Kommentare Regierungssprecher dürfen täuschen, PR-Frauen und Mütter nicht

Der Deutsche Rat für Public Relations hat gesprochen und geurteilt. Gerügt hat er die PR-Beraterin Dr. Astrid Nelke-Mayenknecht, und zwar dafür, dass sie als Mutter in verschiedenen Berichten und Fernsehsendungen den Bildungsanbieter FastTracKids lobte – für den Nelke-Mayenknecht ehrenamtlich als Kommunikatorin wirkte – ohne die Redaktionen auf diese Doppelrolle hinzuweisen. Der PR-Rat sagt, dies sei verdeckte PR, und als solche verboten. So weit, so gut. Warum der PR-Rat aber in der Überschrift seiner Presseinformation schreibt, er rüge eine "PR-Frau und Mutter", wirft ebenso viele Fragen auf, wie seine Ermittlungspraxis.

In einem anderen anhängigen Fall legt der PR-Rat nämlich einen deutlich geringeren Ermittlungseifer an den Tag. Hier geht es um den ehemaligen Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Dr. Thomas Raabe. Dieser ist, folgt man Berichten in zahlreichen Leitmedien sowie den Aussagen des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, maßgeblich für die Kommunikationspolitik nach dem Bombenangriff in Kunduz im September 2009, verantwortlich. Verantwortlich also für das fortgesetzte Leugnen ziviler Opfer bei einer Militäraktion, bei der rund 100 Menschen getötet wurden. Der PR-Rat sagt, dieser Fall sei nicht so leicht zu beurteilen, unter anderem, weil die Protokolle aus dem Kunduz-Untersuchungsausschuß als VS-NfD (Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch) klassifiziert seien. Der PR-Rat sagt aber auch, er habe erst am 1. Oktober aus der Zeitung erfahren, dass Dr. Thomas Raabe bereits am 16. September vor dem Ausschuss ausgesagt hat. Echtes Interesse sieht anders aus.

Unbenommen von diesen Ermittlungen hat es auch der Bundesverband Deutscher Pressesprecher offenbar nicht für nötig befunden, einen seiner Vize-Präsidenten in dieser Sache zu befragen, denn sonst hätte man dem Rat ja sicher mitgeteilt, wann der Vernehmungstermin angesetzt war. Und man hätte vielleicht darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht sinnvoll wäre, Raabe zu bitten sein Amt ruhen zu lassen. Die DPRG wiederum hat ihr ehemaliges Mitglied Klaus Kocks ausgeschlossen. Nicht etwa, weil er gelogen hatte, sondern weil er gesagt hat, Pressesprecher dürften lügen. Vergleichbares ist im Fall Raabe nicht erfolgt, und angesichts der Einstufung der Vernehmung als VS-NfD ist auch nicht ernsthaft damit zu rechnen. Die gute Nachricht für Regierungssprecher: so lange sicher gestellt ist, dass ihre Handlungen unter die Kategorie Verschlusssache fallen, dürfen sie täuschen.

Interessant ist außerdem, ob Frau Nelke-Mayenknecht überhaupt Mitglied eines der Berufsverbände ist, die den DRPR tragen. Wenn nicht, läge hier ein Fall vor, der den dubiosen Anspruch des Rates für die gesamte öffentliche Kommunikation in Deutschland zuständig zu sein, aufs Eindrücklichste bestätigte. Und, angesichts der Tatsache, dass das BdP-Mitglied Raabe bislang unbehelligt geblieben ist, sollten andere Kommunikatoren ernsthaft überlegen, ob nicht ein Ehrenamt einen gewissen Schutz bietet. Unter diesem Gesichtspunkt rückt auch eine Aussage des Vorsitzenden des DRPR, Richard Gaul, auf dem 1. DPRG-Forum am 18. November 2010 in ein neues Licht. "Unsere Aufgabe ist es, PR für PR zu machen", rief er dem Publikum in München zu. Mit der Rüge einer PR-Mutter ist dem Rat das aufs Vortrefflichste gelungen.

Ein persönlicher Kommentar von Sascha Stoltenow, Kommunikationsberater und Blogger (Bendler-Blog) aus Waldems

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