Mehr Berlin-Mitte geht nicht: die beiden Agenturgründer Frank Stauss (links) und Mathias Richel (r.). (© Paul Seitz)

Interview mit Mathias Richel und Frank Stauss über ihre neue Agentur

Frank Stauss (53) und Mathias Richel (37) haben sich stilvoll eingerichtet – in bester Lage unweit von Torstraße und Rosenthaler Platz. Altbau-Style, Hinterhaus und kreatives Umfeld mit Sushi-Restaurant vor der Haustür. Mehr Berlin-Mitte geht nicht. „Richel, Stauss“ heißt die neue Agentur, mit der die beiden Kommunikationsprofis Strategie, Konzeption und Campaigning für politische Akteure, Verbände und Unternehmen anbieten.

Richel und Stauss wollen die „besten und engagiertesten Strategen und Campaigner“ um sich scharen. Als „Boutique-Agentur“ definieren sie ihr Angebot. Inklusive der beiden Gründer beschäftigt die Agentur aktuell sechs Mitarbeiter.

Die SPD-Nähe von beiden ist bekannt. Stauss hat in den vergangenen mehr als zwei Jahrzehnten als Mitinhaber der Kommunikationsagentur Butter viele erfolgreiche und einige weniger erfolgreiche Wahlkämpfe bestritten. Der für Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen endete 2017 mit einer Niederlage. Für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz begann die große Tristesse. Den Bundestagswahlkampf für die SPD hatte Stauss abgelehnt. Mathias Richel war zuletzt Geschäftsführer bei Jung von Matt/Spree und kümmerte sich dort hauptsächlich um digitale Kommunikation. Er war Gründungsvorsitzender des D64-Zentrums für digitalen Fortschritt.

PR-Journal: Herr Stauss, Herr Richel, Ihre neue Agentur soll „Strategie-Zentrum, Think-Tank und Zukunfts-Lab für relevante Kommunikation“ sein. Ihre Webseite vermittelt eher den Eindruck, Sie würden eine politische Initiative und keine Agentur gründen. Was genau ist Richel, Stauss?
Stauss: Wir gründen jetzt kein „La République en marche“. Wir sind eine Agentur. Nur erleben wir aktuell eine Zeit, in der alles politisch ist – Unternehmens- und Verbandskommunikation genauso wie Parteienkommunikation. Fast jede Debatte geht ins Politische – Diesel genauso wie Fußball. Man kann nicht mehr ohne Haltung durch die Welt gehen. Wir sind politische Köpfe und wollen jetzt das, was wir gelernt haben, in einer Agentur zusammenbringen.
Richel: Wir haben unser Handwerkszeug und bringen als Person gewisse Reichweiten mit. Was stimmt: Wir wollen uns in den Dienst der Sache stellen. Sicherlich werden wir politische Kommunikation machen, aber auch bei Unternehmen ist man schnell bei politisch geprägten Prozessen. Denken Sie an die digitale Transformation. Klar, wir sind politisch verortet. Wir haben eine Haltung. Diese tragen wir bewusst nach außen, so dass Kunden wissen, wofür wir stehen. Das müssen sie aushalten.

PR-Journal: Sie sind beide gut vernetzt. Welche Kunden haben Sie bereits? Welche wollen Sie gewinnen?
Stauss: Um eines vorweg zu sagen: Wir haben nicht für die SPD eine Agentur gegründet. Das wäre uns deutlich zu eng. Wir haben von Butter einige Kunden, die wir aktuell noch gemeinsam betreuen. Wir starten nicht bei null. Zum Beispiel machen wir mit Butter für die SPD den Wahlkampf in Hessen. Wir arbeiten für das Bundesarbeitsministerium und für Unternehmen. Wir treten an, um Unternehmen, Verbände und weitere Akteure dahingehend zu beraten, wie sie sich in dem veränderten politischen Kommunikationsumfeld zurechtfinden.

PR-Journal: Mit welchen kommunikativen Fragestellungen wollen Sie sich auseinandersetzen?
Richel: Wir sind die klassische Boutique-Agentur mit einem festen Stamm an Mitarbeitern, der alles abdeckt – von Strategie und Projektmanagement bis zur Konzeption. Wir haben ein Netzwerk von Leuten, die wir individuell für Projekte zusammenstellen können. Ob bei einem Projekt dann eine Social-Media-Kampagne rauskommt oder – überspitzt gesagt – ein klassisches Inhouse-Mitarbeitermagazin, hängt davon ab, wie sich die Strategie umsetzen lässt und Sichtbarkeit entsteht.
Stauss: Ich sehe generell ein großes Potenzial an Kunden, die wie wir gesellschaftliche Veränderungen als Chance begreifen. Auch für Mittelständler ergeben sich Fragen, wie sie sich neu aufstellen können. Das sind für uns interessante Branchen. Ich fühle mich deutlich freier in der Beratung. Es muss nicht mehr wie bei einer Werbeagentur am Ende immer Werbung dabei herauskommen.

PR-Journal: Sichtbarkeit heißt, Inhalte und Themen in die Medien zu bringen? Sie machen auch PR?
Richel: Genau. Aber es geht mehr darum, die eigenen Kanäle zu nutzen, um Botschaften zu verbreiten. Natürlich kann uns PR sehr helfen. Indem wir beispielsweise Earned Media nutzen, um die eigenen Kanäle zu pushen. Für klassische Pressearbeit würden wir uns Partner suchen.

Strategien entwickeln und umsetzen

PR-Journal: Muss man Sie sich als Super-Berater vorstellen, die einfliegen, beraten und wenn es an die Umsetzung geht, sind Sie wieder raus?
Stauss: Wenn der Kunde es wünscht, setzen wir Projekte natürlich auch um. Wir haben Partner, die die gesamte Bandbreite abdecken können. Wir sind in der Lage, alles mit einem überschaubareren Team als bei unseren vorherigen Arbeitgebern umzusetzen.
Wenn aber ein Kunde möchte, dass wir beispielsweise für ein halbes Jahr ein reines Strategieprojekt mit ihm realisieren, dann kann es schon mal sein, dass wir nach einem halben Jahr wieder raus sind. Wir sind generell nicht der Typ, der kommt, sagt, wo es langgeht, und dann lassen wir die Kunden hilflos sitzen. Wir haben die Agentur gegründet, um Ideen zu liefern, aber auch um Prozesse anzustoßen und umzusetzen. Wenn wir mit Kunden arbeiten, sind wir mit Herzblut dabei.
Richel: Wenn man mit Kreativen und Strategen spricht, bemängeln sie häufig, dass ihnen die Sichtbarkeit fehlt. Wir wollen die Früchte unserer Arbeit sehen und erleben.
Stauss: Ich hatte mich bei Butter schon länger mit dem Gedanken getragen auszusteigen. Nur wollte ich mich sicher nicht auf den Elefantenfriedhof von ehemaligen Agenturchefs begeben, die dann noch ein bisschen beraten. Aufgrund der Zusammenarbeit mit Mathias, der deutlich jünger ist, entsteht natürlich eine neue Energie. Ich glaube nicht daran, dass es sinnvoll ist, irgendwo reinzukommen, einen Impuls zu geben und das war es dann.

PR-Journal: Sie suchen aktuell Campaigner und Konzeptioner. Wie groß soll Ihre Agentur werden?
Richel: Unser erstes Ziel ist es nicht, wieder 50 Mitarbeiter einzustellen, sondern diejenigen, die es braucht, um Strategien zu entwickeln und umzusetzen.
Stauss:
Die Idee ist schon, freier zu sein. Wir wollen das machen, bei dem wir das Gefühl haben, unsere Kunden und wir passen zusammen. Dass wir das Gleiche wollen. Sich also nicht am Anfang des Jahres überlegen zu müssen, was wir alles machen müssen, damit wir eine gewisse Zahl von Mitarbeitern bezahlen können.
Richel:
Wir sind viel zu sehr Frontschwein, als dass wir nur managen wollen. Denken, machen, rangehen und arbeiten ist mir viel lieber als die zweite Unterschrift unter einen Arbeitsvertrag zu setzen.

PR-Journal: Inwieweit werden Wahlkämpfe im Fokus stehen?
Stauss: Wir werden Wahlkämpfen wohl nicht entkommen können. Bis zum 28. Oktober steht erst einmal Hessen an. Das machen wir gemeinsam mit Butter. Wir haben aber auch ein Netzwerk an Leuten, mit denen wir bei Wahlkämpfen schon zusammengearbeitet haben. Wahlkämpfe sind eine heftige und sehr arbeitsintensive Zeit. Dafür muss man brennen.

PR-Journal: Insbesondere für Wahlkämpfe muss eine Agentur eine gewisse Größe besitzen – und pitchen.
Richel: Pitches stellen immer ein gewisses Ausfallrisiko dar. Ich sehe jetzt nicht, dass wir als Agentur uns daran groß beteiligen.
Stauss: Bei Wahlkämpfen waren wir mit Butter öfter in Screenings vertreten, nicht in klassischen Pitches. Ich habe es bei Pitches von Unternehmen immer gehasst, über Wochen und Monate mit bis zu 100.000 Euro in Vorleistung zu gehen, um dann mitgeteilt zu bekommen, dass man guter Zweiter geworden sei.

Lesen Sie den zweiten Teil dieses Interviews zu Agenda Setting, Einfluss von Beratern und schlechter Stimmung in der kommenden Woche.


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