Vertane Chance: Die bayerische Kommunalpolitik vernachlässigt ihre Social-Media-Community

Kommentar zur Social-Media-Studie zur bayerischen Kommunalwahl 2020

Bayern ein digitaler Big Player? Nicht, wenn es um die Social-Media-Präsenz der Kommunalpolitik geht. Das belegt die Social-Media-Studie zur Kommunalwahl 2020 in Bayern, die den Auftritt der Spitzenkandidaten der 15 größten Städte Bayerns in den Sozialen Netzwerken untersucht. Nur wenige nutzen das immense Potenzial von Facebook, Twitter und Co. Dabei gibt es stichhaltige Argumente, die für eine Social-Media-Präsenz sprechen: Laut einer aktuellen Statista-Erhebung waren im Jahr 2019 insgesamt 54 Prozent der Bayern (Altersgruppe: 16 bis 74 Jahre) in den Sozialen Netzwerken unterwegs. Macht bei rund elf Millionen Einwohnern in dieser Altersgruppe: Rund sechs Millionen Social-Media-User in Bayern und damit unzählige potenzielle Wähler im eigenen Wahlkreis!

Jan Frankowski (© Kontext)

Gerade in Zeiten von zunehmender Politikverdrossenheit kann man es fast schon als grob fahrlässig einstufen, einer Social-Media-Strategie nicht die gleiche Bedeutung beizumessen wie dem klassischen Wahlkampf. Dabei sind die Möglichkeiten für Kommunalpolitiker immens: Man kann in den direkten und kontinuierlichen Dialog mit den Bürgern treten, schnell und einfach Meinungsumfragen starten, Einblicke ins Private geben (die man jedoch punktgenau steuern kann!), Persönlichkeit vermitteln, Standpunkte unterstreichen und so weiter ... Gleichzeitig ist man viel näher dran an den Themen und Ansichten der Bürgerinnen und Bürger – jederzeit, von überall. Dafür braucht es – verglichen mit anderen Wahlkampfelementen wie Plakaten oder Websites – auch kein riesiges Budget. Sondern: Etwas Vorbereitung und Übung, die Bereitschaft zum Zuhören, ausreichend Zeit und eine Plattformstrategie! Denn klar ist auch: Jedes Netzwerk hat seine eigenen Gesetze, Erfolgsformeln und Zielgruppen.

Kreativität schlägt Budget

Was die Studie zeigt: Politiker, die sich mal mit dem Thema Social Media, mit den einzelnen Plattformen und vielleicht sogar dem magischen Wort „Plattformstrategie“ auseinandergesetzt haben, performen auf allen untersuchten Kanälen tendenziell gut. Viele der Namen, die im Gesamtranking unter den Top-10 sind, stehen auch in der kanalspezifischen Betrachtung gut da. Und Geschlecht und Alter sind weniger relevant als guter Content. Das heißt im Umkehrschluss: Kreativität schlägt Budgetgröße!

Meine Botschaft an alle Kommunalpolitiker: Hebt endlich den Schatz, der sich in den Sozialen Netzwerken verbirgt, und kümmert Euch um Eure Community. In Deutschland wächst gerade eine Generation heran (Eure zukünftigen Wähler!), für die die klassischen Medien nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Eine Bitkom-Studie vom Mai 2019 hat ergeben, dass sich nur noch 23 Prozent der 16- bis 18-Jährigen durch gedruckte Zeitungen oder Zeitschriften über aktuelle Nachrichten informieren, hingegen 54 Prozent über Videoportale und 40 Prozent über Soziale Netzwerke. Tendenz steigend! Es führt also kein Weg mehr dran vorbei, sich mit Social Media zu beschäftigen und die dort geläufige Sprache zu erlernen. Nur so wird es einem Kommunalpolitiker auch in Zukunft gelingen, das Heft der Kommunikation in der Hand zu behalten.

Noch eine Bemerkung zur „Darkside“ der Social-Media-Welt. Natürlich ist auch die nicht zu unterschätzen: Da werden Shitstorms gestartet, Unwahrheiten unkontrolliert verbreitet und moralische Grenzen überschritten. Nicht allem kann man entgegenwirken, aber auch diese Seite ist Teil der deutschen Realität 2020! Und es ist immer noch besser, solche Strömungen im Blick zu behalten und ihnen gegebenenfalls auch zu widersprechen oder eine Gegenbewegung zu mobilisieren als sie komplett zu ignorieren. Es wäre fatal, ihnen das Feld der virtuellen Kommunikation zu überlassen!

Resümee: Das Ranking in der Social-Media-Studie zur Kommunalwahl 2020 in Bayern ist ein Armutszeugnis für die digitale Politikkommunikation! Zusammengenommen erreichen die Spitzenpolitiker knapp mehr als 100.000 Menschen über ihre Netzwerke. Das ist gemessen an der Zahl der Einwohner und damit auch Social-Media-Nutzer Bayerns erschreckend wenig. Unter Marketingprofis würde man auf dem freien Markt gerade einmal von Nano- oder Micro-Influencern sprechen. Und das, obwohl die Damen und Herren in den Rathäusern massiven Einfluss auf unser alltägliches Leben haben – deutlich mehr als alle Mega-Influencer mit ihren Mode-, Schmink- oder Fitnesstipps gemeinsam. Es ist also höchste Zeit, umzudenken und die digitale Wählerschaft zu erobern. Liebe Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, denken Sie social!

* Aus Gründen der Lesbarkeit wurde bei Personenbezeichnungen meist nur die männliche Form gewählt, es ist jedoch immer die weibliche Form mitgemeint.

Über den Autor: Jan Frankowski ist Kommunikationsberater in der Fürther Agentur Kontext public relations GmbH, die auch die zitierte Studie aufgesetzt hat. Vor seiner Zeit bei Kontext hat sich Frankowski nach dem Studium der Politikwissenschaften in Erlangen und den USA in der Axel Springer Akademie zum Multichannel-Journalisten ausbilden lassen. Von 2016 bis 2018 war er dann bei Axel Springer für den Aufbau des Instagram-Accounts für „Bild“ zuständig. Die Agentur Kontext ist eine der führenden Kommunikationsagenturen in der Metropolregion Nürnberg. Ausgehend vom Schwerpunkt der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bietet die Agentur ihren Kunden ein breites Kommunikationsportfolio.

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Whitepaper

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In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.