PRJ-Archiv Ungarns Mediengesetz und der Westen

bechtel michaelDie harschen Proteste gegen die Bedrohung der Pressefreiheit in Ungarn halten an. Doch die Analysen greifen zu kurz und machen vor allem klar, wie wenig Westeuropa über Ungarn weiß. Die Gefahr ist gegeben, dass sich das Land aus der Völkergemeinschaft des Westens verabschiedet.
Michael Bechtel war Mitte Dezember drei Wochen in Budapest, als Freund und Kenner von Land, Leuten und Sprache. Er berichtet also aus eigener Anschauung. Seine interessante Reportage auf der Internetseite "QualityNews" hier online weiterlesen.

Auf dem Vörösmarty Tér drängen sich Touristen und Budapester Bürger um Glühweinstände, genießen gebratene Kolbasz, paprikascharfe Blutwurst oder süßen Körtös Kolacs, ein Verwandter unseres Baumkuchens. Kaum ein Kilometer entfernt vom zentralen Weihnachtsmarkt der ungarischen Hauptstadt protestieren ein paar hundert Medienmitarbeiter mit zugeklebtem Mund gegen das Medienkontrollgesetz, das ein paar Stunden zuvor von der Dreiviertelmehrheit des Parlaments verabschiedet wurde. Nach einer Nachtsitzung, morgens um halb acht.

Der Termin ist kein Zufall, sondern geschickt gewählt. Die Politik in Brüssel und den Hauptstädten Europas ist schon im Weihnachtsurlaub. Politiker des Europäischen Parlaments empören sich, Luxemburgs Außenminister denkt öffentlich darüber nach, ob Ungarn wohl noch der EU-Ratspräsidentschaft würdig ist, das es turnusgemäß am 1. Januar 2011 antreten soll. Aber mit politischen Taten reagieren kann so kurzfristig niemand mehr. Um ein Land wegen Verstoßes gegen fundamentale politische Prinzipien der Europäischen Union von der Präsidentschaft auszuschließen, müsste schon ein Gipfel der Regierungschefs her. So bleibt es bei Protesten, und die werden bald verstummen – so die Rechnung der rechtskonservativen Regierung in Budapest.

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