Autoren-Beiträge Denkfalle Change-Kommunikation: Dem Scheitern in der Umsetzung vorbeugen
- Details
- von Nicole Detambel (Foto), Gmund am Tegernsee
Am Anfang eines Change-Prozesses steht immer Unsicherheit. Was war falsch am Status quo? Was bedeutet das für meinen Arbeitsplatz? Bin ich den neuen Anforderungen gewachsen? Oft heißt es aus der Führungsetage: „Alle müssen jetzt an einem Strang ziehen“. Das klingt einleuchtend, führt aber in eine Denkfalle: Der Change-Prozess ist kein Volkslauf, bei dem alle von Anfang an wissen, wo es hingehen soll. Er ähnelt mehr einem Labyrinth, bei dem jede und jeder für sich den richtigen Weg finden muss, aber dabei alle zusammenarbeiten. Change-Kommunikation ist deswegen nicht Information, sondern Dialog. Die Kommunikationsabteilung muss die Führungsebene dafür in die Pflicht nehmen.
Oft scheitern Change-Prozesse auf der berühmten „letzten Meile“: bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie sollen Routinen ändern, die sie manchmal über Jahrzehnte eingeübt haben. Sie sollen neue Denkweisen adaptieren, Glaubenssätze ziehen lassen und Sozialstrukturen aufbrechen. Alle, die länger in einer Unternehmenskultur gearbeitet haben, wissen: Das sind hohe Anforderungen.
Die Denkfalle: „Alle haben das Ziel vor Augen“
Einer der häufigsten Gründe für dieses Scheitern ist ein falsches Verständnis von Change-Kommunikation. In der oberen Führungsetage entsteht leicht der Irrglaube, dass es offensichtlich sei, wohin die Reise gehen soll und dass die Gründe für den Wandel auf der Hand lägen – die Kommunikationsabteilung müsse das Ganze dann nur noch schön und motivierend verpacken.
Ein Beispiel aus der Praxis: Der Vorstand eines Mittelständers hatte neue Leitbilder entworfen, die er in einem Kulturprozess im Unternehmen verankern wollte. Zum Auftakt fragten wir, ob denn allen Führungskräften klar sei, wieso sie sich auf den Weg machen müssten? Die Antwort des Vorstands: „Ja natürlich, das habe ich den Leuten 15 Mal gesagt.“ Im anschließenden Kick-off mit dem gesamten Führungskreis gaben wir Kleingruppen die Aufgabe, das Change-Ziel aufzuschreiben. Als wir die Ergebnisse im Plenum besprachen, war die Verwunderung groß: Jede Gruppe kam mit einer ganz anderen Erzählung wieder zurück. Erst da wurde dem Vorstand klar, dass das Bild noch überhaupt nicht einheitlich war. Man vergisst leicht, dass Mitarbeiter gerade erst mit einem Thema konfrontiert werden, mit dem sich die Initiatoren schon viele Monate beschäftigen. Wer nicht nach fünf Minuten vor Begeisterung in die Hände klatscht, ist nicht automatisch ein Bremser.
Change-Kommunikation ist erfolgsentscheidend
Wenn die Kommunikation das Ziel hat, möglichst viele im Unternehmen mitzunehmen, dann muss sie mehr als nur gut klingen und schön aussehen. Change-Prozesse verlangen allen etwas ab, erfordern Loslassen und Umgewöhnen – sonst wären sie keine echte Veränderung. Wer versucht, seinen Mitarbeitern das in Form von Hochglanz-Alles-Wird-Besser-Botschaften zu verkaufen, der stößt auf Ablehnung. Denn, wenn man ehrlich ist: Es wird ja nicht für alle alles besser. Change-Kommunikation ist deswegen zuallererst nicht Information, sondern Dialog.
Wer sich beteiligt fühlt, macht mit
Nur wer sich selbst mit dem Change identifiziert, setzt ihn mit Überzeugung um und bringt die Energie auf, Routinen und Verhalten zu ändern. Dafür gelten folgende Voraussetzungen:
- MitarbeiterInnen müssen eine schlüssige Erzählung des Change haben: Was machen wir? Wieso machen wir das? Wie gehen wir vor?
- Sie müssen diese Erzählung mitentworfen oder zumindest nachvollzogen haben, nicht nur vorgesetzt bekommen.
- Sie müssen vom Nutzen des Wandels überzeugt sein.
- Sie müssen sich mit ihren Fragen und Bedenken wahrgenommen fühlen.
Die Dialog-Kaskade als Schlüssel zum Erfolg
Dabei geht es in erster Linie darum, die persönlichen Beziehungen und das Vertrauen zwischen Führungskräften und ihren Teams zu stärken. Nur wer Unsicherheit, Zweifel und Fragen offen äußern kann, fühlt sich wahrgenommen. Dabei dürfen die Führungskräfte nicht den Anspruch haben, alle Bedenken der Mitarbeiter auszuräumen – in vielen Fällen können sie das gar nicht. In unseren Change-Trainings sind Führungskräfte immer wieder überrascht, wie viel Spannung sie nur durch empathisches Zuhören und Ernstnehmen herausnehmen können. Ohne, dass sie alle Bedenken hätten ausräumen können. Dieses hohe Maß an Vertrauen leistet nur der persönliche Dialog zwischen jeweiliger Führungskraft und den engsten Mitarbeitern. Das bedeutet, dass der Dialog über eine Kaskade von der obersten Führungsetage bis in die Abteilungen laufen muss – und zurück. Das ist der Rollenwechsel in der Kommunikation: Die wichtigsten Multiplikatoren sind in der mittleren Führungsebene. Die Unternehmenskommunikation ist strategische Beraterin: Sie erarbeitet die Strategie, unterstützt mit Gesprächs-Leitfäden und Moderation und stellt Dialogplattformen zur Verfügung.
Town-Hall-Meetings ersetzen keinen Dialog
Oft setzt das Top-Management große Feedback-Veranstaltungen an, um die gesamte Belegschaft in den Change-Prozess einzubeziehen. Zum Beispiel sogenannte Town-Hall-Meetings. Dort fragt das Management die versammelten Mitarbeiter, wie es ihnen mit dem Wandel geht. Die Intention ist richtig, aber funktionieren tut das nicht: Ein Mitglied der ersten Führungsebene berichtete uns etwas genervt von all den Dialogangeboten, die man den Mitarbeitern gemacht habe. Es habe extra drei Kaminabende mit dem Geschäftsführer gegeben und es seien in Summe gerade mal sieben Fragen eingebracht worden – wie wenig. Doch versetzt man sich in die Rolle der Angestellten, überrascht das gar nicht: Wer stellt den Geschäftsführenden vor versammelter Belegschaft unangenehme oder persönliche Fragen? Das sind nur die ganz Mutigen – oder die, die nichts mehr zu verlieren haben. Der Großteil der Menschen braucht einen geschützten Raum, um Bedenken zu äußern.
Fazit: So gehen Sie effektiv in der Change-Kommunikation vor
Legen Sie gemeinsam mit Ihrem Change-Team und den Führungskräften die Rahmenstory (Corporate Story) zum Change fest, gewissermaßen den erzählerischen roten Faden. Auf dieser Grundlage entwickeln Sie eine Kommunikations-Roadmap:
- Auf welcher Bühne muss was passieren?
- Wann kommunizieren wir über zentrale Kanäle?
- Wann legt jede Führungskraft los, in die Kommunikation mit seinem/ihrem Team zu gehen?
Zentrale Kanäle wie interne Mailings, das Intranet oder Firmen-Events sind eine wichtige Ergänzung – aber den Lead hat immer die Dialog-Kaskade, in der Mitarbeiter mit ihren jeweiligen direkten Führungskräften offen über die Veränderung sprechen. Geben Sie den Führungskräften Hilfestellung:
- Wie fragen sie ihre Leute, wie es ihnen damit geht?
- Wie fragen sie nach Emotionen und Unsicherheiten?
- Sie müssen nicht auf alles eine Antwort haben.
Lassen Sie den Menschen Zeit. Achten Sie auf Zeichen von Ablehnung. Hören Sie auf den Flurfunk. Aussagen wie „Naja, alter Wein in neuen Schläuchen“ oder „Was wollen die denn von mir?“ sind Zeichen, dass die Menschen nicht abgeholt wurden. Nicht alle werden den Change begrüßen, egal wie sehr Sie sich anstrengen. Aber je mehr im Unternehmen davon überzeugt sind, desto besser wird es klappen.
Über die Autorin: Nicole Detambel ist Managing Consultant bei der ComTeam AG. Die ersten 15 Jahre nach dem Studium war sie im Bereich Marketing, Kundenmanagement und Customer Experience Design tätig, seit 2012 bei ComTeam als Change-Beraterin und Trainerin. Sie ist sowohl auf der Management- als auch der psychologischen Seite von Change zu Hause. Autorin zahlreicher Blogs zu Veränderungsprozessen und Unternehmenskultur-Entwicklung. Zu beiden Themen entwickelt sie regelmäßig neue Formate und Interventionen.
- Zugriffe: 6261