Autoren-Beiträge Wir können über alles reden. Können wir das wirklich? Über die Bedeutung von Empathie in der PR

bartel thomas_intEin Autorenbeitrag von Thomas Bartel ICF Public Relations-Consulting, Hamburg

„Wir holen die Menschen genau dort ab, wo sie sind.“ Was für ein gewaltiger und ergreifender Satz! Ob Politiker oder Parteien, Kirchen oder Gewerkschaften, Verbände oder Hilfsorganisationen, Medien oder Unternehmen: Jede Art von Interessengruppe verwendet diese Aussage gern, bevor sie ihre Ziele, Programme oder sonstigen Angebote näher erläutert. Widerspruch (fast) zwecklos. Was ist das Geheimnis?

Nichts impliziert aufrichtiges Interesse und enge Zusammengehörigkeit mehr als der zitierte Satz. Er signalisiert Verständnis durch eine vermeintliche Ansprache auf gleicher Augenhöhe und erweckt deshalb Vertrauen. Zumindest aber sind Aufmerksamkeit und Neugier auf das, was im Detail dazu zu sagen ist, den Absendern gewiss. Und ganz egal, was folgt: Wenn das jeweils Gesagte angeblich genau dem entspricht, was die Menschen wollen, so mag sich dem kaum jemand ad hoc entgegen stellen. Oder dieser Jemand gesteht sich im Stillen ein, dass er im Fall einer abweichenden Haltung gegenüber dem, was doch alle übrigen Menschen (außer ihm) wollen, offenbar gründlich falsch gelegen hat. Widerstand gebrochen.

„Überzeugungsarbeit fällt umso leichter, je weniger die angesprochene Person ihre Meinung (vermeintlich) ändern muss“, schreibt Kevin Dutton in seinem Buch „Gehirnflüsterer“, in dem es u. a. um Empathie geht: jene „Fähigkeit, eine Botschaft an den Adressaten anzupassen und dadurch ihre Wirkung zu maximieren“. Gute Rhetoriker beherrschen diese Kunst aus dem Effeff, und gute PR-Fachleute sollten sich Empathie ebenfalls stärker aneignen: Denn Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit hat schon lange nichts mehr mit stumpfsinniger „Propaganda“ und dem Verbreiten trockener Verlautbarungen zu tun, sondern ist durch die veränderte Medienlandschaft sowie Soziale Netzwerke sehr viel sensibler, differenzierter und dialogorientierter geworden.

Darin liegt auch die große Chance: Noch nie gab es für Kommunikationsexperten mehr Möglichkeiten, über gezielte Recherchen in Internet-Foren und -Communities sowie durch Suchmaschinen Stimmungen und Standpunkte zu jeglichen Themen in Erfahrung zu bringen, um die eigenen Botschaften wirkungsvoll darauf auszurichten, einzubetten und sich mit seinen Adressaten tatsächlich auf Augenhöhe zu treffen. Beobachten, zuhören, verstehen, interpretieren, reagieren: erst alles zusammen macht moderne Kommunikation mit Empathie und Fingerspitzengefühl aus.

Der Autor Thomas Bartel ist Inhaber/Geschäftsführer der ICF Public Relations-Consulting, Hamburg. www.icf-pr.de

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