Kinder, Kinder: Wie das Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel die Kommunikation beeinflusst

Der jüngst von Bundesminister Cem Özdemir vorgelegte Gesetzesentwurf für ein Werbeverbot für Lebensmittel, die einen hohen Anteil an Zucker, Salz und Fett enthalten und auf Kinder unter 14 Jahren abzielen, schlägt derzeit hohe Wellen. Werbung für ungesunde Lebensmittel wird dabei laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) als an Kinder gerichtet angesehen, wenn sie in Art, Inhalt oder Gestaltung auf Kinder abzielt oder Kinder aufgrund des Werbeumfeldes oder Kontextes der Beeinflussung ausgesetzt sind. Unstrittig ist die Notwendigkeit, Kindern und Jugendlichen gesunde Ernährung beizubringen und sie aktiv über die Risiken ungesunder Lebensmittel aufzuklären. Doch ist ein breites Werbeverbot das Beste, was uns dazu einfällt?

Wer sind eigentlich die Zielgruppen, wenn es um die Sensibilisierung für eine gesündere Ernährung geht? Wie kann man in Zeiten von Content Marketing, Influencer Marketing und Digitalkampagnen die Kommunikationsumfelder von Kindern überhaupt fassen und regulieren? Hier ein (unvollständiger) Blick die aktuelle Debatte.

Kontrolle durch Paid Media: Ist organischer (Food-)Content dann tot?

Die Mediennutzung von Kindern findet heute hauptsächlich digital statt. Nach den Planungen des Ministeriums ist eine Ausspielung zwischen 6:00 und 23:00 Uhr nicht zulässig. Bei Werbung im Fernsehen und Radio, Ausspielung von Bannern auf Websites, Social Advertising oder Platzierung von (D)OOH ist das zumindest technisch umsetzbar. Anders bei organischen Beiträgen von Unternehmen sowie Werbepartnerschaften mit Influencern in den sozialen Netzwerken. Diese sind ausschließlich durch den Algorithmus gesteuert und können jederzeit und an jede Altersgruppe ausgespielt werden.

Regulierung nach dem Gesetzesentwurf würde einem Komplettwerbeverbot für die betroffenen Lebensmittel nahezu gleichkommen, da sich organische Inhalte nicht gezielt aussteuern lassen. Ob organischer Content damit tot ist, ist aber fraglich. Der Interpretationsspielraum ist aktuell noch groß. Klar ist aber schon jetzt: Kommt das Gesetz wie vorgelegt, wird organische Reichweite an Relevanz verlieren, was sich gravierend auf den Social Feed und das Influencer Marketing auswirken wird. Auch für digitale Food-PR bedeutet das, dass im crossmedialen Mix von paid, owned und earned, paid mehr Gewicht erhält. Lesenswert zu diesem Thema auch der Beitrag von Ingo Rentz (erschienen bei "Horizont.net")

Sinkende Werbegelder, sinkende Vielfalt bei Qualitätsmedien

Der GWA hat sich in einem offenen Brief an das Bundesministerium gewandt und spricht von einem durch die Werberegulierung verursachten Kollateralschaden. Brechen Medien und Verlagshäusern wichtige Werbekunden weg – Ferrero gehörte 2022 zu den Top-5 Werbespendern in Deutschland – geraten sie weiter unter Druck. Nicht erst seit den Veränderungen bei Gruner + Jahr blickt die Medien- und Kommunikationsbranche mit Sorge auf die Zukunft etablierter Medien. Wenn sich die journalistische Vielfalt weiter reduziert, fehlt es am Ende an relevanten Titeln und Kanälen, die über gesunde Ernährung aufklären und informieren.

Was macht Kinder froh? Alternativen in den Blick nehmen

Aus der Gesundheitsforschung weiß man, dass im Gegensatz zu Verlust-Frames, Gewinn-Frames viel wirksamer sind. Statt auf Verbote zu setzen, wären edukative Inhalte für die entsprechenden Zielgruppen und vor allem ihr familiäres Umfeld noch entscheidender. Wie sieht ausgewogene Ernährung konkret aus? Welche positiven Effekte lassen sich mit fett-, salz- und zuckerreduzierter Ernährung erzielen? Hier liegt in dem Gesetzentwurf auch eine Chance. Er kann Treiber sein,

  • gesunde Snack-Alternativen in den Fokus zu rücken;
  • Werbung für die betroffenen Lebensmittel kreativ neuzudenken;
  • bei Kindern beliebte Influencer dazu zu bringen, Kooperationspartner auszuwählen, die es ernst meinen mit der Aufklärung zur gesunden Ernährung.

Lebensmittelunternehmen: Mehr Haltung, bitte

Im Koalitionsvertrag ist angestrebt, dass „es für alle Menschen in Deutschland möglich ist, sich gut und gesund zu ernähren – unabhängig von Einkommen, Bildung oder Herkunft." Viele Lebensmittelunternehmen beschäftigen sich in ihrer Produktentwicklung und auch Kommunikation bereits aktiv mit der angestrebten Ernährungswende. Für die Unternehmen, die sich hier schon intensiv um mehr Transparenz und Aufklärung bemühen, dürfte der Gesetzentwurf ein Schlag ins Kontor sein. Alle betroffenen Unternehmen stehen jetzt vor der Aufgabe, deutlich zu machen, welchen Beitrag sie leisten können und wollen, den bewussten Umgang mit Lebensmitteln zu fördern. Hier können Kommunikationsexpertinnen und -experten helfen, Marketingstrategien, Kampagnen und Storytelling-Ansätze anzupassen. Das dürfte durchaus ein guter Nährboden für die Entwicklung innovativer Formate und wirksamer Kommunikationsansätze in der PR sein.

Fazit: Die Debatte bietet schon jetzt die Chance, die Sensibilisierung für das Thema gesunde Ernährung zu erhöhen und mehr über wirksame Kommunikationslösungen nachzudenken, die Kindern (und Eltern) bei der Auswahl gesunder Produkte unterstützen. Ob die erhoffte Wirkung in einem gesunden Verhältnis zu den Risiken eines derartiges Werbeverbot von nahezu 80 Prozent aller Lebensmittel steht – so groß wäre der Anteil der Lebensmittel, die laut Gesetzesentwurf unter die Regulierung fallen würden – ist mindestens einmal fragwürdig. Auswirkungen auf Unternehmen und Medien sowie zahlreiche weitere Gruppen sind noch nicht absehbar. Von der konkreten Umsetzung ganz zu schweigen. Die Ernährungsstrategie der Bundesregierung sieht noch zahlreiche weitere Maßnahmen vor. Entlang dieser Eckpunkte müssen wir uns als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren fragen: Wie können wirksame edukative Formate aussehen? Wie binden wir das persönliche Umfeld, Eltern, Lehrkräfte ein? Und wie lässt sich schlussendlich das Bewusstsein und die Mündigkeit stärken, statt die Debatte im Keim zu ersticken? Viele Fragen sind noch ungeklärt.

Über die Autorin: Alena Hübner hat Ökotrophologie, Öffentliches Recht und Sportwissenschaften studiert und ist seit über zehn Jahren bei der Hamburger Agentur segmenta. Als Expertin für integrierte Kommunikationskampagnen und Markenstrategie leitet sie aktuell das Brand Communications Team in der Agentur und hat im Verlauf ihrer Karriere zahlreiche Kunden im Bereich FMCG und Plattformen betreut.

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Personalien

René Hartmann leitet Kommunikation der Kliniken Köln

René HartmannRené Hartmann (35, Foto © privat) ist seit April Leiter für Unternehmenskommunikation der Kliniken der Stadt Köln. Zuletzt leitete er die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing der Städtischen Kliniken Mönchengladbach. Zuvor war er Manager Group Marketing Communications bei der Aareal Bank sowie Head of Communications bei der Santander Consumer Bank.

Etats

Targobank vertraut auf newskontor

Marco Cabras und Tanja PlebuchDie Targobank wird sich zukünftig in Kommunikationsfragen von newskontor beraten und unterstützen lassen. Die Bank, die zu den größten Kreditinstituten Deutschlands gehört, hat die in Düsseldorf beheimatete Agentur als neuen Partner an Bord geholt. Das Mandat umfasst neben der Beratung auch Corporate Communications und Contenterstellung. Die Zusammenarbeit hat im 1. Quartal 2024 begonnen.

Agenturen

Neues Joint Venture für Krisenkommunikation

Lars Niggemann, Gerald Hensel, Markus Mayr und Eva FrieseDer Hass greift um sich: Politische Extremisten ziehen Kapital aus konstruierten Empörungswellen. PR-Angriffe auf demokratische Institutionen und Unternehmen häufen sich. Das Resultat: Für Unternehmen wird nicht nur der kommunikative Alltag, sondern auch das Eintreten für Demokratie zur Herausforderung. Ein neues Angebot namens „Brand Spines“ verspricht Hilfe und will die Resilienz stärken.

Unternehmen

Noch Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Gehaltsstillstand in der PR

Grafik GehaltsentwicklungGehaltsstillstand in der PR: Trotz hoher Inflationsrate sind die Gehälter vieler PR-Fachkräfte im Jahr 2023 nicht gestiegen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass 80 Prozent der Kommunikationsprofis in Deutschland im vergangenen Jahr keine Gehaltserhöhung erhalten haben oder ihr Gehalt lediglich unter der Inflationsrate gestiegen ist. Dennoch ist nur jede und jeder Fünfte mit dem eigenen Einkommen unzufrieden.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Jacqueline Althaller weiß, wer im Driverseat sitzt

Jacqueline Althaller Gast im Podcast-Interview April ist Jacqueline Althaller, die Macherin der Studie zur Social Media Kommunikation von B2B Unternehmen und Geschäftsführerin der Agentur Althaller Communication Gesellschaft für Marktkommunikation mbH. Sie berichtet, wie es zu der Langzeitstudie kam, deren 14. Ausgabe Anfang April gestartet wurde, wie sich die Social-Media-Nutzung im B2B-Sektor verändert hat und was die dominierenden Themen sind.

Autoren-Beiträge

Rechte Kommunikation erkennen und bekämpfen

Felix Meyer-WykUnsere Vorstellung von Rechtsextremen beschränkt sich oft auf offensichtliche Verfassungsfeinde: Glatzen mit Springerstiefel oder „Ausländer raus“-Rufe. Keine Frage, diese Gruppen sind gefährlich. Deutlich unauffälliger, aber mindestens genauso gefährlich sind die Neuen Rechten. Für uns als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ist es wichtig, ihre Denkmuster und Strategien zu kennen, denn mit ihren Auftritten werden wir es vermehrt zu tun haben.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Harte Fakten und Kennzahlen fehlen

Schriftzug CR BenchmarkNachhaltigkeitskommunikation ist auf den Corporate Websites zentral positioniert. Immer mehr Unternehmen verknüpfen den Geschäftserfolg inhaltlich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Bedenklich ist aber die seit mehreren Jahren rückläufige Transparenz. Wichtige Kennzahlen verschwinden allmählich aus der Nachhaltigkeitskommunikation. Der neue CR Benchmark von NetFed zeigt die aktuellen Entwicklungen.

Aus- und Weiterbildung

Neue Website veröffentlicht

Screenshot der neuen dapr-WebsiteDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr) hat ihre neue Website. Sie bietet Userinnen und Usern nach eigenen Angaben fortan mehr Serviceorientierung, ein zeitgemäßes Design und eine stark vereinfachte Nutzerführung, unter anderem durch eine neue Suchfunktion sowie durch die Zusammenführung mit dem ehemals separaten dapr-Shop. Interessenten können nun die individuell passende Qualifizierung schneller finden.

Macht der Bilder

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Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Weg mit der Paywall

Kathrin Behrens Ihr kennt es: Ihr stolpert über einen Artikel, klickt ihn an, beginnt zu lesen. Sobald es spannend wird, ist Schluss. Eine Bezahlschranke, angelsächsisch „Paywall“, poppt auf. Von hier aus geht es nur mit einem langfristigen Vertrag weiter, it's Abo-Time: Rund 24,00 Euro kostet dieses digital bei der „Zeit“, 41,00 Euro bei der „FAZ“ und 43,00 Euro bei der „SZ“. Fixkosten, die ich meide. Ich finde Paywalls ätzend und wenig innovativ, sie verderben mir regelmäßig die Laune.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Stolze Gewinnerinnen und Gewinner

Von links: Christoph Heshmatpour, Johanna Wittner, Michael Rotschädl und Lukas KalteisDie Erstplatzierten des diesjährigen Franz-Bogner-Wissenschaftspreises für PR stehen fest: Es sind Johanna Wittner, Michael Rotschädl, Christoph Heshmatpour und Lukas Kalteis. Insgesamt wurden 33 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2023 in vier Kategorien eingereicht. Zehn Arbeiten erhielten bei der Verleihung am 22. April in Wien eine Auszeichnung. Das Preisgeld beträgt insgesamt 8.900,00 Euro.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.