Stefan Plöchinger: Wie innovativ Journalismus sein muss

In dem soeben erschienenen Buch schreibt der Stefan Plöchinger, Chefredakteur von "SZonline" über neue Wege im Journalismus. Alles schon gehört? Nein. Nicht mit so viel Herzblut. “Journalismus in der digitalen Moderne” heißt ein Buch, das in diesen Tagen erscheint - der Titel beschreibt in seiner Nüchternheit, was viele Kollegen in diesen Jahren des Umbruchs und der gefühlten Dauerkrise umtreibt: Wie verändert die Digitalisierung unsere Profession?
Ich wurde, nach sechs Jahren im Online-Journalismus und vielen Gesprächen mit Digital-Kollegen etlicher großer und kleiner Medienhäuser, um ein Kapitel über Innovation und Innovationskultur gebeten, das ich auch hier veröffentliche.
Den Artikel von Stefan Plöchinger am 24. März auf der Internetseite "Carta" hier online weiterlesen.

Und hier noch einige wichtige Textpassagen, falls Sie den etwas längeren Beitrag nicht komplett lesen wollen/können - was schade wäre. Denn dies ist einer der wichtigsten Artikel aus letzter Zeit zur Zukunft unseres beruflichen Schaffens. -fff-

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"(Journalistische) Kollegen agieren als Konservative, als Bewahrer in eigener Sache, wobei sie eben jene eigene Sache riskieren: den Journalismus, der nun mal nicht am Papier oder den analogen Rundfunkwellen als Übermittler hängt. Wer sich der digitalen Innovation, die für viele Journalisten nunmehr bedrohlich oder begeisternd real geworden ist, mit verqueren Argumenten verschließt, wer digitale Medien nicht als selbstverständliche Bühne annimmt, wer es also gar nicht in die neue Welt schaffen will - der kann diese auch nicht erobern, und der verschließt sich immer größeren Teilen seines potentiellen Publikums."

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"Die vielleicht dümmste Frage, die man einem Journalisten heute stellen kann, ist die nach der Zukunft: Wird es in zehn Jahren noch viele Zeitungen geben? Wie sieht das Internet in fünf Jahren aus? Solche Zeiträume lassen sich nicht mehr überblicken, dafür ändert sich das Geschäft zu schnell. Das ist für viele Kollegen verstörend, weil es sich bei Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehsendern jahrzehntelang gut leben ließ und der Zweck dieser Medien nun in kleineren oder größeren Teilen infrage gestellt wird, ohne dass alle schon eine Antwort haben. Dagegen kann man nichts machen."

"Fest steht aber: Nur wer jetzt Antworten sucht, hat eine Überlebenschance; wer nicht, ist bedroht. Wir kennen diese Mechanik, wir haben sie in anderen Branchen x-mal beschrieben. Es ist die Mechanik der Marktwirtschaft. Wir Journalisten waren ihr lange nicht unterworfen, weil das Geld der Anzeigenkunden und Leser, Zuhörer, Zuschauer immer irgendwie kam. Diese Selbstverständlichkeit ist durch die Digitalisierung der Informationen erodiert. So funktioniert Innovation. Schöpferische Zerstörung hat Joseph Schumpeter das genannt. Der Journalismus wird schöpferisch zerstört — oder zerstörerisch neu erschaffen, wie man will."

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"Es klingt banal: Innovation bedingt Professionalisieren und Experimentieren. Durchwursteln oder Weiter-so geht nicht mehr, Strukturen und Geschäftsmodelle gehören immer wieder angepasst. Verlage und Sender müssen zu echten Medienhäusern reifen, die auch das Digitale selbstverständlich beherrschen."

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"Es liegen viele Herausforderungen vor uns, und eine der schwierigeren ist, in der digitalen Welt publizistische Werte gegen jene durchzusetzen, die mit Journalismus nichts rechtes mehr anzufangen wissen.

Innovativer Journalismus muss schon noch Journalismus sein. Deshalb verpflichtet uns die gefühlte Dauerbedrohung unseres Berufs in den vergangenen Jahren gleich mehrfach.

Innovativ ist, Trash sein zu lassen. Den digitalen Wettbewerb über publizistische Profilierung zu führen. Die Möglichkeiten des Multimediums auszunutzen. Themen cooler, interaktiver, spielerischer zu präsentieren. Über Erwartungen unserer Nutzer zu debattieren und über die Möglichkeiten, sie für die Zukunft des Journalismus zu begeistern. Auch, sie finanziell zu beteiligen. Neue Formen des Leserdialogs einzuführen. Neue Ansätze für Recherche zu erforschen … – die Liste der Möglichkeiten ist lang.

Wir Journalisten müssen die Hoheit in dieser Diskussion haben. Dafür müssen wir alle auf die nötige Diskussionshöhe kommen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, denn die nächste Krise kommt bestimmt. Das muss uns anspornen. Innovation war lange genug ein Blähwort. Sie muss Alltag werden."