Autorenbeitrag: Purpose ohne Strategie und Kultur ist wie ein Schiff ohne Ruder

Ich meine: Unternehmen brauchen weniger Purpose, sondern mehr Taten bei den anstehenden Herausforderungen der Zukunft.
Agenturen und Consultants bemühen sich seit ein paar Jahren auf Kundenseite intensiv um die Suche nach dem Marken-Purpose (Zweck). Gemeint ist zwar der tiefere Sinn des Unternehmens, heraus kommt indes aber meist nur Marketing – erdacht im kleinen Kreis aus Management und externen Beratern. Schade, denn Unternehmen hätten durch Beteiligung größerer Teile ihrer Beleg- und Kundschaft an der Sinnsuche die Chance ihre Organisation wirklich bedeutsam zu machen.

Warum sie das tun sollten? Weil sich in Zukunft viele Geschäftsmodelle verändern, um die Gesellschaft und die Umwelt in einem positiven Maße mitzugestalten. Das erfüllt nicht nur die gesellschaftliche Aufgabe des Unternehmens, sondern auch langfristig, und somit ökonomisch nachhaltig, den Zweck der Absicherung von Unternehmen und Aktionärswerten.

Das gelingt mit Partizipation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch, weil das bereits der Anfang von Sinnstiftung ist.

Stakeholder vor Shareholder – die DNA des Weltwirtschaftsforums

Der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, griff 2020 zum 50. Jubiläum der Veranstaltung eine Überzeugung auf, mit der seinerzeit alles begann: Unternehmen, die nur den Wert ihrer Aktie und die Ausschüttungen an die Eigentümer im Blick hätten, würden langsam aber sicher vom Markt verschwinden. Unternehmer, die erkannt hätten, dass der Shareholderkapitalismus durch den Stakeholder-Value abgelöst werde, gehöre die Zukunft.

Da steckte vor einem halben Jahrhundert viel Weitblick drin, wenngleich es aus heutiger Sicht etwas holzschnittartig wirkt. Denn Shareholder-Value, Nachhaltigkeit und gesamtgesellschaftliche Verantwortung schließen sich per se nicht aus. Im Gegenteil.

Blackrock: Klimaveränderung führt zu erheblicher Umverteilung von Kapital

Im August 2019 hatten 181 CEOs erklärt, sich vom reinen Shareholder-Value-Denken zu verabschieden. Darunter Schwergewichte wie Amazon, Apple, Bayer, GM, Siemens, Goldman Sachs oder Blackrock. Letztgenannter Vermögensverwalter löste 2020 mit dem jährlichen Brief seines CEO Larry Fink an die investierten Unternehmen dann endgültig eine Finanzmarkt-Revolution aus:

„…Der Klimawandel ist für die langfristigen Aussichten von Unternehmen zu einem entscheidenden Faktor geworden. Im vergangenen September gingen Millionen Menschen auf die Straße, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu fordern. Viele von ihnen brachten die erheblichen und nachhaltigen Auswirkungen der Klimaveränderung für Wirtschaftswachstum und Wohlstand zum Ausdruck. Ein Risiko, das die Märkte bislang nur zögerlich zur Kenntnis nehmen. Aber das Bewusstsein ändert sich rasant, und ich bin überzeugt, dass wir vor einer fundamentalen Umgestaltung der Finanzwelt stehen…“

ESG-Kriterien, Lieferkettengesetz, Green Deal – wer jetzt nicht handelt, verliert

Seither fließen Umweltfaktoren aber auch soziale Themen und eine „gute Unternehmensführung“ in die ESG-Bewertung (Environmental Social Governance) von Rating-Agenturen, Banken und Börsen-Indizes ein. Und auch wenn aktuell vermehrt Greenwashing-Praktiken am sogenannten nachhaltigen Kapitalmarkt aufgedeckt werden, so ist der Trend doch unumkehrbar.

Das bedeutet: Das Top-Management muss umdenken. Und auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen das zu kurz gesprungene Klimaschutzgesetz der deutschen Bundesregierung, das im März 21 beschlossene Lieferkettengesetz oder der Green Deal der europäischen Kommission zeigen die epochalen Umbrüche auf, denen sich die Wirtschaft stellen muss.

In den aufwändig erstellten Nachhaltigkeits-Berichten zeigt sich dann leider zu oft das größte Dilemma. Es wird falsch gerechnet. Denn negative Einflüsse auf Sozialkapital und Umwelt finden keine ausreichend hohe Kompensation. Im Klartext: Unternehmen machen Gewinne mit dem Verbrauch von Gemeingütern wie Luft, Wasser oder Boden. Diese sogenannten Externalitäten werden nur sehr zögerlich internalisiert und der negative Impact für uns alle durch das schlechte Verhalten ganzer Branchen oft nicht vollumfänglich gesehen.

Purpose ohne Ziel ist selten erfolgreich

Natürlich kann es eine hundertprozentige Nachhaltigkeit nie geben. Denn nur gar keine Produktion wäre eine absolut CO2 neutrale Produktion.

Selbst das vielzitierte Positivbeispiel der Outdoor-Fashion-Brand Patagonia stößt mit seinen fortgeschrittenen Nachhaltigkeitsbemühungen als global agierendes Unternehmen auf technische und wirtschaftliche Zwänge, die mit dem eigenen Idealbild kollidieren. Aber im Unterschied zu vielen anderen Unternehmen behaupten sie nichts, was sie nicht halten und sind transparent in den Dingen, die es zu verbessern gilt. Dieser Weg ist für Patagonia auch ökonomisch höchst erfolgreich.

Dass die wirtschaftlichen Erfolgs-Chancen für Unternehmen mit Strategie und Haltung gut aussehen, bestätigte bereits eine Studie der Harvard Business School aus dem Jahr 2016. Heraus kam, dass Organisationen mit hohem Anspruch an Sinnstiftung nur dann wirtschaftlich besonders erfolgreich sind, wenn sie auch über eine eindeutige Unternehmensstrategie verfügen und ihre unternehmerischen Ziele klar formuliert haben. Die alte Weisheit „Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden“ erfuhr hier also abermals einen wissenschaftlichen Beweis.

Im Klartext bedeutet das, dass eine Purpose-Definition ohne passende unternehmerische Strategie eine Sackgasse ist. Und wenn auf die Synchronisation von Strategie und Purpose keine konsequenten (positiven) Handlungen folgen, sollten Unternehmen sich mit der Kommunikation ihres Purpose besser zurückhalten.

Kein Purpose kann auch der erfolgreichste Purpose sein

Es ist so einfach und doch so schwer umzusetzen: Der Schlüssel zum Verhalten von Organisationen ist der Mensch. Für den Mut zur Veränderung von Geschäftsmodellen mögen unternehmerische Strategien ein Impetus sein. Für die Durchsetzung im Unternehmen ist eine gute Wertekultur unerlässlich. Nur so kann im Sinne einer positiven Selbstwirksamkeit Veränderung auch tatsächlich passieren.

Aber hin und wieder ist gerade die Kunst des Weglassens eines Purpose besonders erfolgreich. Wie im Fall von Patagonia, denn Yvon Chouinard schreibt in seinem Buch „Lass die Mitarbeiter surfen gehen“ im Kapitel Marketingphilosophie: „Das Patagonia-Image entsteht unmittelbar aus den Werten, Outdoorbestrebungen und Leidenschaften seiner Gründer und Mitarbeiter. Obwohl es praktische und benennbare Aspekte hat, kann es nicht auf eine Formel gebraucht werden. Tatsächlich würde eine Formel es zerstören, weil ein Großteil des Images auf Authentizität beruht. Ironischerweise liegt ein Teil der Authentizität von Patagonia darin, sich nicht an erster Stelle Gedanken darüber zu machen, ein Image zu haben.“

Der Volksmund weiß: „Worten sollten Taten folgen“. Im Sinne einer authentischen Wahrnehmung darf man die Taten aber auch gerne an die erste Stelle setzen.

Über den Autor: Oliver Grüttemeier ist Managing Partner der Agentur vow to the new. Der Experte für identitätsbasierte Unternehmensführung entwickelt mit seinem Team Positionierungen, Marken und Kommunikationslösungen, die gesellschaftliche Relevanz haben. vow to the new hat sich nicht nur auf Kundenseite der Zukunft verschrieben. Die Agentur investiert zehn Prozent ihrer Arbeitszeit und ihrer Gewinne in ökologische und soziale Projekte.

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Personalien

Neue Doppelspitze für Bereich PR und Presse

Christine Lentz (links) und Caroline KraftMit Wirkung vom 1. Mai sind Caroline Kraft und Christine Lentz für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Veranstaltungen der Aufbau Verlage als Leitungs-Duo verantwortlich. Beide waren zuletzt als Freelancer tätig, unter anderem für Kunden wie die Ullstein Buchverlage, die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung oder den MediaTech Hub Potsdam.

Agenturen

Nina Angermann wird neue Geschäftsführerin

Claudia Thaler und Nina Angermannconsense communications GmbH (GPRA) in München beruft die langjährige Mitarbeiterin und Prokuristin Nina Angermann (39) in die Geschäftsführung. Zudem schärft die Unternehmensberatung für Kommunikation ihr Beratungsportfolio in den Bereichen Strategie und Business Development, Nachhaltigkeit sowie Content Creation und besetzt verschiedene Leitungspositionen neu.

Unternehmen

Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Strategische Partnerschaft von MSL und Nunatak

Robert Jacobi und Birgit SöllnerDie Kommunikationsberatung MSL und die auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung spezialisierte Strategieberatung Nunatak, beide Berlin, gehen eine strategische Partnerschaft ein. Das Ziel: Beide Partner wollen ihre Auftraggeber bei der Nachhaltigkeitstransformation noch integrierter beraten und begleiten. Bei Nunatak stehen die unternehmensstrategischen Aspekte im Vordergrund, bei MSL die kommunikative Perspektive.

Medien

Neue Chefredakteure für „profi“ und „top agrar“

Guido Höner, Hubert Wilmer und Christian BrüseGuido Höner (56) und Hubert Wilmer (57) werden zum 1. September 2024 gleichberechtigte Chefredakteure des Landtechnikmagazins „profi“, das im Landwirtschaftsverlag Münster erscheint. Die beiden erfahrenen Journalisten und Agraringenieure sind bereits seit vielen Jahren für den Verlag tätig, Wilmer als stellvertretender Chefredakteur von „profi“ und Höner als Chefredakteur von „top agrar“.

Das PR-Interview

KI-Pionierarbeit bei Bosch seit 2017

Michael SchmidtkeMichael Schmidtke ist VP Content Flow and Digital Channels bei Bosch. Beim Webinar der AG CommTech vom 23. April gab er einen tiefen Einblick in sieben Jahre Nutzung von KI in der Unternehmenskommunikation von Bosch. Im Vorgriff auf den nächsten „CommTech Newsletter“, der am 8. Mai erscheint, veröffentlicht das PR-JOURNAL ein Interview mit Michael Schmidtke, das mit Hilfe von KI-Tools auf Basis der Aussagen Schmidtkes im Webinar erstellt wurde.

Autoren-Beiträge

Anforderungen an Führungskräfte sind stark gestiegen

Georg KolbFrüher ging es vor allem darum, bestehende Prozesse zu optimieren und gelegentlich eine einmalige große Veränderung zu kommunizieren. Heute geht es um kontinuierliche Anpassung an immer schnellere, oft unvorhersehbare Veränderungen. Selbst während eine Organisation noch gut funktioniert, müssen bereits neue Wege gefunden werden, um Schritt zu halten. Für Führungskräfte fühlt sich das oft wie ein Dilemma an.

Rezensionen

Ein Buch für Kommunikationsstrategen

Buchcover Wirtschaft als KommunikationWie Unternehmen und Wirtschaft öffentlich werden, das war einmal in einem relativ einfachen Managementprozess organisierbar. Wissen bereitstellen, im Wesentlichen über Produkte und Dienstleistungen. Und dieses Wissen dann in einseitigen Informations-Prozessen an die relevanten Stakeholder verbreiten. Aber, das war einmal. Wirtschaft 1.0 könnte man das nennen. Heute hat sich dies grundlegend verschoben …

Kommentare

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Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Harte Fakten und Kennzahlen fehlen

Schriftzug CR BenchmarkNachhaltigkeitskommunikation ist auf den Corporate Websites zentral positioniert. Immer mehr Unternehmen verknüpfen den Geschäftserfolg inhaltlich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Bedenklich ist aber die seit mehreren Jahren rückläufige Transparenz. Wichtige Kennzahlen verschwinden allmählich aus der Nachhaltigkeitskommunikation. Der neue CR Benchmark von NetFed zeigt die aktuellen Entwicklungen.

Aus- und Weiterbildung

Canva & Co. für PR-Professionals

Dominika RotthalerDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr), Düsseldorf, hat ihr Fortbildungsangebot um das Praxisseminar „Canva & Co.“ erweitert. Im dem zweitägigen Seminar mit erstmaligem Start am 30. September lernen Mitarbeitende aus den Bereichen Kommunikation, PR und Social Media, wie sie mit Online-Design-Plattformen selbst grafische Lösungen für ihre Organisation entwickeln.

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Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

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Schriftzug Trust in Scrabble-BuchstabenVor rund vier Wochen piepte unsere Spülmaschine Alarm. Wir riefen den Fachmann. Er kam, prüfte und erklärte: „Die Pumpe ist defekt.“ Unsere Alternativen: 680 Euro, um das Teil auszutauschen oder ein neues Gerät. Eine unerwartete News, erst vier Jahre zuvor hatten wir die Miele-Maschine angeschafft und vermeintlich bewusst auf Qualität gesetzt.

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Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

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idw-Preis würdigt Wissenschafts-Pressemitteilungen

Drei Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für ChemieJährlich kürt der Informationsdienst Wissenschaft (idw) aus 20.000 Pressemitteilungen, die von mehr als 1.000 wissenschaftlichen Einrichtungen über die idw-Website verbreitet werden, die besten ihrer Art. Nach dem Urteil der Jury haben im Jahr 2023 das Max-Planck-Institut für Chemie, die Universität des Saarlandes und das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie gewonnen.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.