Cannes Lions 2018: Immer weniger barfuß!

Mirko Kaminski berichtet für das „PR-Journal“ aus Cannes

Mirko Kaminski ist Überzeugungstäter. Das Kreativitätsfestival in Cannes ist Jahr für Jahr fest verankert in seinem Terminkalender. In diesem Jahr ist er wieder dabei – natürlich mit vollem Herzen. Einen engagierteren Botschafter als Kaminski wird das Festival in Deutschland wohl kaum finden. Immer wieder versucht er seine PR-Kollegen in Deutschland davon zu überzeugen, den Kopf über den Tellerrand hinaus zu strecken und nach Cannes zu kommen. Hinzu kommt in diesem Jahr: Kaminski ist zum zweiten Mal Mitglied der PR-Jury. Lesen Sie nachfolgend seinen ersten Stimmungsbericht von den Cannes Lions 2018.

Mirko Kaminski in Cannes

Von Mirko Kaminiski, Cannes

Da vorne stehen Alex Schill und Diane Schulz von Serviceplan. Eben ein paar Worte mit Oliver Rosenthal von Google und Will Rolls von Facebook gewechselt. ADC-Geschäftsführer Klaus Gräff ist auch da. Und vorhin hatte ich ein Gespräch mit zwei potenziellen neuen achtung!-Mitarbeitern. Beim Dinner, zu dem ein Tech-Gigant eingeladen hat, treffe ich nachher noch einen potenziellen Kunden. Der will uns beim Pitch dabeihaben.

Cannes Lions 2018 BroadcasterZwischendurch treffe ich noch unsere vier Junioren (Foto), die im achtung!-Haus wohnen und live aus Cannes broadcasten. Mit einem Kreativen aus Kolumbien geplaudert, was im Bereich Health Care geht, und mit einem Agentur-Geschäftsführer aus New York darüber, wie die ihr Pricing gestalten. Ach, ja, spannende Vorträge im Palais gabs ja auch noch. Zwar lange nicht so viele wie auf der SXSW in Austin und lange auch nicht alle „mindblowing“, aber oft doch anregend. Das ist Cannes. Und wer noch nie hier war, kann sich auch aufgrund dieser Zeilen noch nicht vorstellen, wie wertvoll die Teilnahme sein kann. Ich sage „sein kann“, denn Cannes ist für jeden einzelnen das, was er daraus macht. Es soll schon Leute gegeben haben, die das hier blöd und fruchtlos fanden. Das könnten aber genau jene sein, die schon früher auf dem Schulhof allein herumstanden.

Eine Juroren-Gewerkschaft gibts noch nicht

Cannes Lions 2018 PartyWerbekreative barfuß im Sand und mit Rosé in der Hand? Das mag mal so gewesen sein. Ist aber nicht mehr so – höchstens noch bei einzelnen Partys (Foto). Aber die seien auch gegönnt. Cannes ist neben Inspiration auch Business. Cannes ist Networking, Austausch, Recruitment-Plattform und auch glitzerndes Bildungsprogramm. Und das ganze Erlebnis hier entschädigt einen Juror wie mich für die harte Arbeit in den zurückliegenden Wochen.

Gut 300 eingereichte Kampagnen, Projekte, Cases hatte ich im Vorwege zu bewerten. 300 mal drei bis vier Minuten! Gehen wir da mal von 20 Stunden Arbeit aus. Meist abends oder nachts. Einsam vor dem Rechner. Das Ergebnis: Die Shortlist.

Und hier in Cannes selbst werden in den vielen, vielen Jurys und Jurysitzungen dann die Gewinner bestimmt. Komisch übrigens, dass zwar alle Agenturen fair und gut für ihre Arbeit bezahlt werden wollen, aber noch nie Juroren insistiert haben, dass ja auch mal darüber nachgedacht werden könnte, ihre Arbeit zu fair bezahlen. Schließlich sollen die Veranstalter der Cannes Lions eine Marge von 70 Prozent erzielen. 70 Prozent! Nun gut, bislang begnügen sich offenbar alle Juroren mit den Währungen Ehre, Renommée und Inspiration. Bisher ist auch keiner auf die Idee gekommen, sowas wie eine Juroren-Gewerkschaft zu gründen...

Cannes Lions 2018 WelcomeAber zurück zu den 70 Prozent! Cannes ist ein sagenhaftes Geschäft und es wächst und wächst. Man könnte von Veranstalter-Gier sprechen, aber dafür bin ich dann doch noch zu sehr Fan dieser Veranstaltung. Es ist vor allem ein unglaublich smartes, ja schlitzohriges Geschäftsmodell. Agenturen zahlen dafür, dass sie Content einreichen dürfen – nämlich die Einreichungen und Casefilme – und treiben enormen Aufwand, um diesen Content zu produzieren. Dann stellen sie ihre besten Leute kostenlos zur Verfügung, damit die diesen Content bewerten. Auch das ist ein gehöriges Investment. Man müsste mal alle Jurorentage mit durchschnittlichem Tagessatz multiplizieren.

Ja, und dann kaufen diese Produzenten des Contents noch teure Tickets für ihre Leute, damit die sich den Content vor Ort anschauen – und zahlen natürlich für Flüge, Hotelzimmer usw. Und dann – jetzt kommts – bezahlen diese Produzenten des Contents – die Agenturen – auch noch tausende Euro jährlich, um Zugang zum Online-Cannes-Lions-Archiv zu bekommen, wo sie all die Casefilme, also den Content, der vergangenen Jahre angucken können. Wahnsinn, oder? Muss man erstmal draufkommen. Und dann nimmt der Veranstalter ja noch viel, viel Geld von Unternehmen wie Google, Facebook und anderen, damit die sich den Leuten, die Content geliefert, bewertet, kuratiert und prämiert haben und die Tickets gekauft haben, präsentieren und mit ihnen ins Geschäft kommen können.

Ein Trend: Marken bekriegen sich

In Cannes gibt es – wie ich finde – so wie auch schon auf der SXSW 2018 nicht DEN einen großen, alles verändernden Trend zu sehen. Es gibt die Trends, die sich bereits in den vergangenen Jahren angedeutet und entwickelt haben und die sich jetzt verstärken, verdichten und professionalisieren.

Da geht es zum Beispiel um die kreative und effiziente Nutzung neuer Technologien, um Aufmerksamkeit zu entfachen. Das Broadcasting der Bundeswehr via Bot aus Mali ist so ein Beispiel dafür. Und dann geht es um das Storydoing, also das Tun und Erschaffen von etwas, um was Großes zu erzählen zu haben. Da dürfte der BVG Sneaker ein Beispiel sein – der Sneaker der gleichzeitig eine Jahreskarte ist. Haben wir von achtung! zusammen mit Jung von Matt/SAGA für die BVG machen dürfen.

Storydoing

Bemerkenswert ist auch, wie das Storydoing im gesellschaftlichen Raum zunimmt. Es gibt irgendwo einen Mangel, ein großes Problem und zu wenig Engagement? Eine Marke entwickelt eine Idee und tut etwas, um darauf aufmerksam zu machen oder sogar zu einer Lösung beizutragen. So hat Ford das Thema aufgegriffen, dass Menschen mit Handicap zu wenige Jobs zugetraut werden. Ford hat dann HandiCAB ins Leben gerufen. Taxen, die von Menschen gefahren werden, denen zum Beispiel ein Arm oder ein Bein fehlt. Die Reaktionen der Fahrgäste wurden gefilmt. Einige stiegen sofort wieder aus. Das Doing und der Film dazu waren ein großes Medienthema und haben eine Debatte angestoßen.

Branded Entertainment

Ebenfalls ein Trend: Marken, die sich lustvoll bekämpfen oder zumindest sich übereinander lustig machen und so die Menschen unterhalten. McDonalds’ und Burger King machen das ja mit großer Passion und haben hier einiger solcher gegenseitigen Streiche im Rennen. Überhaupt: Branded Entertainment! Ein riesiges Thema. Marken unterhalten Menschen und binden sie auf diese Weise. Es ist nur eine Frage der Zeit bis die erste deutsche Marke mit einer Netflix-Serie, einer reichweitenstarken Radio-Show (Podcast) oder einem Kinofilm um die Ecke kommt.

Ich könnte noch ewig berichten, muss jetzt aber leider rasch den Rechner zuklappen. Sonst komm’ ich zu spät zu diesem Tech-Dinner und lass’ den potenziellen Kunden warten...

Übrigens: Die Shortlist für die PR-Kategorie wird am 20. Juni veröffentlicht, die Gewinner werden dann am 21. bekannt gegeben.

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Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.