Eine integrierte Marketing-Kommunikation sollte zum Standard werden

CommTech AG IMWF LogoDie „Arbeitsgemeinschaft CommTech“ (AG CommTech) wurde im Sommer 2021 unter dem Dach des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF), Hamburg, gegründet. Sie wird gemeinsam getragen vom IMWF und von Thomas Mickeleit. Seither sind mehr als 250 PR-Praktikerinnen und -Praktiker der Einladung gefolgt. Die AG erarbeitet Lösungen für die digitale Kommunikation und stellt diese der interessierten Fachöffentlichkeit vor. Seit Februar 2022 erscheint jeweils am 1. Mittwoch im Monat der „CommTech Newsletter“. Im Vorgriff auf die 9. Ausgabe, die am 5. Oktober erscheint, veröffentlicht das „PR-Journal“ ein Interview mit Christina Rettig. Die Fragen stellte Klaus Treichel, Co-Leiter der AG1 in der AG CommTech.

PRJournal Treichel und RettigChristina Rettig leitet die Unternehmenskommunikation von SCHOTT in Mainz. Im Interview mit Klaus Treichel schildert sie, wie ihr Team datengetriebene Kommunikation angeht. Einen Schlüssel dafür sieht sie in der Integration von Kommunikation und Marketing. 

Frage: Häufig wird gesagt, MarTech ist der CommTech meilenweit voraus. Anders ausgedrückt: Die Digitalisierung ist im Marketing schon ziemlich ausgereift – und in der Kommunikation steht sie noch ganz am Anfang. Steckt CommTech aus Deiner Sicht wirklich noch in den Kinderschuhen?

Christina Rettig: Lass uns das anhand von Zahlen festmachen: Eine Suche bei Google Scholar zum Begriff MarTech bringt gut 9000 Ergebnisse. CommTech liegt darunter und schleppt Beifang aus benachbarten Disziplinen wie Informatik mit, die den Begriff in anderem Zusammenhang verwenden. Das ist für mich ein Indiz, dass MarTech weiter fortgeschritten ist. Aus der Praxis kann ich diesen Eindruck bestätigen.

Frage: Welche Potenziale siehst Du in der Anwendung von CommTech? 

Rettig: Kommunikator:innen verfügen in der Regel über ein gutes Bauchgefühl, mit welchen Themen sie ihre Organisationen erfolgreich positionieren. Idealerweise tragen sie damit zum Geschäftserfolg bei. CommTech bietet das wunderbare Potenzial, diese Arbeit noch besser zu machen. Vor allem aber machen wir den Wert von Communications für die Organisation sichtbar.

Frage: Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit wir die Digitalisierung nutzen können, um den Wertbeitrag der Kommunikation zu messen?

Rettig: Kurz gesagt: Mindset, Manpower, Infrastruktur. Es fängt damit an, dass die Leitung der Comms-Organisation davon überzeugt sein muss, die Kommunikation an Daten auszurichten. Das können die Teams dann aber nicht zusätzlich zur Tagesarbeit leisten. Wie Antonia Eidner kürzlich auf dem #KKongress sagte, sind dedizierte Ressourcen nötig, die sich ausschließlich darum kümmern. Und drittens braucht es Zugang zu den Daten sowie entsprechende Tools, diese aus unterschiedlichsten Quellen zusammenzuziehen und zu strukturieren. Und zwar idealerweise automatisch, nach vorher festgelegten Routinen. Nur so wird unsere Arbeit auch effizienter.

Frage: Digitalisierung ist eine klassische Querschnitts-Aufgabe. Wie nötig ist da noch eine Trennung zwischen Kommunikation und Marketing? 

Rettig: Damit diese Integration gelingt, finde ich es allerdings wichtig, die Unterschiede der beiden Disziplinen anzuerkennen. Nur dann kann man die Stärken optimal kombinieren und gut zusammenarbeiten. Und das ist es schließlich, was die Führungsebene von beiden Funktionen erwartet.

Frage: Welche Erfahrungen hast Du bei SCHOTT gemacht, was die Annäherung oder gar Integration von Kommunikation und Marketing betrifft? Welche Tricks waren bei Dir erfolgreich?

Rettig: Das war damals nicht ganz freiwillig, sondern Ergebnis der Finanz- und Euro-Krise. Im Nachhinein war es ein Glücksfall, denn eine gemeinsame Berichtslinie ist auf jeden Fall förderlich. Schlüssel für die Integration waren außerdem unsere „Fokus-Themen“, zu denen wir seit 2015 rollierende Projektteams gebildet haben. Dafür haben wir uns Themen mit Strahlkraft herausgesucht, zum Beispiel biegbares Ultradünnglas. Das begegnet einem heute in faltbaren Smartphones, wie sie Samsung oder Vivo auf den Markt gebracht haben. Damals haben wir in einem integrierten Team aus beiden Disziplinen erarbeitet, wie wir das Thema nutzen können, um SCHOTT als Anbieter in der Consumer Electronics-Industrie zu positionieren und unser Unternehmen insgesamt bekannter zu machen. Sich über solche Projekte einander anzunähern und nicht gleich alles umzustellen, war für uns ein guter Weg. Wenn man Schritt für Schritte vorgeht, können Feedbacks aus den Teams besser in die Umgestaltung einfließen.

Frage: Welche Fehler habt Ihr bei den ersten Projekten der datengetriebenen Kommunikation gemacht? Und was war für die Korrektur entscheidend?

Rettig: Bei uns überholen die gute Content-Idee und das Macher-Gen vieler Kommunikator:innen nach wie vor den sauberen Prozess. Dadurch verschenken wir schätzungsweise 20-30% Performance. Denn idealerweise sollte das Team, das die Daten im Blick hat, zunächst eine Analyse fahren und dann erst wird der Content erstellt. Dieses Planen und Abwarten liegt nicht in der Natur von Kommunikator:innen. Aber solange die Richtung insgesamt stimmt, darf das ab und an nochmal vorkommen, das ist kein Weltuntergang. Wir befinden uns alle miteinander auf einer Lernkurve.

Frage: Viele Kommunikations-Abteilungen befassen sich gerade jetzt mit der datengetriebenen Kommunikation. Welche konkreten Praxistipps kannst Du mit Deiner SCHOTT-Erfahrung geben? Wie und womit sollte man bei der Einführung anfangen?

Rettig: Lehrbuchartig wäre natürlich eine Top-Down CommTech-Strategie. Meine Erfahrung ist allerdings, dass das die Organisation schnell überfordert. Führungskräfte wissen oft nicht, wo sie anfangen sollen. Außerdem ist es schwierig, die nötige Kapazität in den Teams freizumachen. Wenn noch gar keine Erfahrung besteht, würde ich mit einem abgegrenzten Projekt beginnen. Zum Beispiel haben wir einen Produktlaunch mit einem interdisziplinären Team betreut, das ganz bewusst zunächst Daten zusammenträgt und auf dieser Grundlage den Kreativprozess einleitet. Die Learnings daraus kann man dann in weitere Projekte mitnehmen.

Frage: Marketing und Kommunikation leben von Kreativität und Phantasie. Wie passen Zahlen, Daten und Dashboards in diese Welt?

Rettig: Kreativität und Phantasie bestimmen, wie ich eine Geschichte erzähle. Daten und Dashboards komplettieren die anderen W-Fragen: Welche Geschichte erzähle ich wem und wo. Aus meiner Sicht ergänzt sich das perfekt.

Frage: Welche Entwicklungen siehst Du für die nächsten zwei Jahre? Wohin geht die Datenreise?

Rettig: Wir Kommunikator:innen befinden uns im Moment noch in einer komfortablen Situation und segeln unter dem Radar. Marketing steht heute schon unter viel höherem Erfolgsdruck. Ich denke, dass dieser bald bei uns ankommen wird. Das Ziel für unsere Profession in den nächsten zwei Jahren sollte sein, mehr Datenkultur zu wagen und vor diese Welle zu kommen – und sie am besten aktiv zu surfen. Das verspricht größeren Erfolg und macht am Ende auch mehr Spaß. 

Dieser und weitere Beiträge zum Thema Daten in der PR erscheinen am 5. Oktober im „CommTech Newsletter“ 09. Der Newsletter richtet sich an die Mitglieder der AG CommTech und alle an der Digitalisierung von Kommunikation interessierte Personen. Weitere Informationen über die AG CommTech sowie ein Bestellformular für den Newsletter finden sich hier auf der IMWF-Website

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Drei Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für ChemieJährlich kürt der Informationsdienst Wissenschaft (idw) aus 20.000 Pressemitteilungen, die von mehr als 1.000 wissenschaftlichen Einrichtungen über die idw-Website verbreitet werden, die besten ihrer Art. Nach dem Urteil der Jury haben im Jahr 2023 das Max-Planck-Institut für Chemie, die Universität des Saarlandes und das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie gewonnen.

Whitepaper

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In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.