Studien Studie: Fünf Trends für Erfolg oder Misserfolg der Unternehmenskommunikation

Die Corona-Pandemie hat Veränderungen in fast allen Bereichen der Gesellschaft beschleunigt und verstärkt. Daraus ergeben sich neue Chancen, aber auch Gefahren für die Unternehmenskommunikation. Doch wie sind die genauer zu identifizieren? Um Antworten zu finden, haben Professor Ansgar Zerfaß von der Universität Leipzig und Professor Stefan Stieglitz von der Universität Duisburg-Essen mit dem Communications Trend Radar eine mehrjährige Studie aufgesetzt, die von der Akademischen Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunikation ins Leben gerufen wurde. Der Communications Trend Radar erforscht vorrangig Veränderungen in benachbarten Themenfeldern wie Gesellschaft, Management und Technologie

Das Forschungsteam des Communications Trend Radar mit Stefan Stieglitz, Daniel Ziegele, Sünje Clausen und Ansgar Zerfaß (v.l.n.r.).

„Der interdisziplinäre Ansatz ermöglicht es uns, auf Entwicklungen aufmerksam zu machen, die Kommunikationsverantwortliche ansonsten erst später bemerken und bewerten könnten“, erklärt Stieglitz und weist darauf hin, dass die Studie bewusst interessensunabhängig und nach wissenschaftlichen Kriterien umgesetzt wird. Für 2022 hat das Forschungsteam erneut mehr als einhundert Beiträge und Publikationen aus Wissenschaft und Praxis analysiert und folgende fünf Trends herausgearbeitet:

Language Awareness: Die Vielfalt der Sprache schätzen lernen

Debatten zu korrekter Sprache werden aktuell ebenso intensiv und wie kontrovers geführt. Kommunikationsverantwortliche stehen vor der Frage, welche Position ihre Organisation beziehen sollte. „Sprachbewusstsein geht weit über das hierzulande vieldiskutierte Thema Gendern hinaus“, erklärt Ansgar Zerfaß. „Es geht darum, wie Kommunikationsverantwortliche die Sprachvielfalt in ihrer Organisation und bei verschiedenen Anspruchsgruppen antizipieren und für sich nutzen können. Welche Erwartungen gibt es konkret, wie unterscheiden sich diese über Ländergrenzen bzw. Kontinente hinweg?“ Um Entscheidungen nicht aus dem Bauch heraus oder aufgrund emotional geführter Debatten zu treffen, sind Monitoring und Listening essentiell. Letztendlich muss die Haltung einer Organisation glaubwürdig sein und breite Unterstützung genießen.

Closed Communication: Der Rückzug ins Private

Die Corona-Pandemie hat einen Trend enorm beschleunigt: den Rückzug von Menschen ins Private. Das wird vor allem bei der Mediennutzung sichtbar. Immer mehr Menschen tauschen sich in privaten, verschlüsselten Chat-Gruppen wie auf Telegram mit anderen aus, die dieselben Interessen teilen. „Für die Kommunikationsabteilung wird es immer schwieriger, ihre Zielgruppen zu erreichen. Das stellt die Branche vor eine große Herausforderung, auf die es keine einfachen Antworten gibt“, so Zerfaß. Zeitgleich entstehen durch das Community Management neue Möglichkeiten: Um in geschlossenen Gruppen gehört und akzeptiert zu werden, könnten vielstimmige, polyphone Kommunikationsstrategien genutzt werden. „Die bisherige digitale Transformation von der Print- zur Onlinekommunikation, bei der nur öffentliche Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook und Twitter adressiert werden, reicht absehbar nicht mehr aus“, so der Kommunikationswissenschaftler.

Gigification: Kommunikationsaufgaben als Gigs ausgliedern

Gigification beschreibt das Aufteilen von Projekten in kleine, unabhängige Jobs (Gigs), die über digitale Plattformen vermittelt werden. Die Wissenschaft spricht auch von Gig- oder Plattform-Ökonomie. Gig-Plattformen wie Fiverr oder Kaggle boomen und bieten auf einen Click Übersetzungsarbeiten, Grafikerstellungen oder Datenanalysen an. Für Unternehmen ist es durchaus attraktiv, Aufgaben als Gigs auszugliedern: Gig-Worker sind schnell über die diversen Plattformen zu finden und zu buchen, Rating-Systeme vermitteln Transparenz. Das spart Transaktionskosten und erhöht die Flexibilität. Zudem können Gig-Worker in Zeiten von Fachkräftemangel auch Expertenaufgaben übernehmen, für die keine Expertise im eigenen Unternehmen vorhanden ist.

„Das Potenzial von Gigification für die Kommunikation ist da. Gleichzeitig ist bei vielen Aufgaben das Wissen um Unternehmenskultur, zu Branchenspezifika und zu inhaltlichen Details unverzichtbar“, gibt Zerfaß zu Bedenken. „Aber wir sehen auch, dass benachbarte Branchen wie Verlage mit ähnlich komplexen Prozessen sich schon umgestellt haben. Kommunikationsabteilungen sollten sich daher mit diesem Trend auseinandersetzen, um nicht von anderen überrollt zu werden, die diese Potenziale nutzen.“

Synthetic Media: Ein neues Zeitalter in der Content-Produktion

Synthetische Medien sind Inhalte, die teilweise oder komplett von Computern generiert werden. Dies wird durch die wachsende Menge digitaler Daten sowie neuer Ansätze, beispielsweise im Bereich der künstlichen Intelligenz ermöglicht. „Die Synthetic-Media-Technologie ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass sie bereits vielfältig angewandt wird und die Kommunikation in den nächsten Jahren verändern wird“, ist sich Stefan Stieglitz sicher. Computergenerierte Inhalte können die Produktionszeiten und -kosten für Video- oder Audio-Formate deutlich reduzieren – das macht sie für Kommunikationsabteilungen interessant. Zudem können neue Formate erprobt werden.

Virtuelle Influencer, Deepfakes oder Robo-Journalismus sind nur einige Möglichkeiten. Neben den Vorteilen gibt es jedoch auch kritische Aspekte: Mittels der Deepfake-Technologie lassen sich Falschinformationen erstellen, die der Reputation eines Unternehmens schaden oder für Cyberangriffe genutzt werden können. Oft sind diese Manipulationen selbst für das geschulte Auge nicht zu erkennen. Kommunikationsverantwortliche müssen für diese neuen Risiken sensibilisiert sein.

Cybersecurity: Gefahrenabwehr im Netz

Cyberkriminalität hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Dazu hat auch der Anstieg von Homeoffice beigetragen, denn Mitarbeitende nutzen verstärkt eigene Software-Lösungen, die leichter angegriffen werden können. Häufig nehmen Cyberangriffe die Angestellten eines Unternehmens ins Visier, um sich Zugang zu den Informationssystemen eines Unternehmens zu verschaffen. Ransomware-Angriffe (Erpressungssoftware), Spear-Phishing (gefälschte E-Mails, um sensible Daten zu entwenden) oder Deepfakes (manipulierte Inhalte) sind typische Beispiele. Betroffene Unternehmen erleiden nicht nur finanzielle Einbußen, sondern auch Reputationsschäden, einen Vertrauensverlust bis hin zur Handlungs- bzw. Kommunikationsunfähigkeit.

„Umso wichtiger ist es, die Belegschaft zu sensibilisieren, zu schulen und Sicherheitslücken aufzudecken. Hierfür spielt die Unternehmenskommunikation eine zentrale Rolle“, erklärt Stefan Stieglitz. Zudem sollten Kommunikationsabteilungen gezielt die eigene Kommunikationsinfrastruktur analysieren und Schwachstellen verhindern. Es muss sichergestellt sein, dass im Falle eines Cyberangriffs die eigenen Kommunikationskanäle noch funktionieren oder Ausweichlösungen zur Verfügung stehen.

Download

Com Trend Radar 2022 CoverIm Communications Trend Radar Report werden die Trends ausführlich vorgestellt und ihre Auswirkungen auf die Unternehmenskommunikation diskutiert. Hier geht es zur Download-Möglichkeit auf die Website der Akademischen Gesellschaft.

Hintergrund zur Studie

Der Communications Trend Radar veröffentlicht seit 2021 im Jahresturnus fünf relevante Trends für die Unternehmenskommunikation aus den Bereichen Gesellschaft, Management und Technologie. Die Studienreihe wird organisiert von der Akademischen Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunikation, einem gemeinnützigen Think-Tank im Bereich der Unternehmenskommunikation.

Seitennavigation