Autoren-Beiträge PR und soziale Software: Die Bedeutung der Blogosphäre für die PR

Foto: Gernot Brauervon Gernot Brauer, München (BrauerMUC@aol.com)

Die Zahl der Weblogs verdoppelt sich nach Expertenschätzungen derzeit alle fünf Monate. Bei täglich 40.000 bis 80.000 neuen Blogs hat die Blogosphäre bis zum Frühjahr 2006 die ohne spezielle Suchmaschinen längst unübersehbar gewordene Breite von 30 Millionen Weblogs erreicht – Tendenz weiter stark steigend. Auch ihr Publikum zählt nach Millionen: Neun Prozent allein der Amerikaner lesen Blogs regelmäßig, das heißt mindestens einmal pro Woche. Bezogen auf die 120 Millionen amerikanischer Internet-Benutzer hat bereits jeder vierte oder fünfte US-User die Blogosphäre für sich entdeckt – vor drei Jahren war das erst jeder zehnte. Allerdings ist dieser Anteil im Jahr 2005 nach Gallup-Angaben nicht weiter gestiegen; und die Mehrheit der US-Amerikaner, die sich entschieden hat, von Blogs keine Notiz zu nehmen, ist von 63 auf 66 Prozent sogar leicht angewachsen.

In Europa werden Blogs erst rudimentär wahrgenommen, ihre Szene galt nach Einschätzung des an der Sunderland University tätigen Briten Philip Young noch zum Jahreswechsel 2005/2006 als „at best, fragmented and incomplete“. Aber immerhin: Die Zahl aktiver Blogger wurde in einer Untersuchung der Universität Bamberg vom Oktober 2005 allein in Deutsch-land bereits auf 250.000 geschätzt. „Aktiv“ ist dabei relativ zu bewerten: Nur jeder fünfte Weblog-Eintrag wurde nämlich mindestens einmal im Monat aktualisiert. Der typische deutschsprachige Blogger (gut 80 Prozent aus Deutschland, rund zehn Prozent aus Österreich und etwa fünf Prozent aus der Schweiz) ist jung (über 40 Prozent sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, rund 80 Prozent unter 40), gut ausgebildet und viel im Internet unterwegs. Für erwachsene Männer und Frauen scheint die Blogosphäre etwa gleich attraktiv zu sein; unter Teenagern sind allerdings fast doppelt so viele weibliche wie männliche Nutzer zu finden.

Insgesamt ist die Blogosphäre zumindest im deutschen Sprachraum stark emotional besetzt; je jünger die Teilnehmer sind, desto stärker. Professionelle Gründe geben die unter 20-jährigen Blogger kaum an; selbst unter den Älteren nennt sie nur jeder sechste.

Registrieren die Organisationen, die traditionell PR-sensibel sind, diese sich entwickelnde Szene, reagieren und agieren sie? Dieser Frage ist eine erste europaweit angelegte Weblog-Studie der European Public Relations Education and Research Association (Euprera) unter Leitung von Ansgar Zerfaß, Philip Young und Swaran Sandhu nachgegangen. Sie zeigt, dass sich überzeugte Nutzer und abwartende Skeptiker in zwei Lager teilen: „Ein Drittel der Kommunikationsverantwortlichen“, schrieben die Autoren, „betreibt ein Weblog oder verfasst regelmäßig Beiträge hierfür. Von einem Viertel aller Befragten wird das neue Medium jedoch vollständig ignoriert.“

Nach Gründen für seine Blog-Abstinenz gefragt, erklärte jeder dritte PR-Manager, der Nutzen von Blogs sei ihm nicht klar, und jeder fünfte, er habe für derartige Aktivitäten keine Personalkapazität. Die Autoren der Studie ermittelten allerdings weitere Gründe, nämlich „dass man nicht in der Lage ist, die Kommunikationsinhalte zu kontrollieren, die Blogs in die Kommunikationsstrategie zu integrieren und geeignete Inhalte zu entwickeln.“ Young sprach von einer „beunruhigende(n) Kluft zwischen jenen, die die Herausforderungen und Chancen begeistert aufgreifen und denjenigen, die sich der Bedeutung von Social Software erst noch bewusst werden müssen.“ Zerfaß wertete das mit den Worten: „Nicht die Technologie, sondern der Mangel an Ideen und Konzepten behindert derzeit die Verbreitung von Weblogs in der Unternehmenskommunikation.“ PR-Verantwortliche und PR-Agenturen müssten Anwendungsszenarien mit einem klaren Beitrag zur Wertschöpfung erst entwickeln.

Mehr zum Thema bringt ein Beitrag „PR und soziale Software - Die Bedeutung der Blogosphäre für die PR“ im Handbuch Kommunikationsmanagement des Luchterhand-Verlags im kommenden Sommer.

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