Großkonzerne an den Fronten der Demokratie: Wirtschaft und Politik im Kommunikationskonflikt

Ein Zwischenruf von Wolfgang Griepentrog (Foto), Leichlingen

Griepentrog Wolfang klein 2022In einer Zeit großer Verunsicherung, in der sich die gewohnte Weltordnung auflöst und unser liberales, demokratisches System im harten strategischen Wettbewerb mit autoritären und diktatorischen Systemen steht, kommt es besonders auf Vertrauen und Zusammenhalt in der Gesellschaft an. Die Chefs großer Konzerne sollten ihre Worte sensibel abwägen, gerade wenn sie an der Front zwischen gesellschaftlichen, politischen Anliegen und eigenen Gewinn- und Wachstumsinteressen stehen.

Ich war daher entsetzt, als BASF-Chef Martin Brudermüller vor kurzem im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ den Entwurf der neuen Chinastrategie der Bundesregierung sowie die Warnungen nicht zuletzt von Stimmen aus der eigenen Branche konterkarierte. Er sagte: „Im Moment kommt es mir vor, als würde beim Thema China einseitig nur das Negative gesehen. … Natürlich gibt es unerfreuliche Entwicklungen dort. Aber es ist doch nicht alles plötzlich schlecht. Mir geht es um eine vernünftige Balance in der Analyse. … Tatsächlich ist die frühere politische Pluralität innerhalb der Kommunistischen Partei zurückgegangen und es ist einseitiger geworden. Das macht auch mir Sorgen. Aber es ist eben auch dieses hochdynamische China, das technologisch schnelle Fortschritte macht und in unserer Branche bereits fast 50 Prozent des Weltmarkts ausmacht.“ Im Klartext: „Vernünftige Balance“ bedeutet, Gewinn- und Wachstumspotenziale nicht wegen „unerfreulicher Entwicklungen“ zu gefährden. Ähnlich äußerte sich im Mai der damalige VW-Chef Herbert Diess. „Vorbild kann man nicht allein über moralische Standards sein, das geht nur über wirtschaftlichen Erfolg. Wir können uns deshalb nicht darauf beschränken, nur mit Demokratien zu arbeiten oder wirtschaftlich aktiv zu sein, die unseren Wertvorstellungen voll genügen. Das sind maximal zehn Prozent der Weltbevölkerung“. Und an die jüngsten ethischen Rechtfertigungsversuche der Goldeselinstitution FIFA mag ich gar nicht erst denken.

Davon abgesehen, dass vier deutsche Unternehmen, auf die der Großteil aller Investitionen in China entfällt, hier ein Stück Weltpolitik beeinflussen, hat solche Kommunikation eine verheerende Wirkung. Ich meine: Wenn Wohlstand und Unternehmenserfolge wo auch immer auf der Welt unter Verlust von Freiheit, Menschenrechten und demokratischer Selbstbestimmung erreicht werden, ist das keine Erfolgsgeschichte, auf die wir mit Bewunderung blicken können. Verantwortungsbewusstes und nachhaltiges unternehmerisches Handeln lässt keinen Raum für Gewinnmaximierung auf Kosten der Werte, die zur DNA der freien Gesellschaft gehören.

Ich sehe mindestens drei kritische Auswirkungen von Brudermüllers Worten:

  1. Sie verzerren die Haltung der deutschen Unternehmen gegenüber China, die längst unaufgeregt und pragmatisch ihre Abhängigkeit vom chinesischen Markt reduzieren. Sie verhindert, dass nicht nur die deutsche Politik, sondern auch die Wirtschaft in den zentralen Fragen mit einer Stimme spricht. Uneinigkeit und Spaltung aber ist genau das, was autoritäre Systeme in der westlichen Welt erreichen wollen, um sie zu schwächen. Westliche Gesellschaften und die Interessen großer Konzerne gegeneinander auszuspielen, ist eine beliebte Taktik.
  2. In schwierigen Zeiten zusammenzustehen, Herausforderungen gemeinsam zu meistern und die Werte zu stärken, die unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhält, ist die Grundlage von Vertrauen und Verständigung liberaler, demokratischer System. Es liegt aber in der Natur offener Demokratien, dass sie verwundbar sind durch extreme Feinde von innen, die von autoritären Staaten teils gezielt unterstützt oder sogar gesteuert werden. CEOs großer Konzerne wie BASF oder der Automobilhersteller sollten daher aufmerksam prüfen, ob ihre Äußerungen solche demokratiefernen Ziele unterstützen und das gesellschaftliche Vertrauen in schwierige politische und gesellschaftliche Weichenstellungen erschüttern.
  3. Bei den großen geopolitischen Krisen, die wir aktuell erleben, brauchen Unternehmen eine starke Politik, die neue Spielräume für Fortschritt, Wachstum und Wohlstandssicherung schafft, und die Politik braucht umgekehrt Unternehmen, die gerade im globalen Business ihren Werten treu bleiben und durch eine risikobewusste Unternehmenspolitik resilient und erfolgreich bleiben. Dieses gute, seit jeher bewährte Zusammenspiel sollte im Auftritt von Top-Managern zum Ausdruck kommen.

In diesem Sinne müssen vor allem großen Unternehmen wegen ihrer öffentlichen Aufmerksamkeit und besonderen gesellschaftlichen Verantwortung aufpassen, dass sie nicht zu „Heckenschützen der Demokratie“ werden. Es gibt genügend solcher Heckenschützen, die durch ihr Handeln oder ihre Meinungsäußerungen das Misstrauen in die Stärke, die Leistungsfähigkeit und die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie erschüttern: von ehemaligen Spitzenpolitikern im Bundeskanzleramt bis hin zu fragwürdigen Philosophen und instrumentalisierten Bloggern. Desto wichtiger ist es, dass gerade Top-Manager zeigen, dass ihre Entscheidungen und damit die Verantwortung für Milliardeninvestitionen auch von einem ethischen Kompass bestimmt sind.

Was Brudermüller & Co fehlt, ist ein klares Narrativ im Umgang mit autoritären Systemen. Während die Politik mit dem Vorschlag der neuen Chinastrategie eine funktionsfähige Formel entwickelt hat („China ist Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Wir wollen unsere Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität erhalten und durch eine breitere Risikostreuung langfristig absichern.“), lautet das Narrativ der vier deutschen Großinvestoren pauschal gesagt: „Weiter so: Trotz aller Kritik und auch entgegen politischem Rat bleiben wir bei unserer China-Linie, um Gewinn- und Wachstumspotenziale nicht zu gefährden.“

Was hier am Beispiel China dargestellt wird, gilt in ähnlichem Maße auch für den Umgang mit anderen autokratischen Systemen. Ich bin überzeugt, dass den Kolleginnen und Kollegen im Kommunikationsmanagement der Konzerne dazu etwas einfällt.

Über den Autor: Wolfgang Griepentrog ist Interim Manager und Kommunikationsberater. Er unterstützt Unternehmen bei der Verbesserung ihrer Kommunikations- und Marketingprozesse und bei der Positionierung mit einem differenzierten Markenprofil. In Krisen sowie im Change Management hilft er, unternehmenspolitische Handlungsspielräume zu sichern. Seit vielen Jahren unterhält er zudem seinen Blog „Glaubwürdig kommunizieren“. Hier gibt es Beobachtungen, Analysen, Anregungen rund um wirkungsvolle Kommunikation.

Seitennavigation

Personalien

Franziska Queling leitet Interne Kommunikation

Franziska QuelingFranziska Queling übernahm bei Opel in Rüsselsheim am 1. Mai die Leitung der Abteilung Corporate & Internal Communications von Roland Korioth, der sich neuen zentralen Aufgaben innerhalb der Öffentlichkeitsarbeit zuwendet. Queling verantwortet damit die Mitarbeiterkommunikation an allen Unternehmensstandorten und globale Wirtschaftsthemen rund um die Marken Opel/Vauxhall.

Agenturen

Tyto strukturiert Management um

Managerinnen und Manager von Tyto PRDie europaweit tätige PR-Agentur Tyto, Frankfurt am Main, ernennt die erste Chief of Staff, drei neue Managing Partner und sechs neue Teamleiter. Diese Umstrukturierung bildet das zentrale Element der neuen „Glocal“-Management-Struktur, bei der die 60-köpfige Agentur einen globalen Ansatz bei der Kundenbetreuung mit lokalem Fokus auf Team-Management und Mitarbeiterentwicklung kombiniert.

Unternehmen

Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Festival und Konferenz

Akrobatische EinlageIm letzten Jahr hat es nicht geklappt, doch in diesem Jahr wollten wir dabei sein: PR-Journal goes Berlin und gemeinsam mit uns waren 2.500 Kommunikationsprofis und Einsteiger bei der Voices 2024 in der Berlin Arena – einer grandiosen Location für das Event. Beeindruckend: Statt ohrenbetäubender Geräuschkulisse war es eine recht leise Veranstaltung – den Kopfhörern sei Dank.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

KI-Pionierarbeit bei Bosch seit 2017

Michael SchmidtkeMichael Schmidtke ist VP Content Flow and Digital Channels bei Bosch. Beim Webinar der AG CommTech vom 23. April gab er einen tiefen Einblick in sieben Jahre Nutzung von KI in der Unternehmenskommunikation von Bosch. Im Vorgriff auf den nächsten „CommTech Newsletter“, der am 8. Mai erscheint, veröffentlicht das PR-JOURNAL ein Interview mit Michael Schmidtke, das mit Hilfe von KI-Tools auf Basis der Aussagen Schmidtkes im Webinar erstellt wurde.

Autoren-Beiträge

Rechtsextreme Kommunikation erkennen und bekämpfen

Felix Meyer-WykUnsere Vorstellung von Rechtsextremen beschränkt sich oft auf offensichtliche Verfassungsfeinde: Glatzen mit Springerstiefel oder „Ausländer raus“-Rufe. Keine Frage, diese Gruppen sind gefährlich. Deutlich unauffälliger, aber mindestens genauso gefährlich sind die Neuen Rechten. Für uns als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ist es wichtig, ihre Denkmuster und Strategien zu kennen, denn mit ihren Auftritten werden wir es vermehrt zu tun haben.

Rezensionen

Ein Buch für Kommunikationsstrategen

Buchcover Wirtschaft als KommunikationWie Unternehmen und Wirtschaft öffentlich werden, das war einmal in einem relativ einfachen Managementprozess organisierbar. Wissen bereitstellen, im Wesentlichen über Produkte und Dienstleistungen. Und dieses Wissen dann in einseitigen Informations-Prozessen an die relevanten Stakeholder verbreiten. Aber, das war einmal. Wirtschaft 1.0 könnte man das nennen. Heute hat sich dies grundlegend verschoben …

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Harte Fakten und Kennzahlen fehlen

Schriftzug CR BenchmarkNachhaltigkeitskommunikation ist auf den Corporate Websites zentral positioniert. Immer mehr Unternehmen verknüpfen den Geschäftserfolg inhaltlich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Bedenklich ist aber die seit mehreren Jahren rückläufige Transparenz. Wichtige Kennzahlen verschwinden allmählich aus der Nachhaltigkeitskommunikation. Der neue CR Benchmark von NetFed zeigt die aktuellen Entwicklungen.

Aus- und Weiterbildung

Canva & Co. für PR-Professionals

Dominika RotthalerDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr), Düsseldorf, hat ihr Fortbildungsangebot um das Praxisseminar „Canva & Co.“ erweitert. Im dem zweitägigen Seminar mit erstmaligem Start am 30. September lernen Mitarbeitende aus den Bereichen Kommunikation, PR und Social Media, wie sie mit Online-Design-Plattformen selbst grafische Lösungen für ihre Organisation entwickeln.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Wie Unternehmen das Vertrauen ihrer Kunden verspielen

Schriftzug Trust in Scrabble-BuchstabenVor rund vier Wochen piepte unsere Spülmaschine Alarm. Wir riefen den Fachmann. Er kam, prüfte und erklärte: „Die Pumpe ist defekt.“ Unsere Alternativen: 680 Euro, um das Teil auszutauschen oder ein neues Gerät. Eine unerwartete News, erst vier Jahre zuvor hatten wir die Miele-Maschine angeschafft und vermeintlich bewusst auf Qualität gesetzt.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Stolze Gewinnerinnen und Gewinner

Von links: Christoph Heshmatpour, Johanna Wittner, Michael Rotschädl und Lukas KalteisDie Erstplatzierten des diesjährigen Franz-Bogner-Wissenschaftspreises für PR stehen fest: Es sind Johanna Wittner, Michael Rotschädl, Christoph Heshmatpour und Lukas Kalteis. Insgesamt wurden 33 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2023 in vier Kategorien eingereicht. Zehn Arbeiten erhielten bei der Verleihung am 22. April in Wien eine Auszeichnung. Das Preisgeld beträgt insgesamt 8.900,00 Euro.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.