Kommentare Kommentar: Die Pressefreiheit stirbt nicht im Newsroom

Die CDU will ihre Öffentlichkeitsarbeit in einem Newsroom bündeln. Gleichzeitig forcieren Parteien und Ministerien ihre Content-Marketing-Angebote. Professionellere Öffentlichkeitsarbeit und besseres Agenda-Setting kann die Politik durchaus gebrauchen. Doch Journalisten sehen das Bespielen eigener Kanäle kritisch. Ist die Pressefreiheit in Gefahr? Aufgrund von Newsrooms und Content Marketing allein sicher nicht.

Annegret Kramp-Karrenbauer plant einen CDU-Newsroom. (© Laurence Chaperon)

Ein Newsroom hebt die räumliche und organisatorische Trennung zwischen PR, Social Media, Redaktion sowie interner und externer Kommunikation auf. Die Bereiche sollen enger zusammenarbeiten, was Interaktion und Abstimmungen vereinfachen und die Reaktionszeit verkürzen soll. Botschaften sollen zentral abgestimmt und den verschiedenen Kanälen angepasst werden. Aufgaben lassen sich im Team flexibler verteilen. Content Marketing produziert zwar journalistische Formate wie News, Interviews, Reportagen, Magazine, Podcasts und Videostatements. Journalismus wird es niemals werden. Es fehlt an Objektivität auf Seiten des Absenders – Kritisches findet dort kaum statt.

Ein Problem für die Pressefreiheit entsteht dann, wenn die Politik ihre Content-Hoheit nutzt, um die klassischen Medien zurückzudrängen; sie zu gängeln. Wenn Journalisten nicht mehr von Events berichten dürfen, Presseanfragen nicht beantwortet werden, auf PKs keine Nachfragen erlaubt sind, Interviews nur unter strikten Vorgaben ablaufen oder resolute Drehvorgaben herrschen, ist die freie Berichterstattung in Gefahr. Wird dann noch die Glaubwürdigkeit der Medien systematisch untergraben, landet man schnell bei „Fake News“ – Trump-Style. In Österreich hat die mitregierende FPÖ eine eigene Medienwelt aufgebaut. Parallel greift sie unabhängige Qualitätsmedien an. Das ist die giftige Mischung. 

Livestream ersetzt keine Journalisten vor Ort

In Deutschland ist es die AfD, die einen Newsroom betreibt und eigene Kanäle intensiv bespielt. „Spiegel“-Redakteurin Melanie Amann, die seit Jahren über die Partei berichtet, twitterte nach Bekanntgabe der CDU-Newsroom-Pläne: „Oft erlebt bei der @afd. Bald auch alternative Pressearbeit bei @cdu […]“. Hintergrund: Beim so genannten Werkstattgespräch der Union zum Thema Flüchtlingspolitik und Migration waren Journalisten nicht zugelassen. Es gab einen Livestream. Das ist Inszenierung. Unabhängige Berichterstattung und kritische Nachfragen waren offenbar nicht erwünscht. Vor wem hat man solche Angst? Vor den immer weniger werdenden Medien mit investigativer Recherchepower, von denen einige CDU/CSU durchaus positiv gegenüberstehen?

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer schürte mit einem Zitat im Magazin der Jungen Union den Verdacht, dass der Journalistenausschluss zur Regel werden könnte. „Wir waren Herr über die Bilder, wir haben die Nachrichten selbst produziert. In diese Richtung wird es weitergehen.“ Nach Journalistenkritik ruderte sie zurück. „Unabhängiger, freier, kritischer Journalismus ist mir ein Herzensanliegen“, postete sie auf Twitter. Na dann!

Die Frage, wie es um die Pressefreiheit in Deutschland bestellt ist, lässt sich schwer beantworten. Verbale Angriffe auf Medien und Verschwörungstheorien haben zugenommen. Journalisten wurden auf Demos bedroht, ihre Berichterstattung behindert. Die AfD versucht, die etablierten Medien als „Lügenpresse“ zu diskreditieren. Es gibt Nicht-Akkreditierungen bei Parteiveranstaltungen – zuletzt traf es die „taz“.

Doch reguläre Pressearbeit findet bei allen Parteien noch reichlich statt – auch bei der AfD. Das Interview von „ZDF“-Mann Thomas Walde mit Fraktionschef Alexander Gauland hat ihr sicher geschadet. Mit dem „Spiegel“ spazierte Björn Höcke durch die Wälder. Ständig sitzt ein Parteivertreter in Talkshows. Nachrichtensendungen von „ARD“ und „ZDF“ gibt die Partei O-Töne wie alle anderen auch. Richtig ist: Man produziert zusätzlich reichlich eigene Inhalte und kennt in Sachen verbaler Radikalität keine Grenze, was die mediale Empörungsmaschine jedes Mal aufs Neue anwirft.

Stand heute ist es in Deutschland kaum denkbar, eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit ohne die klassischen Medien aufzuziehen. Um das Äquivalent von vier bis fünf Millionen TV-Zuschauern oder zehn Millionen „Bild“-Lesern zu erreichen, müsste man schon wie irre twittern. Auch dafür gibt es in der Weltpolitik natürlich ein Beispiel.

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