Unternehmen DPRG besucht Konzern im Umbruch: Kommunikation von Thyssen Krupp gewährt tiefe Einblicke

Zimmermann Robin PS ThyssenKruppTraditionsbedingt ist Thyssen Krupp für viele Menschen immer noch der „Essener Stahlkonzern“. Auch wenn heute nur noch rund 30 Prozent des Umsatzes von rund 41 Milliarden Euro im Stahlgeschäft erwirtschaftet wird, so sitzt das Bild der Stahlhütte noch fest in den Köpfen. Tatsächlich aber ist ThyssenKrupp inzwischen nach eigener Darstellung ein „diversifizierter Industriekonzern mit traditionell hoher Werkstoffkompetenz und einem wachsenden Anteil an Industriegüter- und Dienstleistungsgeschäften“. Über 155.000 Mitarbeiter arbeiten in knapp 80 Ländern. Doch in der Außenwahrnehmung ist Thyssen Krupp noch weit entfernt von der Wunschvorstellung eines globalen Unternehmens, das erfolgreich in den Zukunftsmärkten der internationalen Wirtschaft tätig ist. Die Gründe für die Diskrepanz zwischen Wunsch und aktueller Situation legte Robin Zimmermann (Foto), der Leiter Pressestelle, beim Besuch der DPRG-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen dar. Vor den gut 70 Gästen schilderte er den schwierigen Umbruch des Stahlkonzerns hin zu einem vielfältigen Industrieunternehmen.

Beinahe deckungsgleich mit dem Vortrag, den der Thyssen Krupp-Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger beim diesjährigen Kommunikationskongress hielt, schilderte Zimmermann die Herausforderungen, vor denen das Unternehmen in seiner existenzbedrohenden Krise im Jahr 2012 stand. Ausführlich berichtete er, wie sich die Situation darstellte. Thyssen Krupp hatte 6,5 Milliarden Euro Finanzschulden, doch der Glaube an die eigene Stärke und die Kraft der Tradition war ungebrochen. Der hierarchische Führungsstil und die schwerwiegenden Compliance-Verstöße wurden kaum als Problem wahrgenommen. Wörtlich sprach Zimmermann von „800 Fürsten in 800 Einzelunternehmen“, die extrem fragmentiert gewesen seien. Eine Performancekultur habe es nur im Wettbewerb mit dem Zimmernachbar gegeben, nicht mit den Benchmarks am Markt. Zimmermann lapidar: „Es regnete durchs Dach.“

Kulturwandel
„Erforderlich“, so Zimmermann, „war ein tiefgreifender Kulturwandel hin zu mehr Transparenz auf allen Ebenen.“ Doch wie gelingt es, eine Kultur des Wegschauens und des Verschleierns umzuwandeln? Die Maßnahmen waren vielfältig: Am Anfang stand die Etablierung eines neuen Führungsverständnisses – angefangen beim Vorstand bis hinunter ins Management. Das Unternehmen gab sich unter aktiver Beteiligung der Mitarbeiter ein Leitbild, das gelebt und vom Vorstand kontinuierlich wiederholt wird. Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz wurden zu den zentralen Werten erhoben.

Opportunistisch, nicht emotional, angstbestimmt, intransparent, vereinzelt, unehrlich …
Unter der Leitung von Kommunikationschef Alexander Wilke hat Thyssen Krupp die gesamte Kommunikationsarbeit ebenfalls auf den Prüfstand gehoben. Die Ergebnisse der Analyse waren ernüchternd: opportunistisch, nicht emotional, angstbestimmt, intransparent, vereinzelt, unehrlich, reaktiv, restriktiv, lokal und statisch lauteten die Beschreibungen. Im Wege vieler Diskussionen, persönlicher Gespräche und auch Personalveränderungen sollte der kulturelle Wandel auch und insbesondere in der Unternehmenskommunikation herbeigeführt werden. Drei entscheidende Veränderungen wurden umgesetzt. Erstens die organisatorische Aufstellung in Matrixform mit dem Ziel, das Silodenken hin zu einem Netzwerkdenken zu verändern. Zweitens der Wandel des Kommunikationsverständnisses von reaktiv, restriktiv und vereinzelt hin zu proaktiv, erzählend und integriert. Drittens die Einführung neuer Werkzeuge und Prozesse von veraltet und kleinteilig hin zu modern und konzernübergreifend. Dieser Ansatz wurde als verbindlich für alle Zielgruppen der Kommunikation, Media Relations, Internal Communications, Brand & Customer Communications sowie Governmental Affairs eingeführt. Das gesamte Kommunikationsteam besteht aus 20 Personen, sechs im Corporate Headquarter, neun für die Business Areas und fünf für die Regionen.

Interner Kultur- und Klimawandel, veränderte Ansprüchen der medialen Außenwelt
Engagiert, glaubwürdig und überzeugt vom eigenen Tun, schilderte Zimmermann, wie mühsam es war und zuweilen immer noch sei, diese Ansprüche in die Tat umzusetzen und die strategische Rolle der Kommunikatoren in die eines Netzwerkers zu verwandeln. Parallel zum Kultur- und Klimawandel im Unternehmen, so Zimmermann, hätten sich zudem die Ansprüche – insbesondere die medialen – der Außenwelt rasant verändert. Auch dem habe man begegnen müssen. Die Konzernkommunikation wählte einen 360-Grad-Ansatz und eine ganze Reihe von neuen Formaten. „Das war sicher nicht spektakulär neu, aber wenn man bedenkt, an wie vielen Fronten wir gleichzeitig tätig waren, dann zeigt das, wie umfangreich unsere Aufgabenstellung war und ist“, erklärte Zimmermann. Was in anderen Unternehmen zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon branchenüblich war, wurde bei uns erst begonnen und erforderte erneut Umdenken und Mut. Veränderte Basics in der Medienarbeit, neue „Touch Points“ gegenüber den Fachjournalisten, die Thyssen Krupp in den vielen unterschiedlichen Branchen begegnen, eine Online- und Social Media-Strategie, Storytelling und viele weitere Einzelmaßnahmen mussten konzipiert und umgesetzt werden.

Hellwig Raub Seidel DPRG Ridder ThyssenKruppGelungene Veranstaltung
Zimmermann, der eigentlich nur 25 Minuten zu seinen Gästen hatte sprechen wollen, überzog gnadenlos. Doch das Fachpublikum lauschte ihm gebannt. Viele zeigten sich beim anschließenden Get Together erstaunt, wie offen der Pressesprecher über die Interna von Thyssen Krupp berichtet hat. „Das war viel Information“, sagte eine Teilnehmerin am Ende, „aber die hohe Professionalität und die tiefen Einblicke waren den Besuch in Essen wert. Das war eine gelungene Veranstaltung der DPRG.“

Foto: Regine Hellwig-Raub und Udo Seidel, beide im Vorstand der DPRG NRW, mit Co-Gastgeber Michael Ridder von Thyssen Krupp. Dessen Vortrag am Ende über die kommunikativen Herausforderungen beim Bau eines Versuchsturms für die Aufzugsparte im schwäbischen Rottweil gab weitere Einblicke, wie Thyssen Krupp an seinem Wandel arbeitet.

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