenumfrage zu belassen, könnte leicht als Deckmäntelchen gesehen werden, um beim Althergebrachten bleiben zu können. Das Rewe-Management ist klug genug, es dabei nicht zu belassen.

„Wir werden 2018 die ersten hundert zuckerreduzierten Produkte ins Sortiment einführen. Bis 2020 sollen für alle Eigenmarken Produkte mit gesenktem Zuckergehalt verfügbar sein“, sagt Moog.

Außerdem wird die Kundenumfrage durch die Ernährungsberaterin Christine Blohme und die Autorin Anastasia Zampounidis begleitet. Beide beteuern, dass der Zuckerkonsum reine Gewohnheitssache ist. Die Geschmacksnerven müssten halt an wenig Zucker gewöhnt werden. Auch in der neuesten Ausgabe seines Kundenmagazins wirbt der Discounter für weniger Süßes: „Essen wir weniger Zucker, kommt unser Stoffwechsel in die Balance. Wir fühlen uns länger satt, Heißhunger und die Lust auf Süßes lassen nach. Wir nehmen ab, weil wir Kalorien sparen.“

Rewe kann also kein Vorwurf gemacht werden, man hätte es an der Motivation der eigenen Kunden mangeln lassen, auf Zucker zu verzichten.

Vogel-Strauß-Strategie in den Chefetagen

Die Umarmungsstrategie wird in der Krisenkommunikation selten genutzt. Ursache dafür ist der Umstand, dass die Unternehmen frühzeitig diese Strategie beginnen müssen. Wenn erst einmal die Empörungswellen über die Firma hinwegbrechen, ist es für eine derartige Strategie zu spät. Es ist also eine klare Sicht auf die mittelfristige Risikolage nötig - und der Mut, das Thema frühzeitig anzupacken. Daran mangelt es jedoch in vielen Chefetagen. Es dominiert bis zum Schluss die Hoffnung, das Elend zieht vorbei. Bis es zu spät ist.

Rewe ist in dieser Hinsicht eine tolle Ausnahme!

Forthmann Joerg Gf Faktenkontor QuerÜber den Autor: Jörg Forthmann ist seit 30 Jahren Kommunikator, anfangs als Journalist, später in den Pressestellen von Nestlé und Mummert Consulting, heute als Geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsberatung Faktenkontor in Hamburg. Im Faktenkontor verantwortet Forthmann die Analyse und die Konzeption.

Seitennavigation

Personalien

René Hartmann leitet Kommunikation der Kliniken Köln

René HartmannRené Hartmann (35, Foto © privat) ist seit April Leiter für Unternehmenskommunikation der Kliniken der Stadt Köln. Zuletzt leitete er die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing der Städtischen Kliniken Mönchengladbach. Zuvor war er Manager Group Marketing Communications bei der Aareal Bank sowie Head of Communications bei der Santander Consumer Bank.

Etats

Targobank vertraut auf newskontor

Marco Cabras und Tanja PlebuchDie Targobank wird sich zukünftig in Kommunikationsfragen von newskontor beraten und unterstützen lassen. Die Bank, die zu den größten Kreditinstituten Deutschlands gehört, hat die in Düsseldorf beheimatete Agentur als neuen Partner an Bord geholt. Das Mandat umfasst neben der Beratung auch Corporate Communications und Contenterstellung. Die Zusammenarbeit hat im 1. Quartal 2024 begonnen.

Agenturen

Neues Joint Venture für Krisenkommunikation

Lars Niggemann, Gerald Hensel, Markus Mayr und Eva FrieseDer Hass greift um sich: Politische Extremisten ziehen Kapital aus konstruierten Empörungswellen. PR-Angriffe auf demokratische Institutionen und Unternehmen häufen sich. Das Resultat: Für Unternehmen wird nicht nur der kommunikative Alltag, sondern auch das Eintreten für Demokratie zur Herausforderung. Ein neues Angebot namens „Brand Spines“ verspricht Hilfe und will die Resilienz stärken.

Unternehmen

Noch Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Gehaltsstillstand in der PR

Grafik GehaltsentwicklungGehaltsstillstand in der PR: Trotz hoher Inflationsrate sind die Gehälter vieler PR-Fachkräfte im Jahr 2023 nicht gestiegen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass 80 Prozent der Kommunikationsprofis in Deutschland im vergangenen Jahr keine Gehaltserhöhung erhalten haben oder ihr Gehalt lediglich unter der Inflationsrate gestiegen ist. Dennoch ist nur jede und jeder Fünfte mit dem eigenen Einkommen unzufrieden.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Jacqueline Althaller weiß, wer im Driverseat sitzt

Jacqueline Althaller Gast im Podcast-Interview April ist Jacqueline Althaller, die Macherin der Studie zur Social Media Kommunikation von B2B Unternehmen und Geschäftsführerin der Agentur Althaller Communication Gesellschaft für Marktkommunikation mbH. Sie berichtet, wie es zu der Langzeitstudie kam, deren 14. Ausgabe Anfang April gestartet wurde, wie sich die Social-Media-Nutzung im B2B-Sektor verändert hat und was die dominierenden Themen sind.

Autoren-Beiträge

Rechte Kommunikation erkennen und bekämpfen

Felix Meyer-WykUnsere Vorstellung von Rechtsextremen beschränkt sich oft auf offensichtliche Verfassungsfeinde: Glatzen mit Springerstiefel oder „Ausländer raus“-Rufe. Keine Frage, diese Gruppen sind gefährlich. Deutlich unauffälliger, aber mindestens genauso gefährlich sind die Neuen Rechten. Für uns als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ist es wichtig, ihre Denkmuster und Strategien zu kennen, denn mit ihren Auftritten werden wir es vermehrt zu tun haben.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Harte Fakten und Kennzahlen fehlen

Schriftzug CR BenchmarkNachhaltigkeitskommunikation ist auf den Corporate Websites zentral positioniert. Immer mehr Unternehmen verknüpfen den Geschäftserfolg inhaltlich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Bedenklich ist aber die seit mehreren Jahren rückläufige Transparenz. Wichtige Kennzahlen verschwinden allmählich aus der Nachhaltigkeitskommunikation. Der neue CR Benchmark von NetFed zeigt die aktuellen Entwicklungen.

Aus- und Weiterbildung

Neue Website veröffentlicht

Screenshot der neuen dapr-WebsiteDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr) hat ihre neue Website. Sie bietet Userinnen und Usern nach eigenen Angaben fortan mehr Serviceorientierung, ein zeitgemäßes Design und eine stark vereinfachte Nutzerführung, unter anderem durch eine neue Suchfunktion sowie durch die Zusammenführung mit dem ehemals separaten dapr-Shop. Interessenten können nun die individuell passende Qualifizierung schneller finden.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Weg mit der Paywall

Kathrin Behrens Ihr kennt es: Ihr stolpert über einen Artikel, klickt ihn an, beginnt zu lesen. Sobald es spannend wird, ist Schluss. Eine Bezahlschranke, angelsächsisch „Paywall“, poppt auf. Von hier aus geht es nur mit einem langfristigen Vertrag weiter, it's Abo-Time: Rund 24,00 Euro kostet dieses digital bei der „Zeit“, 41,00 Euro bei der „FAZ“ und 43,00 Euro bei der „SZ“. Fixkosten, die ich meide. Ich finde Paywalls ätzend und wenig innovativ, sie verderben mir regelmäßig die Laune.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Stolze Gewinnerinnen und Gewinner

Von links: Christoph Heshmatpour, Johanna Wittner, Michael Rotschädl und Lukas KalteisDie Erstplatzierten des diesjährigen Franz-Bogner-Wissenschaftspreises für PR stehen fest: Es sind Johanna Wittner, Michael Rotschädl, Christoph Heshmatpour und Lukas Kalteis. Insgesamt wurden 33 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2023 in vier Kategorien eingereicht. Zehn Arbeiten erhielten bei der Verleihung am 22. April in Wien eine Auszeichnung. Das Preisgeld beträgt insgesamt 8.900,00 Euro.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.