Ausblick 2022: Wie wir künftig in der PR arbeiten wollen, sollen und dürfen

Die Corona-Pandemie hat uns im Griff – und wir wiederum versuchen die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. Wir versuchen, mit der neuen Situation, diesem „New Normal“, umzugehen. Denn nicht nur das Gesundheitswesen und die Politik wurden von dieser Krise durchgeschüttelt, auch die Arbeitswelt verändert sich nachhaltig und erfährt einen Digitalisierungsschub – das gilt besonders stark für die PR- und Kommunikationsbranche. Ein vielerorts großes, mancherorts einziges Thema ist dabei das Home-Office. Doch wie steht die Kommunikationsbranche dazu? Wir haben nachgefragt.

Nur noch Home-Office? Besser nicht, sagen viele PR- und Kommunikationsfachleute. Sie befürchten allzu starke Kulturbrüche. (Foto: Jason Strull / Unsplash)

Man kann nicht nicht über Home-Office sprechen

„Das Stichwort lautet hybrides Arbeiten: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben festgestellt, dass sie im Home-Office sehr produktiv sein können; sie erkennen aber, dass auch die Arbeit im Büro Vorteile hat. Die Unternehmen müssen sich diesen Bedürfnissen anpassen“, wird Michael Baier, Managing Director bei Michael Page, im Studienband „Hybrid HR“ von F.A.Z. Business Media | research zitiert. Ein hybrides Arbeitsmodell ist in den meisten deutschen Unternehmen aber keine Realität, wie eine aktuelle YouGov-Umfrage im Auftrag von Hirschtec zeigt. In über einem Drittel der Unternehmen gibt es – laut Auskunft der Beschäftigten – ein derartiges Modell nicht. Ebenfalls mehr als ein Drittel der Befragten gibt an, dass in ihrem Geschäftsbereich das hybride Arbeiten grundsätzlich nicht möglich ist. Von Home-Office redet nach Auskunft von Stepstone aktuell auch nur knapp jedes zehnte Unternehmen in seinen Stellenausschreibungen. Wir haben also ein Kommunikationsproblem. Oder eine kommunikative Herausforderung, wie man so schön sagt.

Die Frage ist, was von Seiten der Belegschaft in den einzelnen Unternehmen und Agenturen gewünscht ist und was – ob dem entgegenstehend oder nicht – die Führungsriege glaubt, als New Work definieren zu müssen, um künftig gut aufgestellt zu sein. Um sich gegenüber Mitbewerbern durchsetzen zu können und auch um im War for Talents nicht abgehängt zu werden. Denn dass Führungs- und Unternehmenskultur in der aktuellen Situation leiden, steht außer Frage.

Branchennachwuchs hat keine Lust auf Home-Office

Hirsch Lutz CEO HirschTec klein„Wir sehen uns aktuell einem kommunikativen Overload ausgeliefert“, sagt Lutz Hirsch (Foto), CEO bei Hirschtec, Hamburg. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind genervt, weil der Wissenstransfer digital nicht so funktioniert, wie wir es aus Vor-Corona-Zeiten kennen. Das führt zu unsauberen Prozessen und wir messen, dass der Abstimmungsbedarf signifikant steigt. Spontane Ideen und Aha-Effekte durch zufällige Treffen in den Agenturräumlichkeiten fallen weg.“

Fink&Fuchs AG MitarbeiterportraitsÄhnliches berichtet Alexandra Groß (Foto), Vorstandsvorsitzende bei Fink & Fuchs, Wiesbaden: „Das Home-Office als Arbeitsmittel hat auch schon vor Corona sehr gut funktioniert. Wenn aber eine Vielzahl individueller Home-Office-Wünsche zusammenkommen, wird es für eine größere Organisation komplex. Kommunikation im allgemeinen und Terminabstimmungen im speziellen – intern und extern – laufen viel formaler ab und sind damit auch organisations- und zeitintensiver. Die digitale Kommunikation hat ihre Grenzen, zum Beispiel bei der non-verbalen Kommunikation. Ich begreife es als Teil des Berufsbildes, Begegnungen zu haben und voneinander zu lernen.“ Fink & Fuchs setzt auf das Arbeiten in der Agentur, berücksichtigt dabei aber individuelle Fragestellungen. Ein Wunsch, dem speziell Berufseinsteigerinnen und -einsteiger gern nachgehen: „Der Nachwuchs hat nach Monaten der digitalen Lehre einfach keine Lust auf Home-Office“, sagt Groß.

Die hybride Arbeitswelt erschwert es, die Wertschätzung für den Einzelnen, aber auch die Unternehmenskultur insgesamt zu transportieren. Das bestätigt auch die Studie „Hybrid HR“. Ebenso leide die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, Abstimmungen würden erschwert, neue Silos entstünden. Im Klartext: HR befürchtet nennenswerte Kulturbrüche, die nicht ohne Weiteres zu kitten oder digital nachzubilden sind.

Ja: Präsenz ist wichtig. Ja: Online funktioniert.

Schwartz Christoph Inhaber Schwartz Public Relations klein„Im Idealfall sollten Mitarbeitende zusammen an einem Tisch sitzen und so viel voneinander mitbekommen“, sagt Christoph Schwartz (Foto), Inhaber der Agentur Schwartz Public Relations, München, der nach eigenen Angaben gleich zu Pandemie-Beginn fünfstellig in Software investiert hat, um virtuelles Arbeiten bei gleichbleibender Professionalität gegenüber den Kunden zu ermöglichen. Schwartz sieht viele Vorteile, die das Arbeiten von Zuhause mit sich bringt, sagt aber auch: „Home-Office kann bedeuten, in Kauf zu nehmen, dass Wissen verloren geht. Doch ich treffe diese Entscheidung bewusst nicht. Das ist eine Entscheidung jedes einzelnen hier im Team.“

Interessanter Weise steht die Möglichkeit remote zu arbeiten bei den Faktoren, die wirklich zur Mitarbeiterbindung beitragen, laut der Studie „The Contribution Effect“ von Weber Shandwicks spezialisierter Unternehmensberatung United Minds und KRC Research, nicht hoch im Kurs (Platz 58 von 79 Faktoren). Ganz oben auf der Liste steht die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (Platz 5). Und so versprechen einige Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die völlige Freiheit in der örtlichen Arbeitsgestaltung. Die Deutsche Telekom ist eine davon.

Schindera Philipp Ltg Ukom Telekom klein„Fakt ist doch: Es funktioniert online“, sagt Philipp Schindera (Foto), Leiter Unternehmenskommunikation bei der Telekom, Bonn. „Die Präsenzpflicht ist eine überkommene Sicht von Arbeit. Es ist nicht meine Erfahrung, dass nur diejenigen fleißig sind, die ich auch sehe.“ Doch ein ganz anderes Thema sei die individuelle psychische Belastung durch eine solche Ausnahmesituation: „Die Gefahr besteht in der sozialen Verkümmerung zum einen und der Überforderung zum anderen, weil das nächste Meeting ohne Leerlauf nur einen Klick entfernt ist. Künftig ist es dann wohl eine Entscheidung für oder gegen das Büro, die individuell mit Blick auf Arbeitsbedingungen, soziale Komponenten und persönlichen Geschmack getroffen wird.“

Büro wird neu definiert

Tannert Yaldiz Oktay„Vertrauen ist die entscheidende Währung von New Work“, sagt Oktay Tannert-Yaldiz (Foto), Managing Director bei K16, Hamburg, der neuen GPRA-Agentur, die 2019 mit dem HR Excellence Award ausgezeichnet wurde. „Dazu wollen wir ein Umfeld schaffen, das nicht ausschließlich output-orientiert ist, sondern vor allem neue Potentiale ermöglicht. Das Büro betrachten wir dabei als Begegnungsstätte, um eine bessere Co-Creation zu ermöglichen.“ Die Corona-Pandemie sei in diesem Zusammenhang weniger Auslöser als vielmehr Beschleuniger der Entwicklung hin zu einem Agenturkonstrukt, das Ressourcen in Freiräume steckt und Teams in Richtung Selbstorganisation hin entwickelt.

Kaminski Mirko CEO achtung kleinAuch die Agentur Achtung!, Hamburg, definiert ihre Agenturräume gerade neu, investiert in die Schaffung von Kollaborationsflächen. „Wir werden nie wieder erleben, dass 95 Prozent der Belegschaft im Büro anwesend ist“, sagt Mirko Kaminski (Foto), CEO bei Achtung! „Ich möchte aber Bühnen und Plattformen bieten, um alle wieder zusammenkommen zu lassen. Wir haben gelernt, dass die interne Kommunikation entscheidend für den Geschäftserfolg ist. Die Agenturmarke wird wichtiger. Und wo lässt sich diese besser vermitteln als in den Agenturräumen? Das Büro wird zum Flagshipstore der Marke.“

Home-Office bleibt ein Thema. Aber eines, das unterschiedlich angegangen und definiert wird. Die gute Nachricht: Auch der Arbeitnehmermarkt ist divers. Und so wird sich zeigen, welche HR-Kommunikationskonzepte sich im Jahr 2022 und darüber hinaus vielleicht einen kleinen Vorteil verschaffen können und wie nachhaltig Arbeitgebermarken gerade neu definiert werden.

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Agenturen

Milk & Honey PR setzt mit „NU“ KI-Roadmap um

Sanjiv Winayak und Manuel HüttlDie in München ansässige Agentur Milk & Honey PR gründet ihre eigene newTech-Abteilung: „NU“. Die neue Division baut ihr Service-Portfolio mit externem Fachwissen aus, um den Einsatz hybrider Mensch-KI-Technologien in der Kommunikationsbranche zu unterstützen und für Kunden zugänglich zu machen. NU wird von Sanjiv Winayak als Head of AI geleitet. Er berichtet an Manuel Hüttl, CEO Deutschland von Milk & Honey.

Unternehmen

Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

Kommunikationsverbände starten Initiative für Demokratie

Alexandra Groß, Nils Haupt und Regine KreitzDie deutschen Kommunikationsverbände DPRG, BdKom und GPRA starten die Initiative „Kommunikation stärkt Demokratie“. Gemeinsam planen die Organisationen, die rund 10.000 Kommunikationsprofis vertreten, vielfältige Aktivitäten zur Stärkung von Meinungsfreiheit und Demokratie in Deutschland. Anlass ist das 75-jährige Jubiläum der Verabschiedung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 2024.

Branche

PR-Agenturbranche wächst um 4,8 Prozent

SäulendiagrammDie PR-Agenturbranche hat sich in dem für sie schwierigen Jahr 2023 gut behauptet. Trotz einer Abnahme der Gesamtwirtschaftsleistung in Deutschland um 0,3 Prozent konnten die Agenturen mit PR-DNA bei ihren PR-Honorarumsätzen eine Steigerung um 4,8 Prozent erzielen. Auch die Zahl der PR-Professionals in den Agenturen stieg um 3,2 Prozent. Das ermittelte das Pfeffer-PR-Journal-Ranking 2024, an dem 82 Agenturen teilnahmen, die ihre Zahlen für 2023 mit einem Testat belegt haben.

Das PR-Interview

KI-Pionierarbeit bei Bosch seit 2017

Michael SchmidtkeMichael Schmidtke ist VP Content Flow and Digital Channels bei Bosch. Beim Webinar der AG CommTech vom 23. April gab er einen tiefen Einblick in sieben Jahre Nutzung von KI in der Unternehmenskommunikation von Bosch. Im Vorgriff auf den nächsten „CommTech Newsletter“, der am 8. Mai erscheint, veröffentlicht das PR-JOURNAL ein Interview mit Michael Schmidtke, das mit Hilfe von KI-Tools auf Basis der Aussagen Schmidtkes im Webinar erstellt wurde.

Autoren-Beiträge

Anforderungen an Führungskräfte sind stark gestiegen

Georg KolbFrüher ging es vor allem darum, bestehende Prozesse zu optimieren und gelegentlich eine einmalige große Veränderung zu kommunizieren. Heute geht es um kontinuierliche Anpassung an immer schnellere, oft unvorhersehbare Veränderungen. Selbst während eine Organisation noch gut funktioniert, müssen bereits neue Wege gefunden werden, um Schritt zu halten. Für Führungskräfte fühlt sich das oft wie ein Dilemma an.

Rezensionen

Ein Buch für Kommunikationsstrategen

Buchcover Wirtschaft als KommunikationWie Unternehmen und Wirtschaft öffentlich werden, das war einmal in einem relativ einfachen Managementprozess organisierbar. Wissen bereitstellen, im Wesentlichen über Produkte und Dienstleistungen. Und dieses Wissen dann in einseitigen Informations-Prozessen an die relevanten Stakeholder verbreiten. Aber, das war einmal. Wirtschaft 1.0 könnte man das nennen. Heute hat sich dies grundlegend verschoben …

Kommentare

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Nachholbedarf bei Strategie, Governance und Trainings

Cover der StudienbroschüreGenerative KI gewinnt an Relevanz in deutschen Unternehmen: Mehr als die Hälfte der Firmen (53 %) plant ihre Investitionstätigkeiten deutlich auszubauen. Mehr als jedes zweite dieser Unternehmen will die Investitionen sogar um 40 Prozent oder mehr steigern. Das sind erste Ergebnisse der Studie „Generative KI in der deutschen Wirtschaft“, für die KPMG in Deutschland im März 2024 über 280 Entscheider aus der deutschen Wirtschaft befragt hat.

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ESRS SeminarUm Unternehmen bei der Umsetzung der neuen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu unterstützen, haben sich die vier Organisationen DVFA Akademie, DIRK – Deutscher Investor Relations Verband, Sustainserv und Bassen & Lopatta zusammengeschlossen, um ein Intensivseminar zum Thema ESRS anzubieten.

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Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

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Schriftzug Trust in Scrabble-BuchstabenVor rund vier Wochen piepte unsere Spülmaschine Alarm. Wir riefen den Fachmann. Er kam, prüfte und erklärte: „Die Pumpe ist defekt.“ Unsere Alternativen: 680 Euro, um das Teil auszutauschen oder ein neues Gerät. Eine unerwartete News, erst vier Jahre zuvor hatten wir die Miele-Maschine angeschafft und vermeintlich bewusst auf Qualität gesetzt.

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Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

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Klar gegen Rechtsextremismus

Logos des Thought Leadership Awards und der Deutschen BahnDer Thought Leadership Award 2024 geht an das Kommunikations-Team der Deutschen Bahn AG, Berlin. Die Auszeichnung, die gemeinsam von dem Media Intelligence Unternehmen Unicepta, Köln, und der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG), Berlin, vergeben wird, würdigt die klare Positionierung des Unternehmens gegen den erstarkenden Rechtsextremismus.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.