Kommentare Ryanair! - oder: Wie trete ich meine Kunden mit Füßen?

Vor wenigen Wochen haben europaweit sämtliche Medien (TV, Radio, Internet und Presse) über die Pläne von Michael O'Leary, dem Boss von Ryanair, berichtet, dass in Zukunft die Benützung der Toiletten nur noch gegen Gebühr möglich sein soll. Zwischenzeitlich hat O'Leary gestanden, dass es sich um einen Spass gehandelt hat. - Ob sich mit dieser Aktion Kunden gut behandelt fühlen und man diese so auch binden kann, wage ich zu bezweifeln.

Als begeisterter Guerillero und Fan von viralem Marketing beobachte ich die Kommunikationspolitik von Ryanair schon seit einiger Zeit. Zum einen bemüht sich die irische Billigfluglinie mit klassischen Mitteln (Inflight-Magazin, kostenlose Online-Reiseführer oder Bus- und Zug-Tickets als Serviceleistung im Zusatzverkauf) um ihre Kunden und zum anderen treten sie diese öffentlich und vor Publikum mit Füßen. Das fängt beim extrem restriktiven Umgang mit Freigepäckgrenzen (exakt 1 Handgepäck oder max. 15 kg für Check-In-Gepäck) an und hört bei einer schier nicht enden wollenden Latte an Zusatzgebühren (Eincheckgebühr am Schalter, Aufgabegebühr für Check-In-Gepäck, verrechnen der 10-Euro-Kreditkartengebühr pro Ticket, …) auf. Dann auch noch medial Kunden mit Meldungen konfrontieren, die werbetechnisch sicher kein "Bringer" sind, ist schon ein mutiges Unterfangen.

Für mich stellt sich aber in diesem Zusammenhang die Frage nach der Grenze wo aus Kommunikationspolitik schlicht Medienmissbrauch wird. Wenn man versucht den Medienwert zu ermitteln, dann kommt man auf auf jeden Fall zum Ergebnis, dass es Ryanair geschafft hat eine kostenlose Kampagne zu starten, die im Zuge einer konzertierten Marketingmaßnahme schier unbezahlbar erscheint. Mir gefällt, dass Ryanair, mit der Meldung die Fluggäste einen "Pinkel-Euro" für die Verrichtung ihrer Notdurft bezahlen zu lassen, europaweit nahezu in allen Medien Schlagzeilen gemacht hat. Umgerechnet in gebuchte PR-Beiträge würde das Ergebnis weit hinter der Wirksamkeit dieser Guerilla-Aktion zurück liegen und finanziell mit einem deutlich über der Millionengrenze liegenden Betrag zu Buche schlagen. So haben die Medienberichte genau gar nichts gekostet. Oder vielleicht doch? Wie viel lassen sich manifeste Kunden gefallen? Kann es sich ein Unternehmen leisten seine Kunden mit Füßen zu treten? Hat Ryanair so viele Kunden, dass man auch in Krisenzeiten mit unpopulären Aktionen nichts zu befürchten hat.

Mit einem verschmitzten Lächeln werden sich O'Leary und seine Marketingleute über den gelungenen Coup freuen, denn der Werbewert der "Pinkel-Euro-Diskussion" ist extrem hoch einzuschätzen. Was aber, wenn sich die Kunden die permanenten Frechheiten nicht länger gefallen lassen und zu einem alternativen Billigflieger wechseln? Kann Ryanair die Marktführerschaft dann immer noch behaupten?

Zur Zeit bereitet Ryanair den nächsten Mediencoup vor. In der europäischen Presselandschaft ist zu lesen, dass Übergewichtige höhere Preise für ihr Ticket bezahlen sollen. Die Ryanair-intern genannte "Fat-Tax" findet bereits zahlreiche Anhänger unter den Fluggästen und ist bei einigen renommierten Fluglinien längst eingeführt worden. O'Leary ist gelernter PR-Profi und setzt der Meldung noch eins drauf, indem er verschiedene Varianten diskutieren lässt: Soll es eine Gewichtsgrenze geben, der BMI herangezogen werden oder darf man im Sitz sitzend mit dem Bauch nicht gleichzeitig beide Lehnen berühren?

Und wieder stellt sich die Frage nach der Seriosität: Wo ist die Grenze, ab der Öffentlichkeitsarbeit missbräuchlich verwendet wird? Ist es legitim die Medienwelt mit Meldungen zu füttern, deren Inhalte ohnedies konstruiert sind und nicht umgesetzt werden? Soll sich ein guter Guerilla-Marketer auf dieses Niveau begeben oder ist man gerade wegen solch perfider Aktionen ein guter Guerillero? Warum entscheidet sich der Marktführer seine Kunden mit unpopulären Methoden vor den Kopf zu stoßen?

Ein Kommentar von Joe Nopp (43), Inhaber des Beratungsunternehmens CCT IT in Linz (AT)

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