„Leser und Zuschauer sind es satt, bevormundet zu werden“

Interview mit Jörg Quoos, Leiter Funke-Zentralredaktion

Quoos Jörg Chefred Funke MediengruppeIm Zitate-Ranking des Mediendienstleisters pressrelations gehört die Funke-Mediengruppe zu den Aufsteigern des Jahres 2016. Sie liegt auf Platz 5 bei den Tageszeitungen und auf Rang 11 im Vergleich aller Medien. Hauptverantwortlich für die Platzierung dürfte die Berliner Zentralredaktion sein, die aus dem pittoresken Gebäude „The Q“ in der Friedrichstraße zwölf regionale Medien wie „WAZ“, „Berliner Morgenpost“ und „Hamburger Abendblatt“ mit Nachrichten beliefert und deren Mantel-Teile erstellt. Leiter des 2015 ins Leben gerufenen Teams ist der Journalist Jörg Quoos (Foto). Im Interview mit dem „PR-Journal“ plädiert Quoos, der unter anderem von 2004 bis 2013 stellvertretender Chefredakteur der „Bild“ und später Chefredakteur beim „Focus“ war, für ein Ende des Wahns um die schnellste Nachricht. Stattdessen müssten Qualität und korrekte Fakten oberste Prämisse sein. Die Menschen seien es satt, bevormundet zu werden.

PR-Journal: Herr Quoos, wie steht es um die Qualität der Medien in Deutschland?
Jörg Quoos: Die Medien haben eine sehr hohe Qualität. Das höre ich auch immer wieder, wenn ich mit ausländischen Kollegen spreche. Schaut man sich beispielsweise an, welche Qualität jüngste Enthüllungen haben wie die Panama Papers oder die Auswertung von Wikileaks durch die ‚Süddeutsche Zeitung‘ oder der Scoop des ‚Stern‘ mit der Geschichte über Gabriels geplanten Rücktritt, dann sind das beachtliche journalistische Leistungen. Auch Regionalmedien wie den Titeln der Funke-Mediengruppe gelingt es, mit vielen Exklusivgeschichten bundesweit zitiert zu werden. Qualität ist aber auch Zuverlässigkeit und Themenkompetenz regional wie überregional. Die Selbstkritik mancher Medienmacher erscheint mir gelegentlich überzogen. Richtig ist aber: Wir dürfen uns nicht ausruhen und müssen ständig versuchen, noch besser zu werden.

PR-Journal: Studien zeigen, dass Tageszeitungen, Magazinen und öffentlich-rechtlichen TV-Sendern weiterhin sehr viel Vertrauen entgegengebracht wird. Trotzdem gibt es massive Kritik: Es würde einseitig berichtet, bewusst gelogen oder Informationen würden unterschlagen. Woher resultieren diese Vorwürfe?
Quoos: Das Vertrauen ist hoch – besonders auch in die Regionalmedien, was uns sehr freut. Nur stellen wir ebenfalls fest, dass die Kritik lauter und heftiger vorgetragen wird. Viele Leser oder Zuschauer sind es offenbar satt, von Medien bevormundet zu werden. Manche haben das Gefühl, dass ihnen nur ein Teil der Wahrheit erzählt wird – die Geschehnisse von Köln sind das beste Beispiel. Oder dass Medien eine Realität beschreiben, die Leser und Zuschauer in ihrem Umfeld völlig anders wahrnehmen, wenn etwa in Nachrichtensendungen einseitig über das Schicksal von Flüchtlingen berichtet und Probleme bei der Integration unter den Tisch fallen.

PR-Journal: Werden Nachricht und Kommentar zu sehr vermischt?
Quoos: In den Tageszeitungen und auch Online kann ich das nicht erkennen. Insbesondere Online ist sehr nachrichtenlastig. Die Vermischung von Kommentar und Meinung ist aber sicherlich ein Thema bei politischen Magazinen der Öffentlich-Rechtlichen oder etwa beim ‚Spiegel‘, in dem Artikel fast immer einen Spin haben. Das gilt auch für manche überregionale Zeitung. Nicht bei jeder Stilform lassen sich Nachricht und Kommentar sauber trennen. Generell bin ich ein Anhänger davon, Nachricht und Kommentar abzugrenzen. Ein weiterer Punkt, an dem ich Kritik für berechtigt halte, ist die Trennung von Werbung und Redaktion. Hier waren einige Medien zu nachlässig. Das merken Leser und werden misstrauisch.

PR-Journal: Weitere Kritik zielt auf die angebliche Unkorrektheit von Fakten ab – auch in Leitmedien. Sollte es nicht eine Selbstverständlichkeit sein, dass Fakten korrekt recherchiert und überprüft werden?
Quoos: Absolut! Aber insbesondere Online-Medien arbeiten unter einem absurden Zeitdruck. Die Digitalisierung hat alles beschleunigt. Jeder will der erste sein, der mit einer Meldung rauskommt. In Zeiten, in denen Leser und Zuschauer Medien ohnehin schon kritisch gegenüberstehen, dürfen Fehler wie die falsche Eilmeldung, die NPD würde verboten, einfach nicht passieren. Dann lieber fünf Minuten warten. Bei den Titeln der Funke-Mediengruppe gilt die Devise: Qualität vor Geschwindigkeit. Fehler rächen sich heute stärker. Natürlich passieren Fehler. Aber wenn, dann müssen wir sie aktiv und sofort korrigieren.

PR-Journal: Woher kommt der Zeitdruck um die schnellste Nachricht?
Quoos: Natürlich geht es vielen darum, bei Push-Nachrichten auf dem Handy oder bei Google als erster zu erscheinen. Es ist der Anspruch, schneller als die Konkurrenz zu sein. Wenn das aber zu Lasten der Qualität geht, gibt es ein Problem.

PR-Journal: Welche Qualitätskontrolle durchläuft bei Funke ein Print- und ein Online-Artikel?
Quoos: Zum einen beschäftigen wir erfahrene Kollegen, die ihr Handwerk beherrschen. Außerdem gilt bei uns das Vier-Augen-Prinzip. Bei Print schauen die Ressortleiter über die Artikel und zusätzlich die Blattmacher. Abschließend Korrektoren, die auch den letzten Buchstabendreher suchen. Online haben wir weniger Zeit. Aber auch hier gilt Wahrhaftigkeit vor Schnelligkeit. Das Vier-Augen-Prinzip verfolgen wir online ebenfalls.

PR-Journal: Können Medien trotz ökonomischer Zwänge und ausgedünnter Redaktionen überhaupt die Qualität so verbessern, wie Sie es fordern?
Quoos: Das Argument, Kostenreduzierung und Effizienz bedeuten gleichzeitig Qualitätsverlust, zieht für mich nicht. Verlage müssen sich kreativer und zielgerichteter aufstellen. Um noch einmal auf uns als Funke-Gruppe zurückzukommen: Wir beliefern mit rund 70 Kolleginnen und Kollegen aus Berlin zwölf Tageszeitungen. Dadurch erhalten wir deutlich besseren Zugang zu exklusiven Nachrichten, was auch ein Ausweis von Qualität ist. Wir können Nachrichten fast rund um die Uhr auswerten – beginnend um fünf Uhr morgens bis zwölf Uhr nachts. Deshalb: Größere Redaktionseinheiten mit guten Redakteuren, die mehr Titel abdecken, können auch qualitätssteigernd wirken.

PR-Journal: Welche Rolle spielen über PR an Sie herangetragene Inhalte?
Quoos: Als Journalist muss es unser Anspruch sein, PR aus unseren Produkten rauszuhalten. Aber natürlich kann PR uns Impulse für die Berichterstattung liefern, so dass die Zusammenarbeit keineswegs anstößig ist. Wir müssen aus der Masse der an uns zugespielten Informationen nur genau auswerten, was wir nutzen wollen. Fest steht: Am Ende muss auf allen unseren Inhalten ein journalistischer Qualitätsstempel drauf sein.

PR-Journal: Kein Interview ohne Trump. Wie sollen Journalisten mit ihm umgehen?
Quoos: Trump versucht, alle Journalisten zu Lügnern und Verbrechern zu erklären. Das kann uns als Medien nicht egal sein. Hier müssen wir Haltung zeigen und auch weiterhin konsequent darüber berichten, wenn gelogen wird oder darüber, welche Folgen seine Politik hat. Trump ist der mächtigste Mann der Welt. Eine Diskussion darüber, ob wir als klassische Medien beispielsweise seine Tweets ignorieren sollten, halte ich für totalen Unsinn. Der Übertragungsweg seiner Informationen ist egal. Sie haben uns zu interessieren. Die Frage ist eher, wie hoch man sie am Ende hängt und wie man Trumps Sprüche einordnet.

Seitennavigation

Personalien

Michael Manske verlässt VW-Konzern

Michael ManskeMichael Manske (Foto © Cariad) gibt laut eigenen Angaben seine Position als Vice President & Head of Communications, Brand & Marketing bei Cariad in Wolfsburg auf. Darunter fällt die Software-Sparte des Automobilunternehmens Volkswagen. Davor war Manske für die Digital- und CEO-Kommunikation von Volkswagen verantwortlich. Er möchte den Sommer nutzen, um Zeit mit seiner Familie verbringen und gab bislang noch nichts zu seinen nächsten beruflichen Schritt bekannt.

Agenturen

LSA wählt neuen Präsidenten und Vize-Präsidentin

Neu im Vorstand LSA 2024Die Mitglieder von Leading Swiss Agencies (LSA) haben an ihrer Versammlung das Präsidium neu bestellt. Sie wählten den bisherigen Vize-Präsidenten Andreas Hugi (furrerhugi.) zum neuen Präsidenten und Laura Jenny (Agence Trio) zur Vize-Präsidentin.

Unternehmen

Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

Frauenverband wächst in Deutschland weiter

GruppenbildAm 14. Mai fand die diesjährige Mitgliederversammlung des Frauen-Netzwerkes Global Women in PR Deutschland e.V. (GWPR) statt. Rund 60 führende Kommunikationsfrauen aus ganz Deutschland trafen sich letzte Woche auf Einladung von C&A in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf. Die alte und neue Vorsitzende ist Cornelia Kunze, Inhaberin von I-sekai.

Branche

„Die Kunst des Miteinander-Redens“

Bernhard PörksenDie Keynote des zweiten Tages der DPRG-Konferenz in Hannover hielt am 17. Mai Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Der Titel seines Vortrags lautete „Die Kunst des Miteinander-Redens. Eine kleine Schule der Demokratie“. In faszinierender und inspirierender Art und Weise gelang es ihm, sein Publikum in seinen Bann zu ziehen.

Das PR-Interview

KI-Pionierarbeit bei Bosch seit 2017

Michael SchmidtkeMichael Schmidtke ist VP Content Flow and Digital Channels bei Bosch. Beim Webinar der AG CommTech vom 23. April gab er einen tiefen Einblick in sieben Jahre Nutzung von KI in der Unternehmenskommunikation von Bosch. Im Vorgriff auf den nächsten „CommTech Newsletter“, der am 8. Mai erscheint, veröffentlicht das PR-JOURNAL ein Interview mit Michael Schmidtke, das mit Hilfe von KI-Tools auf Basis der Aussagen Schmidtkes im Webinar erstellt wurde.

Autoren-Beiträge

Anforderungen an Führungskräfte sind stark gestiegen

Georg KolbFrüher ging es vor allem darum, bestehende Prozesse zu optimieren und gelegentlich eine einmalige große Veränderung zu kommunizieren. Heute geht es um kontinuierliche Anpassung an immer schnellere, oft unvorhersehbare Veränderungen. Selbst während eine Organisation noch gut funktioniert, müssen bereits neue Wege gefunden werden, um Schritt zu halten. Für Führungskräfte fühlt sich das oft wie ein Dilemma an.

Rezensionen

Ein Buch für Kommunikationsstrategen

Buchcover Wirtschaft als KommunikationWie Unternehmen und Wirtschaft öffentlich werden, das war einmal in einem relativ einfachen Managementprozess organisierbar. Wissen bereitstellen, im Wesentlichen über Produkte und Dienstleistungen. Und dieses Wissen dann in einseitigen Informations-Prozessen an die relevanten Stakeholder verbreiten. Aber, das war einmal. Wirtschaft 1.0 könnte man das nennen. Heute hat sich dies grundlegend verschoben …

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Fünf Rollen für Kommunikatoren

BuchtitelIntegriertes Reputationsmanagement stellt hohe Ansprüche an Kommunikationsverantwortliche: Um diversen Stakeholdern in unterschiedlichen Situationen gerecht zu werden, sollten sie verschiedene Rollen ausüben. Welche das sind, hat die PRCC Personalberatung zusammen getragen. Gemeinsam mit der Corporate Affairs Search Alliance (CASA) hat sie 23 Kommunikationsverantwortliche aus sechs Ländern befragt.

Aus- und Weiterbildung

Corporate History Communication

Ingo StaderDie dapr, Düsseldorf, hat ihr Weiterbildungsangebot um den neuen dapr deep dive Corporate History Communication erweitert. Das eintägige Online-Format mit erstmaligem Start am 5. Dezember 2024 richtet sich an Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, die Geschichte ihrer Unternehmen anlässlich von Jubiläen oder zur Stärkung der Unternehmenskultur für die Kommunikation nutzen möchten.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Wie Unternehmen das Vertrauen ihrer Kunden verspielen

Schriftzug Trust in Scrabble-BuchstabenVor rund vier Wochen piepte unsere Spülmaschine Alarm. Wir riefen den Fachmann. Er kam, prüfte und erklärte: „Die Pumpe ist defekt.“ Unsere Alternativen: 680 Euro, um das Teil auszutauschen oder ein neues Gerät. Eine unerwartete News, erst vier Jahre zuvor hatten wir die Miele-Maschine angeschafft und vermeintlich bewusst auf Qualität gesetzt.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Berufsverbände setzen Zeichen für Demokratie

Gruppenbild DPRG-Preis 2024Die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) vergibt den Deutschen PR-Preis in Hannover. Die angeschlossene Fachtagung thematisiert in 25 Sessions und Talks die wichtigsten Themen der Branche mit Fokus auf KI und Demokratie. Ein Highlight: das Panel „Kommunikation stärkt Demokratie“ der drei Verbandsvorstände von DPRG, GPRA und BdKom; ein anderes: der Auftritt von Professor Bernhard Pörksen.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.