Recht und PR Selbstöffnung: Wenn Transparenz zur Rechtsfalle wird

Vertrauen und Glaubwürdigkeit werden in der Unternehmenskommunikation immer wertvoller. Das zeigt auch das Edelman Trust Barometer: Zum dritten Mal in Folge konnte die Organisationsform „Unternehmen“ ihren Ethik-Score in der globalen Umfrage steigern, seit 2020 um 20 Prozent. Für viele Kommunikatoren gehört es daher zum Alltag, in sozialen Netzen und im Dialog mit Journalisten Interna oder gar Persönliches preiszugeben. Mit der guten Absicht, Transparenz zu zeigen und damit glaubwürdig und authentisch zu wirken. Doch Offenheit birgt auch Risiken und nicht selten erlebe ich, dass die sogenannte „Selbstöffnung“ zur Falle wird.

Im vierten Teil der Serie Recht und PR erläutert Medienanwältin Patricia Cronemeyer was es juristisch mit der sogenannten Selbstöffnung auf sich hat. (Foto: Axel Martens)

Selbstöffnung: Was Juristen darunter verstehen

Juristisch gesehen liegt eine Selbstöffnung vor, wenn jemand eigene, oft sensible oder vertrauliche Informationen preisgibt. Dies kann freiwillig oder versehentlich geschehen. Einmal „geöffnet“, wird es schwierig bis unmöglich, die Verbreitung dieser Informationen rückgängig zu machen oder sich auf Vertraulichkeit zu berufen. Die Gerichte prüfen in der Regel sehr genau, ob einer angefochtenen Veröffentlichung eine Selbstöffnung vorausgegangen ist.

Privatsphäre schützen

Brisant wird die Selbstöffnung beispielsweise im Zusammenhang mit dem Personal Branding. Immer mehr Führungskräfte oder Mitarbeiter agieren als Markenbotschafter für ihr Unternehmen und teilen als Corporate Influencer ihr Privatleben. Das soll Sympathie und Vertrauen schaffen. Doch Vorsicht: Wer beispielsweise im Rahmen einer Homestory die Öffentlichkeit am Familienleben teilhaben lässt oder die eigene Hochzeit über Social Media vermarktet, kann sich später – etwa im Falle einer unangenehmen Scheidung – nicht auf das Recht auf Privatsphäre berufen.

Risiken der Medienarbeit

Auch ein Unternehmen, das bereitwillig „überschüssige“ Informationen an die Presse gibt, kann in eine prekäre Lage geraten. Ein Beispiel: Um Unterstellungen aufzuklären, gewährt ein Unternehmen einer Redaktion tiefe Einblicke in interne Vorgänge, die der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt waren. Viele Monate später berichtet die Redaktion in einem anderen Zusammenhang erneut über das Unternehmen – und greift dabei auf das brisante Material zurück. Wurde keine verbindliche Vertraulichkeitsvereinbarung getroffen, kann sich das Unternehmen nur schwer gegen diese Berichterstattung wehren. Die „Selbstöffnung“ wird zur juristischen Falle.

Umsicht schützt

Meine Erfahrung zeigt: Das Prinzip der „Selbstöffnung“ ist bei Kommunikatorinnen und Kommunikatoren wenig bekannt. Dabei ließen sich mit mehr Sensibilität für dieses wichtige Thema viele zeit- und kostenintensive Prozesse vermeiden:

  • Know-how: Informieren Sie sich und Ihr Team über das Konzept der Selbstöffnung.
  • Klare Richtlinien: Legen Sie fest, welche Informationen veröffentlicht werden dürfen und welche nicht.
  • Vorabcheck: Holen Sie den Rat von Juristen ein, bevor Sie sensible Daten veröffentlichen.
  • Authentizität mit Augenmaß: Seien Sie authentisch, aber teilen Sie nur, was wirklich notwendig ist.

Keine Frage: Transparenz und Offenheit sind für eine glaubwürdige Kommunikation unerlässlich, aber Unternehmen und Einzelpersonen sollten sich über das Risiko einer rechtlichen Selbstöffnung im Klaren sein. Ein bewusster Umgang mit Informationen, eine klare Kommunikationsstrategie und der vertrauensvolle Austausch mit Rechtsexperten sind der Schlüssel, um riskante Fallstricke zu vermeiden.

Über die Autorin: Dr. Patricia Cronemeyer ist seit 2009 als Rechtsanwältin selbstständig. Ihre Schwerpunkte sind das Medien- und das Persönlichkeitsrecht. Zu ihren Mandantinnen und Mandanten gehören neben Unternehmen und Agenturen auch zahlreiche Persönlichkeiten aus dem deutschen und dem internationalen Showbusiness. Anfang 2022 gründete Patricia Cronemeyer zusammen mit der Rechtsanwältin Verena Haisch die Kanzlei Cronemeyer Haisch mit Büros in Hamburg und in Hollywood/Los Angeles. Speziell zum Thema „PR und Recht“ bietet Patricia Cronemeyer Beratung und Vorträge an. Zur Website der Kanzlei geht es hier, per E-Mail ist sie unter dieser Adresse zu erreichen.

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