Autoren-Beiträge Hillary ist überall: Fünf Dinge, die wir aus PR-Sicht aus dem US-Wahldebakel lernen können

Weise Klaus Gf Serviceplan PREntsetzen aller Orten. Wie konnte Donald Trump, der Hassprediger, Rassist und Lügner zum US-Präsidenten gewählt werden? Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Sicher ist aber: Kommunikation hat dieses Wahlergebnis maßgeblich beeinflusst. Was können wir aus Hillary Clintons PR-Desaster lernen?
Erstens: Politische Kommunikation braucht eine Vision. Trump verpackte sie in dem Claim „make America great again“. Man darf dies platt, primitiv oder prollig finden. Aber: Kennen Sie eigentlich Hillary Clintons Claim? Nein? Genau das ist das Problem. Er lautete „Hillary for America“. Nur, welche Vision vermittelt sie, was verspricht sie ihren Wählern und wo ist ihr „call to act“? Ich finde: Clinton transportierte vor allem den Wunsch, dass sie gerne US-Präsidentin wäre. Die Essenz aller Botschaften der Kandidatin lautete zusammengefasst, sie bringe in bewegten politischen Zeiten Erfahrung, Kontinuität und Stabilität ins Weiße Haus.

Hillary Clinton steht für gnadenlosen Pragmatismus, so wie ihn der fiktive Präsident Frank Underwood in House of Cards vorlebt. Wer auch nur eine Staffel dieser genialen Netflix-Serie gesehen hat, versteht, warum die Amerikaner so wenig Begeisterung für die kühle Machtpolitikerin entwickelten. Dies gilt besonders für die liberal gesinnten Bürger, die Stammkundschaft der Demokraten. Sie blieben in Massen der Wahlurne fern, während der Polit-Berserker Trump mit teilweise irren Tiraden seine Anhänger bis in die Haarspitzen mobilisierte.

Damit wären wir dann bei Angela Merkel und den hiesigen Rechtspopulisten. Für welche Vision steht die Kanzlerin nochmal? Und was ist ihr zentrales Versprechen? Erfahrung, Kontinuität und Stabilität in bewegten politischen Zeiten etwa? Ich befürchte Schlimmes, wenn ich an die nächste Bundestagswahl denke.

Zweitens: Trump als besserer Zuhörer

Gerade zu paradox erscheint es auf den ersten Blick, dass der Milliardär Trump ausgerechnet von Geringverdienern und einfachen Arbeitern überproportional viel Zustimmung erhielt. Die Lösung des Rätsels ist einfach: Trump stellte sich im Wahlkampf als der bessere Zuhörer dar. Er griff die Ängste der verunsicherten, abstiegsbedrohten Arbeiter, den Verlierern der Globalisierung und der Digitalisierung zumindest verbal auf. „Die vergessenen Männer und Frauen des Landes werden nicht mehr vergessen werden“, lautet das zentrale Versprechen Trumps.

Dabei ist es egal, dass seine wirtschaftspolitischen Vorschläge, wie die Abschottung des amerikanischen Marktes und die Kündigung von internationalen Handelsabkommen bei Ökonomen schlimmste Befürchtungen auslösen. Den Arbeitern im mittleren Westen, die um ihre Jobs zittern, weil massenhaft Stahl aus Fernost zu Dumpingpreisen in den USA verkauft wird, signalisierten Trumps Attacken gegen China, die Globalisierung und den Freihandel: Da hat uns zumindest einer der Präsidentschaftskandidaten zugehört.

Wie viele Menschen fühlen sich bei uns eigentlich als die vergessenen Männer und Frauen des Landes? Und wer im politischen Berlin kann sich glaubwürdig zum Schutzheiligen dieser Gruppe aufschwingen? Gabriel? Nahles? Seehofer? Ich glaube, eines der größten Probleme der politischen Kommunikation ist, dass zu viele Menschen das Gefühl haben, Politiker seien furchtbar schlechte Zuhörer und hätten den Bezug zu ihnen verloren. Wenn die schwarz-rote Koalition bei der nächsten Wahl zumindest eine regierungsfähige Mehrheit bekommen möchte, sollte sie den gefühlt Vergessenen ein glaubwürdiges inhaltliches und personelles Angebot machen.

Drittens: Trumps Provokationen und Unverschämtheiten wurden tausendfach vervielfältigt

Geschickt nutzte Trump auch die Reflexe der Medien. Jede seiner Provokationen, seiner gezielten Unverschämtheiten wurde tausendfach vervielfältigt. Damit hielt er sich im Gespräch und kompensierte, dass Clinton für ihre Kampagne deutlich mehr Geld, mehr Wahlkampfhelfer und mehr TV-Spots zur Verfügung hatte. Sie glauben, dieses Spiel funktioniere nur in den USA? Und was fällt Ihnen bei den Stichworten Boateng und Gauland oder Schießbefehl und Petry ein? Diese Beispiele zeigen: auch bei uns gelingt es Rechtspopulisten, mit gezielten Provokationen Empörungswellen loszutreten. Deren Zweck ist es, Themen zu setzen und die eigenen Anhänger zu emotionalisieren. Da wäre es manchmal klüger, diese Unappetitlichkeiten gezielt zu ignorieren, anstatt ihren Urhebern die große Bühne samt Märtyrerrolle zu bieten.

Viertens: Trump als Social Media-Meister

Darüber hinaus erwies sich Trump als Meister der sozialen Medien. Trump, der vielen Demokraten vorkommt wie die politische Inkarnation eines Horrorclowns, setzte via Social Media Themen, er provozierte und mobilisierte. Und er baute massiv auf Hightech-Helfer: Eine Studie der University of Southern California ergab, dass sich 400.000 Social Bots in die politische Diskussion zur US-Präsidentschaftswahl auf Twitter eingemischt hatten. 75 Prozent der Meinungsroboter produzierten positive Donald Trump-Botschaften. In Zeiten, in denen immer mehr Menschen in einer Social Media Filterblase leben, ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat übrigens angeregt, keine Social Bots im Bundestagswahlkampf einzusetzen. SPD, Linke, Grüne und FDP verzichten ebenfalls auf den Einsatz der Software-Roboter. Die AFD hat dagegen angekündigt, mit Bots massiv Stimmung in sozialen Netzwerken zu machen. Noch ein Grund mehr, sich vor der nächsten Wahl zu fürchten.

Fünftens: Trump wurde besser verstanden als Clinton

Während die Demoskopen und der politisch interessierte Teil Deutschlands von Trumps Wahlsieg auf dem falschen Fuß erwischt wurden, hat interessanterweise eine Wissenschaftlerin Trumps Wahlsieg schon länger vorhergesagt: Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling. (Siehe dazu das Interview von „Zeit campus“ mit Elisabeth Wehling vom 4. Oktober 2016.) Sie hat mit einem Forschungsteam das Sprachniveau von Politikern untersucht und herausgefunden, dass Donald Trump viel besser verstanden wird als Hillary Clinton. Weil er sich auf dem Sprachlevel eines Grundschülers ausdrückt, gezielt Worte nutzt, die Bilder in den Köpfen seiner Zuhörer auslösen und deshalb von allen Bevölkerungsschichten verstanden wird. Damit sichert sich Trump zwar den Spott der Intellektuellen, aber auch die Stimmen der eher bildungsfernen Bevölkerungsschichten.

Auch beim Thema Verständlichkeit sollten die etablierten Parteien und die Medien dazulernen. Vielleicht ist es an der Zeit für eine neue Verständlichkeit, für mehr Klartext und weniger Geschwurbel. Sonst werden wir in Europa noch viele Hillarys erleben: hoch kompetent, politisch erfahren, unbeliebt und von den Wählern verschmäht.

Über den Autor: Klaus Weise ist Gründer und Geschäftsführer von Serviceplan Public Relations in München. Der studierte Kommunikationswissenschaftler beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Social Webs auf Kommunikation, Veränderungen in der PR durch Social Media und mit Krisenkommunikation.

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