Kommentare Kerlikowskys Kommentar über... Sprechblasen-Journalismus

kerlikowsky1Guten Tag! Wir erleben einen tollen Wirtschaftsaufschwung, erzählen uns Politiker. Die Wirtschaftsforschungsinstitute liefern dafür die Vorlagen. Sie trauen der deutschen Wirtschaft nicht nur dieses, sondern auch in den nächsten Jahren ein Wachstum von 1,5 bis 2 Prozent zu. Die Parteien rechnen sich das Verdienst am Aufschwung zu – und Journalisten schreiben es und verbreiten euphorische Nachrichten über Funk und Fernsehen. Es ist Sprechblasenjournalismus.

Die deutsche Wirtschaft hat nämlich viel nachzuholen. Seit dem Jahr 2000 hat in der EU von den großen Ländern nur Italien ein geringeres Wachstum als Deutschland zu verzeichnen. Frankreich, Großbritannien und vor allem Spanien haben sich entschieden besser entwickelt. Nach den Prognosen für 2007 wird Deutschland höchstens im Durchschnitt der EU-Länder wachsen. Die Boomländer sind die neuen EU-Staaten in Mittel- und Osteuropa. Von deren erwarteten Wachstumsraten von 3 bis über 6 Prozent profitieren wir, weil diese Länder mehr Maschinen von uns kaufen – teilweise für die deutschen Fabriken in ihren Ländern.

Wenn der Export bei uns boomt, dann auch, weil es ein neues „German miracle“ gibt, wie es The Economist nennt. Zwischen 1998 und 2006 sind die Stücklohnkosten bei uns leicht gesunken, während sie in Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Portugal zwischen 18 und 38 Prozent gestiegen sind (The Economist, London 17.706.12).

Werden auch in Deutschland mehr Investitionsgüter gekauft, so hat das unter anderem einen Grund: so wie Autos länger genutzt wurden als früher, so auch Maschinen. Irgendwann müssen sie aber erneuert werden – und der Zeitpunkt ist gekommen. Dagegen ist der Einzelhandelsumsatz im Januar gegenüber dem Vorjahresmonat real um 1,6 Prozent zurückgegangen. Der Konsum trägt zu rund der Hälfte zum Bruttoinlandsprodukt bei (destatis, Wiesbaden 22.706.12).

Wenn Politiker nun mit 15 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen im Februar prahlen und die Konjunktur schön reden, dann vergessen sie zu sagen, daß die Bevölkerung größere Abgabenlasten zu tragen hat. Politiker sollten sparen statt laufend neue Geschenke verteilen, die wir Bürger letztlich bezahlen müssen. Daß mehr Fakten als Schlagworte die Konjunkturdiskussion bestimmen, das wünscht uns allen Ihr

Dr. Horst Kerlikowsky
Berlin, den 24. März 2007

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P.S. Sie finden in der neuen Ausgabe unter anderem folgende Themen:

EU-Perspektiven: Das Wohlstandsgefälle zwischen den Mitgliedsländern wird größer

Standorte: Französische Unternehmen lassen sich vom frankophonen Marokko locken

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