Studien Studie: Nachrichtenmüdigkeit in Deutschland nimmt weiter zu

Das Interesse an Nachrichten ist 2023 weiter gesunken. 52 Prozent der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland sagen, dass sie äußerst oder sehr an Nachrichten interessiert sind (2022: 57 %). Auch die Reichweite von Nachrichten insgesamt ist in der Langzeitbetrachtung leicht rückläufig. 89 Prozent der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland lesen, hören oder schauen mehr als einmal pro Woche Nachrichten (2022: 92 %). Die Tendenz zur Nachrichtenvermeidung ist 2023 ebenso hoch wie im Vorjahr. Das sind Ergebnisse des „Reuters Institute Digital News Report 2023“, dessen deutsche Teilstudie vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg durchgeführt wurde. Für die Studie wurden im Januar 2023 insgesamt 93.895 Menschen aus 46 Ländern auf sechs Kontinenten befragt.

Das Cover des Studienbandes des Reuters Institute und des Leibniz-Institut für Medienforschung. (© Verlag Hans-Bredow-Institut)

Nachrichtenvermeidung bleibt auf hohem Niveau

Die Tendenz zur Nachrichtenvermeidung bleibt stabil, nachdem es in den vergangenen Jahren zu deutlichen Anstiegen gekommen war. Wie bereits im Vorjahr versucht 2023 jeder zehnte Internetnutzende im Alter ab 18 Jahren oftmals aktiv, die Nachrichten zu vermeiden; 65 Prozent versuchen dies mindestens gelegentlich. 29 Prozent der Befragten, die zumindest gelegentlich Nachrichten vermeiden, gehen gezielt bestimmten Themen aus dem Weg. Am häufigsten werden Nachrichten zum Ukraine-Krieg gemieden, gefolgt von Nachrichten zum Thema Unterhaltung beziehungsweise Prominente, Gesundheit und Sport. Während ältere Befragte ab 55 Jahren etwas häufiger angeben, dass sie gezielt bestimmten Nachrichtenthemen aus dem Weg gehen, greifen 18- bis 24-Jährige in der Tendenz grundsätzlich seltener auf Nachrichten zu oder priorisieren Aktivitäten, die nichts mit Nachrichten zu tun haben.

Gleichzeitig ist mehr als die Hälfte (58 %) der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland äußerst oder sehr an positiven Nachrichten interessiert. Ein ebenfalls hohes Interesse wird an Nachrichten geäußert, die Lösungen vorschlagen, anstatt nur auf Probleme hinzuweisen (53 %), sowie an Nachrichten, die dabei helfen, komplexe Themen zu verstehen (50 %).

Vertrauen in Nachrichten geht weiter zurück

43 Prozent der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland sind der Ansicht, man könne dem Großteil der Nachrichten in der Regel vertrauen. Das sind sieben Prozentpunkte weniger als 2022 (50 %) und so wenig Befragte wie nie zuvor, seitdem die Frage 2015 erstmals in den Reuters Institute Digital News Survey aufgenommen wurde. Auch das Vertrauen, das ausgewählten bekannten Nachrichtenmarken entgegengebracht wird, ist im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig.

Gleichzeitig sieht oder hört gut ein Drittel (34 %) der Internetnutzenden ab 18 Jahren häufig davon, dass Journalistinnen und Journalisten oder die Nachrichtenmedien in Deutschland kritisiert werden. Befragte, die sich selbst eher am rechten oder linken Rand des politischen Spektrums verorten, kommen anteilig häufiger mit derartiger Medienkritik in Kontakt (47 % bzw. 48 %) als jene in der politischen Mitte (34 %).

Hohes Vertrauen in öffentlich-rechtliche Nachrichten

Die Hauptnachrichten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten „Tagesschau“ und „heute“ sind auch im Jahr 2023 die beiden Angebote mit den höchsten Vertrauenswerten unter den ausgewählten Marken, die den Befragten bekannt sind. Zudem sagen insgesamt 47 Prozent der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland, dass öffentlich finanzierte Nachrichtenmedien wie die ARD und das ZDF für sie persönlich wichtig sind, und 52 Prozent erachten diese als wichtig für die Gesellschaft. Insgesamt schreiben Befragte im Alter ab 55 Jahren den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenmedien eine deutlich höhere persönliche und gesellschaftliche Relevanz zu als jüngere Befragte. So ist mehr als ein Drittel (35 %) der 18- bis 24-Jährigen unentschlossen hinsichtlich der Frage, ob öffentlich finanzierte Nachrichtenmedien wichtig oder unwichtig für die Gesellschaft sind.

Bedeutung sozialer Medien als Hauptnachrichtenquelle nimmt zu

Um sich über aktuelle lokale, nationale oder internationale Ereignisse zu informieren, verwenden die meisten erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland 2023 das Internet. 63 Prozent nutzen mindestens einmal pro Woche Online-Nachrichten auf den Websites oder Apps von Nachrichtenanbietern oder in sozialen Medien (2022: 68 %). Nachrichtensendungen im linearen Fernsehen sehen 59 Prozent der Befragten in einer normalen Woche (2022: 65 %). Im Vergleich zum Vorjahr ist sowohl die wöchentliche Nutzung von Nachrichtenangeboten im Fernsehen, Radio und Printbereich als auch im Internet leicht zurückgegangen. Insgesamt wird die Nachrichtennutzung im Internet von traditionellen Nachrichtenanbietern aus TV, Radio und Print dominiert. 43 Prozent lesen, schauen oder hören regelmäßig die Inhalte etablierter Nachrichten; bei den 18- bis 24-Jährigen sind es 46 Prozent. Für 44 Prozent in dieser Altersgruppe sind soziale Medien eine regelmäßige Quelle für Nachrichten; das sind elf Prozentpunkte weniger als noch 2022.

Die wichtigste Nachrichtenquelle ist für 43 Prozent der erwachsenen Internetnutzenden weiterhin das lineare Fernsehen und für 39 Prozent sind es Nachrichtenangebote im Internet. 14 Prozent finden Nachrichten hauptsächlich in den sozialen Medien; dieser Anteil ist im Langzeitverlauf kontinuierlich angestiegen und mit 35 Prozent unter den 18- bis 24-Jährigen am größten. Für 15 Prozent der 18- bis 24-Jährigen stellen soziale Medien zudem die einzige Quelle für Nachrichten dar.

Zahlbereitschaft für Online-Nachrichten stagniert

Nachdem sich im Vorjahr noch ein positiver Trend beim Bezahlen für Online-Nachrichten andeutete, ist dieser 2023 wieder leicht abgeschwächt. Elf Prozent der Befragten geben an, für digitale Nachrichten Geld ausgegeben zu haben (2022: 14 %). Eine fortlaufende Zahlung in Form eines Abonnements beziehungsweise einer Mitgliedschaft ist dabei das am häufigsten gewählte Bezahlmodell. Befragte, die auf diese Weise für Online-Nachrichten bezahlen, wollen mit dem Geld vor allem guten Journalismus unterstützen oder verweisen auf ein gutes Angebot beziehungsweise Probeabo. Die meistgenannten ausschlaggebenden Gründe, um eventuell zukünftig für Online-Nachrichten zu bezahlen, sind günstigere Preise sowie weniger oder gar keine Werbung.

Informationen zur Studie

Seit 2012 untersucht der Reuters Institute Digital News Survey jährlich über Repräsentativbefragungen in mittlerweile 46 Ländern generelle Trends und nationale Besonderheiten der Nachrichtennutzung. Die Studie 2023 wurde unter Koordination des in Oxford (UK) ansässigen Reuters Institute for the Study of Journalism realisiert. Weitere Informationen zur Studie finden sich hier auf der Projektseite des HBI.

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