Autoren-Beiträge Das PR-Volontariat und das Sozialamt: Eine nicht-​-weihnachtliche Geschichte

ruisinger_dominikvon Dominik Ruisinger, Berlin, Mitinhaber der Agentur add-pr und PRJ-Korrespondent

Als Dozent an ver­schie­de­nen Hoch­schu­len und bei pri­va­ten Aus­bil­dungs­trä­gern habe ich das große Glück, mich regel­mä­ßig mit dem PR-Nachwuchs über seine Bedürf­nisse aus­tau­schen zu kön­nen - über Erwar­tun­gen, Pro­bleme, Kri­tik­punkte, Anforde­run­gen und über typi­sche Berufs­fra­gen wie den rich­ti­gen Ein­tritt in den Job. Dabei steht die Suche nach einem passen­den Volon­ta­riat oder einem Trainee-Programm stets ganz oben auf der Wunschliste.

Diese würde es durch­aus geben, so mein­ten meine Gesprächs­part­ner, aber meist zu extrem mie­sen Kon­di­tio­nen: 700 Euro pro Monat für ein Agen­tur­vo­lon­ta­riat in Ham­burg, 800 Euro in Mün­chen, immer­hin 1.000 Euro für ein Volon­ta­riat in Ber­lin - natür­lich brutto - und dies bei 50 bis 60 Stun­den pro Woche, gerne auch am Wochen­ende - so einige der Aus­sa­gen. Aha, dachte ich mir. Nut­zen da viel­leicht Arbeit­ge­ber die schwie­rige Berufs­ein­stiegs­si­tua­tion aus?

Volon­ta­riat schon ab 590 Euro. Super.
Bevor ich gleich Agen­tur­schelte betrei­ben wollte, recher­chierte ich selbst ein wenig. Das Ergeb­nis nach 30 Minu­ten: Volontariate zu 750 Euro pro Monat, zu 830 Euro pro Monat, zu 590 Euro pro Monat, da waren die ent­deck­ten 1.000 Euro schon fast ein Glücks­griff. Gerade klei­ne­ren und mitt­le­ren PR-Agenturen schien der Nach­wuchs beson­ders wenig wert zu sein. Im Blog Berufs­wunsch: Irgend­was mit Medien schrieb Jana Kamin­ski von etwas zwi­schen 700 und 1600 Euro. Eine etwas weite Spanne.

Ich begann trau­rig zu wer­den: Was sollte wohl ein Stu­di­en­ab­sol­vent, der sich nach Abitur über Bachelor-, Diplom- oder Master­stu­di­en­gang sowie zahl­rei­chen Prak­tika für sei­nen Beruf über meh­rere Jahre lang qua­li­fi­ziert hat, denn davon denken? Wie sollte er von die­sen Löhne leben, wenn er keine wohl­ha­ben­den Eltern oder ein dick gefüll­tes Bank­konto hatte - eine eher sel­tene Erschei­nung zu stu­den­ti­schen Zei­ten? Denn für Neben­jobs gibt’s bei Volon­ta­ria­ten kaum eine Chance. Und ist dies wirk­lich das Ziel, dass Volon­täre sich par­al­lel in Jobs ihr Geld für das Volon­ta­riat ver­die­nen? Fast schon absurd. Also doch PR-Volontariate nur für den rei­chen Nach­wuchs? Kopfschütteln.

Liebe Agen­tu­ren, machen wir eine wei­tere kleine - etwas krude - Rech­nung auf: Bei einem ange­nom­me­nen Agentur-Tagessatz von 500 bis 900 Euro bedeu­tet dies, dass ihr Volon­täre für über 20 Tage beschäf­tigt, aber nicht mehr als für ein bis zwei Tage bezahlt. Klingt wie die Suche nach bil­li­gen Arbeits­kräf­ten. Nur: Wie ist das denn mit der Ver­ant­wor­tung für den Nach­wuchs? Haben wir nicht selbst mal angefangen?

Eine Auf­gabe für die PR-Verbände. Drin­gend.
Noch etwas begann ich mich zu fra­gen: Warum sind die finan­zi­el­len Aspekte von PR-Volontariaten nicht gere­gelt? Warum gibt es zumin­dest keine kla­ren Emp­feh­lun­gen? Und warum ist dies bei den Jour­na­lis­ten­ver­bän­den wie DJV und IG Medien sau­ber bestimmt, auf die sich dann ver­ant­wor­tungs­volle PR-Agenturen und Unter­neh­men bezie­hen? So ist bei­spiels­weise beim Deut­schen Jour­na­lis­ten­ver­band detail­liert nach­zu­le­sen, dass Volon­täre im 1. Aus­bil­dungs­jahr zwi­schen 1.583 Euro und 1.755 Euro (alters­ab­hän­gig) und im 2. Aus­bil­dungs­jahr 2.034 Euro pro Monat erhal­ten, auch wenn die genauen Zah­len derzeit neu fest­ge­legt wer­den. Und wie steht die PR-Branche dazu? Anschei­nend gar nicht, denn Anga­ben dazu: Fehlanzeige.

Liebe PR-Verbände, liebe DPRG samt Junio­ren, liebe GPRA oder lie­ber Bun­des­ver­band deut­scher Pres­se­spre­cher: Wäre dies nicht ein Thema, dem ihr euch alle inten­sivst wid­men wollt? Und dies drin­gend? Wie kommt es denn, dass die Journalisten-Branche klare Richt­li­nien fest­ge­legt hat und die PR-Branche nicht? Ist es nicht son­der­bar, dass sich Unternehmen bei der Ein­stel­lung von PR-Volontären - immer­hin - an den DJV-Richtlinien ori­en­tie­ren, weil sie von ihrer eige­nen Bran­che keine gebo­ten bekom­men? Oder seid ihr schon mit­ten in die­sem Pro­zess, von dem zumin­dest ich lei­der nir­gendwo etwas fin­den konnte?

Es geht um unse­ren Nach­wuchs. Jetzt.
Liebe Agen­tu­ren und Ver­bände: Wir spre­chen hier nicht von irgend­ei­nem Thema. Wir spre­chen von unse­rem Nach­wuchs und unse­rer Ver­ant­wor­tung. Und haben wir zudem nicht alle den Anspruch, dass die­ser Nach­wuchs her­vor­ra­gend ausgebildet wird, damit „die Neuen“ - ob in Agen­tu­ren, Unter­neh­men, Insti­tu­tio­nen - sich auch bes­tens und mit viel Wert für den Arbeit­ge­ber ein­set­zen lassen?

Nein, ich will hier nicht alle Agen­tu­ren über einen Kamm sche­ren. Kei­nes­wegs. Es gibt wirk­li­che Vor­bil­der, die sich an DJV-Richtlinien ori­en­tie­ren oder ihr eige­nes hohes Wert­emp­fin­den gegen­über Volon­tä­ren in einer anspruchs­vol­len Hono­rie­rung zeigen.

Nur: Nach den vie­len Gesprä­chen, die ich in den letz­ten Mona­ten geführt habe, bleibt bei mir das mul­mige Gefühl zurück, dass es sich bei dem Volontärs-Dumping kei­ne­wegs um Ein­zel­fälle han­delt. Ganz im Gegen­teil. Sollte sich also wirk­lich nicht viel geän­dert haben, seit­dem der Spie­gel vor fünf Jah­ren vom PR-Volontariat „Spon­so­red by Sozi­al­amt“ schrieb? Vielleicht liege ich damit ja völ­lig falsch? Ich hoffe ja - ich fürchte aber nein.
Fröh­li­che Weihnachten!

Die Berufsverbände BdP Bundesverband deutscher Pressesprecher und DPRG Deutsche Public Relations Gesellschaft, beide in Berlin, haben vor kurzem eine gute Broschüre zum PR-Volontariat veröffentlicht. Sie kann hier bestellt werden: www.bdp-net.de/index.php?class=Publikationen&method=Studien

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