Ringvorlesung: „Krisen-Yoda“ aus den USA zu Gast

Krise und Krisenkommunikation als Forschungsobjekt – damit beschäftigt sich der international renommierte US-Kommunikationswissenschaftler Professor Timothy Coombs, der an der A&T Texas University forscht und lehrt. Auf Einladung von Nanette Besson, Professorin für Unternehmenskommunikation im Kölner HMKW-Fachbereich für Journalismus und Kommunikation, hielt Coombs im Rahmen der HMKW-Ringvorlesung einen spannenden Gastvortrag und gab Einblicke in sein Forschungsfeld. Er stellte die neuesten Erkenntnisse zu seiner etablierten und international anerkannten SCCT-Krisentheorie vor, die zum Standardlehrwerk der PR und Unternehmenskommunikation gehört. Der Online-Vortrag des PR-Professors zog mehr als 130 Studierende und Lehrende in seinen Bann.

Umgeben von seiner Yoda-Sammlung: Prof. Dr. Timothy Coombs vermittelte Begeisterung für sein Forschungsobjekt: die Krise.

Von Ohio aus und umgeben von seiner Yoda-Sammlung vermittelte der bekennende Star-Wars-Fan via Zoom authentische Begeisterung für sein Forschungsobjekt: die Krise. „Scansis“, die Kombination von Skandal und Krise, stellt nach Ansicht von Timothy Coombs, Professor für Kommunikation an der A&T Texas University, die stärkste Form einer Krise dar. Das Phänomen werde von Unternehmen selbst verursacht, wenn diese bewusst unmoralisch zum eigenen Vorteil handeln würden. Die Reaktion der Öffentlichkeit: Solche Krisen würden von den Stakeholdern in „flammender“ Emotionalität als „infam“ verurteilt.

Klassische Krisenbewältigungsstrategien greifen, so lautet die Situational Crisis Communication Theory (SCCT) von Coombs, bei extrem emotionalisierten „Scansis“-Situationen nicht. Die Stakeholder würden eine „Bestrafung“ fordern. Eine einfache Entschuldigung reiche ihnen nicht. Vielmehr werde neben dem vollen Schuldeingeständnis eine schonungslose Erklärung erwartet, in welcher Form das Verhalten verwerflich sei, was getan werde, um den Schaden zu beseitigen, und in welcher Form dafür gesorgt werde, dass so etwas nicht wieder passiere. Diese Krisen zählt Coombs zum dritten Krisencluster seiner Theorie, den „vermeidbaren Krisen“. Von den zwei weiterten Clustern, den „Opferkrisen“ und den „Unfallkrisen“, würden keine „flammenden“ Emotionen in dieser Stärke hervorgerufen. Sie zeichneten sich durch eine „kühle emotionale Stakeholder-Reaktion“ aus.

SCCT-Krisentheorie vorgestellt

Professor Coombs hielt auf Einladung von Nanette Besson, Professorin für Unternehmenskommunikation im Kölner HMKW-Fachbereich für Journalismus und Kommunikation, einen spannenden Gastvortrag im Rahmen der Ringvorlesung. Er stellte die neuesten Erkenntnisse zu seiner etablierten und international anerkannten SCCT-Krisentheorie vor, die zum Standardlehrwerk der PR und Unternehmenskommunikation gehört. Coombs entwickelte die Situational Crisis Communication Theory 2007 auf der Basis der Attributionstheorie. Sie erklärt Krisensituationen durch die Verbindung von Verantwortung, Krisenreaktion und Reputationsschaden. In empirischen Studien wurde mit meist experimentellen Designs der Zusammenhang zwischen Krisenbewältigungsstrategie und Auswirkungen auf Empfehlungsverhalten, Kaufabsicht und Aktienkurs untersucht.

SCCT Theorie Screenshot Prof Timothy Coombs

Screenshot der Präsentation: Prof. Dr. Timothy Coombs präsentierte seine SCCT-Theorie.

Bei schwachen Krisen, die Coombs als „Para-Krise“ bezeichnet, und bei mittelstarken Krisen wurde der Zusammenhang zwischen empfohlenem Krisenverhalten und Effekt nachgewiesen. Es fand bei diesen Krisen eine indirekte „Dritt-Parteien-Bestrafung“ statt, indem das eigene Verhalten verändert wurde. Bei moralisch verwerflichen Krisen hingegen werde eine unmittelbare, direkte Bestrafung gefordert. Effekte auf die Reputation, die nur unmittelbar und zeitversetzt einsetzen, seien in „Scansis“-Krisen irrelevant. Die moralische Verurteilung erzeuge ein sofortiges „An-den-Pranger-Stellen“.

Unterschiedliche Kulturen

Der US-Kommunikationswissenschaftler stellte den Unterschied von „Opfer“-Kommunikation und „Nicht-Opfer“-Kommunikation heraus. Die Geschädigtenkommunikation sei im Krisenfall meist nicht öffentlich und könne daher nicht empirisch untersucht werden. Die größere Stakeholder-Gruppe sei die der „Unbeteiligten“, die jedoch eine sehr große Gefahr für das Unternehmen darstellen würden.

Auch den Einfluss von Kultur auf die Stakeholder-Erwartungen stellte Coombs dar: Die amerikanische Kultur erzeuge bei Unternehmen, die Schuld eingestehen, die Angst vor Prozesslawinen mit immensen Regressforderungen. In anderen Ländern hingegen gelte die Entschuldigung eines Unternehmens als ehrenwert und werde selbstverständlich erwartet. Der kulturelle Umgang mit Fehlverhalten und Schuldeingeständnissen sei bei der Krisenbewältigung also zwingend zu berücksichtigen.

Klassische Medien weiterhin gefragt

In der Krisenkommunikation sollten alle Kanäle genutzt werden, nicht nur Social Media, empfahl Coombs. Er stellte klar, dass auch klassische Medien und persönliche Kommunikation zum Einsatz kommen müssten, um alle relevanten Stakeholder zu erreichen. So seien zum Beispiel auch klassische Aushänge und E-Mails gefragt.

Zuletzt wies Coombs darauf hin, dass der Austausch zwischen PR-Praktikern und PR-Wissenschaft für die Erforschung der Prozesse und Zusammenhänge in der Krisenkommunikation schon immer unerlässlich gewesen sei und dies auch so bleiben werde, um das Funktionieren von Kommunikationsstrategien zu erproben und die Legitimität von Theorien zu prüfen.

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