Mein Avatar und ich

Guten Tag,
darf ich vorstellen: mein Avatar! Für 7,00 Euro hat mir eine KI-App aus ein paar Handyfotos diese Bilder errechnet. Ich bin geschmeichelt: mal sehe ich aus wie ein frisch geduschter Geschäftsmann, mal wie ein früh ergrauter Intellektueller. Nicht mehr lange, und dieser Avatar wird sich bewegen und mit meiner gesampelten Stimme per ChatGPT auch noch Ihre Fragen beantworten. Aber werden Sie mir / ihm Glauben schenken? Und was ist, wenn mein Avatar besser rüberkommt als ich – nicht verschnupft, verärgert oder unachtsam ist. Immer geschmeidig, leistungsbereit, kommunikativ? Kann ich endlich ausschlafen, während mein Avatar die achtstündige Videokonferenz übernimmt, oder schmeißt er mich gleich ganz raus? ChatGPT ist erst der Anfang und die entscheidende Frage lautet doch: Können wir morgen noch unseren Augen trauen?

Der Avatar von „PR-Journal“-Kolumnist Jost Listemann. (Quelle: Pixelcut/Jost Listemann)

Kampf der Titanen um unsere Sicht auf die Welt

Mit ChatGPT und der künstliche Bildintelligenz Dall-E hat sich Microsoft im Kampf der digitalen Giganten eindrucksvoll zurück gemeldet. Mit dem Milliarden-Investment in die Firma Open AI ist es Microsoft gelungen, Facebook und Google ernsthaft herauszufordern. Ganz zu schweigen von Bildarchiven wie Shutterstock oder Adobe, dem Platzhirsch in der Bildbearbeitung. In Zukunft werden Menschen mit der Maschine nicht nur Bilder und Texte bearbeiten, sondern interaktiv völlig neu kreieren. Es entwickelt sich eine Interactive Creative Media der nächsten Dimension: Menschen überall auf der Welt können bisher unbekannte Bildwelten immer schneller und preiswerter produzieren, ein neuer Markt entsteht, der Wettbewerb ist eröffnet.

Geht es bei ChatGPT um die Beherrschung der Sprache, geht es bei KI erzeugten Bildern um unsere Fantasie: Kreativität ist in der digitalen Ökonomie immer auch visuell. Wer KI-generierte Sprach- und Bildwelten aus einer Hand anbietet, kann das Verhalten von Konsumenten und Nutzern auf einem neuen Level kontrollieren und beeinflussen: Ein Auto, eine Immobilie oder eine Reise – alles gut zu vermarkten in KI-gesteuerten Ökosystemen mit freundlichen Avataren vor romantischen Landschaften. Keine aufwendigen Werbedrehs in Südafrika mehr oder gar eigene Flagship-Stores in teuren Innenstädten. Bei den Milliardeninvestitionen in künstliche Intelligenz geht es nicht um schöne Bilder, sondern um Effizienz und Kostenersparnis. 

Das Briefing entscheidet

Nach nur wenigen Minuten vor einem KI-Portal erkennt man: Wenn ich die Sprache des Algorithmus nicht richtig spreche, wirft die Plattform kaum sinnvolle Bilder aus. Sofort wird klar: Es ist viel einfacher, einen ChatGPT-Text zu verbessern als ein digitales Bild so anzupassen, dass es überzeugend wirkt. Man sieht den Bildern an, auf Basis welcher Daten sie kreiert wurden: mein Avatar zeigt unübersehbar Züge des amerikanischen Schönheitsideals für Männer mittleren Alters. Dadurch wird deutlich, was sogenannte „künstliche Intelligenz“ eigentlich ist: ein Algorithmus, der aus großen Datenmengen Strukturen herausfiltert und diese zur automatisierten Produktion neuer Bilder nutzt. Das ist nicht intelligent und kreativ im menschlichen Sinne, sondern erstmal nur smarte Statistik. Diesen Avatar in meiner Berufswelt ernsthaft einsetzen zu wollen, würde lediglich Belustigung und Unverständnis hervorrufen.

Die Komplexität im Umgang mit KI, die sich jetzt schon andeutet, ruft nach neuen Skills, nach einem AI Content Operator: virtuos im Umgang mit visuellen Algorithmen, versiert in digitaler Konnektivität, geschult in Nutzungs- und Verwertungsrecht. Denn aufgepasst: So kreativ und innovativ man visuelle KI-Plattformen auch nutzt, die Verwertungsrechte der entstandenen Bilder gehören nicht automatisch dem Kreativen. Die Diskussion um die Urheberrechte an KI-generierten Bildern nimmt gerade erst Tempo auf. (Siehe „Spiegel“-Beitrag vom 23. Februar 2022: „Künstler können KI-Bilder nicht für sich beanspruchen“) Vorsicht ist geboten: Wehe dem, der seine Veröffentlichung mit KI-Motiven aufhübscht und sich vielleicht Jahre später mit Lizenzforderungen konfrontiert sieht!

Die Daten entscheiden

Nur was digitalisiert ist, kann die KI nutzen. Ein unendlicher Strom künstlicher Bilder wird davon ablenken, dass vielleicht nur ein Duzend Unternehmen weltweit über die technologischen Strukturen verfügen, um kommerzielle KI-Services anzubieten. Mit ihrer Daten- und Marktmacht bestimmen diese Unternehmen dann, mit welchen „Visuals“ wir arbeiten und mit welchen nicht. Gleichzeitig lernt die KI von uns: Durch die Nutzung von Daten generieren wir neue Daten, die wir dann beim nächsten Mal wieder (kostenpflichtig?) nutzen. Am Ende bewegen wir uns vielleicht in einer um sich selbst kreisenden Bilderwelt, in der wir nicht mehr erkennen, was wir nicht sehen. 

Unter diesem Artikel sehen sie im Übrigen ein Foto von mir – mit Instagram aufgehübscht und vier Jahre alt - reicht noch ;-)

Listemann Jost Gf Time Code MediaÜber den Autor:  Jost Listemann (Foto) ist Inhaber der Videoproduktionsfirma Time:Code:Media GmbH in Berlin. Er berät globale Unternehmen und öffentliche Institutionen in ihrer visuellen Kommunikation. Gestartet als Politikwissenschaftler ist er seit 2000 in der PR-Branche als Filmproduzent tätig. An der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft leitet er die Ausbildung für visuelles Storytelling und Bewegtbild.

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Personalien

René Hartmann leitet Kommunikation der Kliniken Köln

René HartmannRené Hartmann (35, Foto © privat) ist seit April Leiter für Unternehmenskommunikation der Kliniken der Stadt Köln. Zuletzt leitete er die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing der Städtischen Kliniken Mönchengladbach. Zuvor war er Manager Group Marketing Communications bei der Aareal Bank sowie Head of Communications bei der Santander Consumer Bank.

Etats

Targobank vertraut auf newskontor

Marco Cabras und Tanja PlebuchDie Targobank wird sich zukünftig in Kommunikationsfragen von newskontor beraten und unterstützen lassen. Die Bank, die zu den größten Kreditinstituten Deutschlands gehört, hat die in Düsseldorf beheimatete Agentur als neuen Partner an Bord geholt. Das Mandat umfasst neben der Beratung auch Corporate Communications und Contenterstellung. Die Zusammenarbeit hat im 1. Quartal 2024 begonnen.

Agenturen

Neues Joint Venture für Krisenkommunikation

Lars Niggemann, Gerald Hensel, Markus Mayr und Eva FrieseDer Hass greift um sich: Politische Extremisten ziehen Kapital aus konstruierten Empörungswellen. PR-Angriffe auf demokratische Institutionen und Unternehmen häufen sich. Das Resultat: Für Unternehmen wird nicht nur der kommunikative Alltag, sondern auch das Eintreten für Demokratie zur Herausforderung. Ein neues Angebot namens „Brand Spines“ verspricht Hilfe und will die Resilienz stärken.

Unternehmen

Noch Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Gehaltsstillstand in der PR

Grafik GehaltsentwicklungGehaltsstillstand in der PR: Trotz hoher Inflationsrate sind die Gehälter vieler PR-Fachkräfte im Jahr 2023 nicht gestiegen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass 80 Prozent der Kommunikationsprofis in Deutschland im vergangenen Jahr keine Gehaltserhöhung erhalten haben oder ihr Gehalt lediglich unter der Inflationsrate gestiegen ist. Dennoch ist nur jede und jeder Fünfte mit dem eigenen Einkommen unzufrieden.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Jacqueline Althaller weiß, wer im Driverseat sitzt

Jacqueline Althaller Gast im Podcast-Interview April ist Jacqueline Althaller, die Macherin der Studie zur Social Media Kommunikation von B2B Unternehmen und Geschäftsführerin der Agentur Althaller Communication Gesellschaft für Marktkommunikation mbH. Sie berichtet, wie es zu der Langzeitstudie kam, deren 14. Ausgabe Anfang April gestartet wurde, wie sich die Social-Media-Nutzung im B2B-Sektor verändert hat und was die dominierenden Themen sind.

Autoren-Beiträge

Rechte Kommunikation erkennen und bekämpfen

Felix Meyer-WykUnsere Vorstellung von Rechtsextremen beschränkt sich oft auf offensichtliche Verfassungsfeinde: Glatzen mit Springerstiefel oder „Ausländer raus“-Rufe. Keine Frage, diese Gruppen sind gefährlich. Deutlich unauffälliger, aber mindestens genauso gefährlich sind die Neuen Rechten. Für uns als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ist es wichtig, ihre Denkmuster und Strategien zu kennen, denn mit ihren Auftritten werden wir es vermehrt zu tun haben.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Harte Fakten und Kennzahlen fehlen

Schriftzug CR BenchmarkNachhaltigkeitskommunikation ist auf den Corporate Websites zentral positioniert. Immer mehr Unternehmen verknüpfen den Geschäftserfolg inhaltlich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Bedenklich ist aber die seit mehreren Jahren rückläufige Transparenz. Wichtige Kennzahlen verschwinden allmählich aus der Nachhaltigkeitskommunikation. Der neue CR Benchmark von NetFed zeigt die aktuellen Entwicklungen.

Aus- und Weiterbildung

Neue Website veröffentlicht

Screenshot der neuen dapr-WebsiteDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr) hat ihre neue Website. Sie bietet Userinnen und Usern nach eigenen Angaben fortan mehr Serviceorientierung, ein zeitgemäßes Design und eine stark vereinfachte Nutzerführung, unter anderem durch eine neue Suchfunktion sowie durch die Zusammenführung mit dem ehemals separaten dapr-Shop. Interessenten können nun die individuell passende Qualifizierung schneller finden.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Weg mit der Paywall

Kathrin Behrens Ihr kennt es: Ihr stolpert über einen Artikel, klickt ihn an, beginnt zu lesen. Sobald es spannend wird, ist Schluss. Eine Bezahlschranke, angelsächsisch „Paywall“, poppt auf. Von hier aus geht es nur mit einem langfristigen Vertrag weiter, it's Abo-Time: Rund 24,00 Euro kostet dieses digital bei der „Zeit“, 41,00 Euro bei der „FAZ“ und 43,00 Euro bei der „SZ“. Fixkosten, die ich meide. Ich finde Paywalls ätzend und wenig innovativ, sie verderben mir regelmäßig die Laune.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Stolze Gewinnerinnen und Gewinner

Von links: Christoph Heshmatpour, Johanna Wittner, Michael Rotschädl und Lukas KalteisDie Erstplatzierten des diesjährigen Franz-Bogner-Wissenschaftspreises für PR stehen fest: Es sind Johanna Wittner, Michael Rotschädl, Christoph Heshmatpour und Lukas Kalteis. Insgesamt wurden 33 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2023 in vier Kategorien eingereicht. Zehn Arbeiten erhielten bei der Verleihung am 22. April in Wien eine Auszeichnung. Das Preisgeld beträgt insgesamt 8.900,00 Euro.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.