Autoren-Beiträge Wahlanalyse aus New York: Weiß ist das neue Gold

Lemmens Markus USA KorrespondentTrump World TowerDonald Trump ist am Ziel. Er ist der neu gewählte Präsident der Vereinigten Staaten. Gold – die beherrschende Farbe vieler seiner Hochhäuser – war gestern. Weiß ist nun in Mode. Die künftige First Lady, Melania Trump, trug bei ihrer Stimmabgabe und in der Wahlnacht das neue Signal. Der Schriftzug am Trump World Tower (Foto l.) direkt gegenüber der UNO-Zentrale am East River wirkte schon immer unschuldig: Ein Vorgeschmack auf das Weiße Haus ab 20. Januar? Im Land mischen sich nach der Entscheidung Schockstarre mit Pragmatismus.

Die Wahl wirft viele Fragen auf: Wie verlässlich sind Umfragen in der modernen Medien-Demokratie? Bleibt Amerika Partner Westeuropas und Deutschlands? Stehen ein offener Welthandel, innovative Wirtschaftsbranchen, der globale Bildungs- und Wissenschaftsaustausch auf dem Spiel? Wie tief ist diese historische Freiheitsnation im Innern gespalten? Welche Wählertypen sind erkennbar? Was schwappt nach Deutschland und Frankreich über – wo im kommenden Jahr neue Regierungen gewählt werden?

Würdige Ansprache Clintons

New York Times HillaryKurz vor Mittag am Tag eins nach der Wahl sprach Hillary Clinton an ihr Lager und die Nation. Die „New York Times“ – wie viele andere große Medien in den USA an ihrer Seite – übertrug im Internet die Rede. Sie war würdig und präsidial. Clinton rief zur Einigung des Landes auf. Präsident Obama tat dies in seiner Ansprache später aus dem Weißen Haus ebenso. Beide bemühen sich, die Transition – die Überleitung der Geschäfte – auf die neue Administration bestmöglich zu gestalten. Denn in den USA herrscht eine eigenartige Stimmung. Alle Präsidenten zuvor hatten Regierungserfahrung. Alle Präsidenten hatten ein inhaltliches Programm. Und alle waren eng mit ihren Parteien und den politischen Lagern vernetzt, schließlich brachten sie erfahrene Namen für ihre Administration mit ins Oval Office.

Das ist bei Trump anders. Mit seiner neuen Form der Wahlkampfführung, die ohne Inhalte aber eins ums andere Mal mit umso härteren persönlichen Angriffen auf Menschen und der Verletzung von gesellschaftlichen Werten provozierte, hat er in den Wahlkabinen – so sind sich Analysten einig – auf der letzten Meile die entscheidenden Stimmen mobilisiert.

Ausreden zwecklos – Erfolge liefern

Die Pragmatiker in den USA sehen aber auch eine positive Wendung im sonst düsteren Bild. Ausreden sind nun zwecklos. Der Erdrutschsieg verschafft den Republikanern eine komplette Machtfülle: Mit 279 Stimmen der Electoral College Voters – den Wahlfrauen und -männern, die das Staatsoberhaupt ins Amt heben – liegt Trump mit neun Stimmen über dem Soll (mindesten 270) und weit vor Clinton. Alle wesentlichen Prognosen lagen falsch. 300 erreichbare Stimmen waren Hillary Clinton zugeschrieben worden, 228 trägt sie am Ende nach Hause. Senat und Repräsentantenhaus sind auch den „Roten“ sicher. Und die oberste, noch vakante, Richterinstanz wird nun auch von den Republikanern bestimmt. Damit müssen die Republikaner Erfolge liefern. Ein knapper und angezweifelter Sieg der „Blauen“ Demokraten hätte möglicherweise zu einer weiteren politischen Lähmung im Land geführt.

Vielfältige Gründe für den Sieg

Die Gründe für den Wahlsieg sind vielfältig. Anthony J. Gaughan, Juraprofessor an der Drake Universität in Des Moines, Iowa, schreibt auf der Internetplatform „The Conversation“ über fünf wesentliche Punkte, die die Wahl entschieden hätten. Er glaubt erstens, dass viele Trump-Anhänger ihre Meinung bis zur letzten Minute unter Verschluss gehalten hätten. Deshalb seien die Befragungen an diese Klientel nicht herangekommen die Prognosen deshalb so falsch gewesen.
Zweitens breche mit Trump eine neue Ära des „Celebrity Politikers“ an. Ein politischer Außenseiter habe mit den ihn unterstützenden Medien – diese wiederum habe er durch seine verbalen Ausfälle zur Berichterstattung permanent gezwungen – viel mehr Spielraum gehabt als erfahrene Politiker oder Organisationen im Internetzeitalter. Als dritten Grund führt Gaughan die Position Trumps gegen Immigranten und offenen Welthandel an. Damit sei wesentlich eine weiße männliche Wählergruppe ohne akademischen Abschluss gewonnen worden. Viertens: In zeitlicher Folge sei Trump nun der vierte Außenseiter, der ins Weiße Haus einziehe. Das sei bei künftigen Wahlen ins Kalkül zu ziehen. Und schließlich – so fünftens – sei laut Gaughan Amerika tief gespalten, der Hass auf etablierte Strukturen sei groß und die empfundene Ohnmacht vieler Bürger dem Establishment gegenüber unbeschreiblich. Das habe sich entladen.

Brookings – der Think Tank aus Washington – stützt diese Analyse. Vanessa Williamson ist Fellow für Governance Studien und beschreibt die Wirkungen der Tea Party-Bewegung, die vor gut sechs Jahren Fahrt aufnahm. Sie sieht drei Gründe für den Trump-Erfolg, die mit dieser konservativen Entwicklung in den USA zusammenhängen: „(1) Eine alte, weiße, konservative Basis, die sich stark gegen Immigration wendet, als Reaktion auf den demokratischen, politischen und kulturellen Wandel, für den Barack Obama steht. (2) Eine konservative Medien-Infrastruktur, die eine verzerrte Weltsicht verkündet und das als soziale Bewegung verkauft, die mit ihrer klaren Haltung ihre Anhänger mobilisiert. (3) Ein Netzwerk von Milliardären, am bekanntesten die Koch-Brüder, das sich beinahe ausschließlich dem Big-Business verpflichtet fühlt, gegen jede Regulierung und Steuerpolitik ist.“

In einem Punkt ergänzt die Brookings-Autorin ihren Jura-Kollegen aus Iowa: Auch der akademisch gebildete weiße männliche Wähler habe für Trump gestimmt. Und Soziologen erklären den republikanischen Sieg im Swing State Florida, den Obama 2012 noch holte, damit, dass vorrangig legal lebende Mexikaner für seine harte Immigrations-Position eintreten, um sich von ihren illegal in den USA lebenden Landsleuten abzugrenzen.

Tech Industrie sorgt sich

Die Technologie-Unternehmen sorgen sich. Im Silicon Valley, dem nationalen Symbol für wirtschaftlichen Dauer-Aufschwung im digitalen Zeitalter, herrscht Verunsicherung. Mit Trump werden Visa-Probleme bei der Verpflichtung von Mitarbeitern erwartet. Das ist eine der größten Herausforderungen für die international ausgeprägten Rekrutierungssysteme von Google & Co. Chinesische Experten, arabische IT-Könner und lateinamerikanische Programmierer könnten es schwerer haben, in die USA zu kommen. Jonathan Shieber, Autor der Plattform „Tech Crunch“, schreibt deshalb temperiert und versieht seinen Beitrag mit der Botschaft: „What does a President-elect Trump mean for Silicon Valley? Nothing very good.“ Immigrationspolitik, Cyber Security und auch staatliche Forschungsförderung sind auch bei anderen Kommentatoren mit Fragezeichen verbunden. Und alle drei Themen sind für die künftigen Erfolge innovativer Unternehmen entscheidend. Das trifft auch für die amerikanische Wissenschaft zu.

Über den Autor: Dr. Markus Lemmens gründete 1996 in Bonn den Verlag Lemmens Medien, der sich als Fachverlag für Wissenschafts- und Forschungskommunikation sowie Wissenschafts- und Forschungsmanagement etabliert hat. Heute arbeitet das Verlagsteam auch mit einem Berliner Büro erfolgreich für nationale und internationale Kunden aus Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft. Die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie hat einen besonderen Stellenwert. Seit Januar 2014 lebt Lemmens in New York, um von dort aus das internationale Geschäft in Kooperation mit Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen auszubauen.

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