Studien Studie: Unternehmensleitbilder meist schwer verständlich
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- von Thomas Dillmann, Bad Honnef
Viele Unternehmen im deutschsprachigen Raum verspielen die Chance, durch ihre Leitbilder ein klares Bild von sich selbst zu vermitteln. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart und der Ulmer Agentur Communication Lab, die die Leitbilder der 120 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz auswertet. Zwar seien die meisten Leitbilder sprachlich emotional und gendersensibel geschrieben, dafür jedoch eher schwer verständlich als klar und transparent.
Oliver Haug, Geschäftsführer der Agentur Communication Lab in Ulm, erklärt. „Leitbilder sind wichtig, weil sie Orientierung geben – sowohl den Mitarbeitenden als auch Kundinnen und Kunden sowie den Partnerinnen und Partnern. Ihren Zweck können Leitbilder aber nur erfüllen, wenn sie konkret sind, echte Substanz haben und ihre Zielgruppen ansprechen.“
Diesen Anspruch würden Großunternehmen im DACH-Raum jedoch nur teilweise erfüllen, so das Fazit von Claudia Thoms, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Kommunikationstheorie der Universität Hohenheim. Positive Ausnahme unter den untersuchten Firmen ist der deutsche Großhändler Lekkerland.
Ihre Einschätzung stützen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf eine Text-Analyse mit Hilfe einer speziellen Software. Diese durchsuchte die Leitbilder unter anderem nach überlangen Sätzen, Fachbegriffen und zusammengesetzten Wörtern. Anhand solcher Merkmale bilden sie den „Hohenheimer Verständlichkeits-Index“ (HIX). Er reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich). Über den HIX hat das PR-JOURNAL bereits häufiger berichtet, meist in Zusammenhang mit der Verständlichkeit von CEO- und Wahlkampfreden.
Nur elf von 120 Unternehmen erreichten das empfohlene Verständlichkeits-Niveau
Die Leitbilder erreichen durchschnittlich einen HIX-Wert von 8,5 Punkten. Nur elf der 120 untersuchten Leitbilder erreichen den empfohlenen Zielwert von mindestens 16 Punkten.
Das verständlichste Leitbild des deutschen Großhändlers Lekkerland erreicht sogar 18,3 Punkte. Weitere Positiv-Beispiele sind die Unternehmen Porr (18,0 Punkte), Nestlè (17,9), Hilti (17,5), Rewe International (17,0), Hapag-Lloyd (16,8), Boehringer Ingelheim Pharma (16,7), Amprion (16,6), Globus (16,5), BP Europa (16,4), Beiersdorf (16,3).
Mehr als die Hälfte erreichen weniger als acht Punkte
Die Mehrzahl der Unternehmen ist jedoch eher am unteren Ende der HIX-Skala angesiedelt: 52 Prozent der Unternehmensleitbilder erreicht weniger als acht Punkte. 13 Leitbilder unterschreiten sogar die durchschnittliche Verständlichkeit einer politikwissenschaftlichen Doktorarbeit von 4,3 Punkten.
Das unverständlichste Leitbild des österreichischen Maschinen- und Anlagenbauers Andritz liegt bei 0,6 Punkten. „Die Unternehmen verspielen so eine Chance, ihren Zielgruppen ein klares Bild von sich zu vermitteln“, so das Fazit von Thoms, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Kommunikationstheorie der Universität Hohenheim.
Die Unterschiede zwischen den Unternehmen aus Deutschland mit durchschnittlich 8,7 Punkten, Österreich (7,5 Punkte) und der Schweiz (8,9 Punkte) sind minimal. Beim Vergleich der Branchen fällt auf: Die Bauindustrie (10,4 Punkte), Konsumgüter und Handel (9,8 Punkte) sowie Transport und Logistik (8,7 Punkte) haben überdurchschnittlich verständliche Leitbilder. Dagegen kommen die unverständlichsten Leitbilder aus der Automobilindustrie – mit durchschnittlich nur 6,3 Punkten.
Gendersensible Sprache: wichtig, aber uneinheitlich in der Umsetzung
Die Mehrheit der Unternehmen (58 %) hat sich in ihren Leitbildern für das Gendern entschieden. Allerdings gendern nur zwölf Prozent der Unternehmen konsequent. Die meisten gendern nur vereinzelt und nicht durchgängig.
Emotionales Sprachklima macht Unternehmen erlebbar
Die Studie untersuchte auch die Zusammensetzung der Sprache in den Leitbildern. Dafür setzten die Wissenschaftler die 4-Farben-Sprachmethode ein: Danach gestalten bestimmte Wörter „zwischen den Zeilen“ ein bestimmtes Sprachklima. Grundlage für die Sprachklima-Analyse ist die Klassifizierung des Wortschatzes in die vier Grundtypen Konservativ, Rational, Innovativ und Emotional. Die Wissenschaftler analysierten den Anteil der einzelnen Worttypen im Text und leiteten daraus das Sprachklima ab.
Das Ergebnis der Analyse: In den Leitbildern dominieren zwar absolut gesehen rationale und konservative Wörter. Da die in der deutschen Sprache insgesamt verhältnismäßig selten vorkommenden emotionalen und innovativen Wörter allerdings einen relativ starken Einfluss auf das Sprachklima nehmen, lässt sich dennoch sagen: Mit den verwendeten emotionalen Begriffen schaffen es die Unternehmen, ihre Leitbilder zu emotionalisieren.
4-Farben-Sprachanalyse
„Was interessant ist, denn in Deutschland dominiert eher das rationale Sprachklima“, kommentiert Andreas Förster, Spezialist für die 4-Farben-Sprachmethode am Ulmer Communication Lab. Für die Wirksamkeit von Leitbildern als Steuerungsinstrument ist dies von Vorteil: Es macht das Unternehmen, seine Ziele und Werte erlebbar und greifbar.
Zusätzlich zum Sprachklima wurde in der 4-Farben-Sprachanalyse auch die Verwendung von Wertebegriffen untersucht. Die Top-5-Wertbegriffe in den Leitbildern sind: „Nachhaltigkeit“ (in 67 Leitbildern), „Zukunft“ (in 54 Leitbildern), „Verantwortung“ (in 53 Leitbildern), „Menschen“ (in 51 Leitbildern) sowie „Erfolg“ (in 48 Leitbildern).
„Wenn Unternehmen in Zeiten von Dauerkrisen und ausdifferenzierten Märkten ihre Zielgruppen erreichen wollen, brauchen sie eines mehr denn je: eine klare Kommunikation, die die Menschen erreicht“, meint Haug. Dazu gehöre auch eine wirksame Selbstdarstellung in Form von Leitbildern. „In Leitbildern kommunizieren Unternehmen schließlich ihr Selbstverständnis und die angestrebte Unternehmenskultur. Aber: Die schönsten Werte nutzen nichts, wenn sie bei den Adressatinnen und Adressaten nicht ankommen“, so Thoms.
Die Studie steht hier auf der Website der Universität Hohenheim zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Beachten Sie zu diesem Beitrag auch den Kommentar „Verständlichkeit ist die Minimalanforderung“ an dieser Stelle im PR-JOURNAL.
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