Das PR-Interview Wenn Agenturen Infrastrukturprojekte begleiten: „Viel mehr Anforderung geht nicht“
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- von Thomas Dillmann, Bad Honnef
Geschäftsführer Hartwin Möhrle über die Arbeit von A&B One für die Fraport AG
Infrastrukturprojekte wie der Bau oder Ausbau eines Flughafens erfordern heute nicht nur eine jahrelange präzise und vielschichtige Projektvorbereitung, sie sind zudem ohne eine nachhaltige Begleitkommunikation undenkbar. Der Autorenbeitrag des Verantwortlichen für die Kommunikation zum Ausbau des Frankfurter Flughafens, Christian Engel, hat das deutlich gemacht. Das „PR-Journal“ nimmt die Aussagen Engels zum Anlass nachzufragen – und zwar bei der betreuenden Agentur A&B One. Die Redaktion sprach mit Geschäftsführer Hartwin Möhrle über die besonderen Herausforderungen für Agenturen bei der Begleitung eines solch großen Infrastrukturprojekts.
PR-Journal: Herr Möhrle, die kommunikative Begleitung eines solchen Infrastrukturprojekts wie dem Ausbau des Terminal 3 am Flughafen Frankfurt ist heute ein Muss. Ohne eine solche Kommunikation ist die Chance, auf Akzeptanz im Umfeld zu stoßen, gleich null. Welche Anforderungen stellt das an Ihre Agentur?
Möhrle: Projekte dieser Größe, Bedeutung und Dauer gehen in der Regel einher mit einer großen Zahl unterschiedlicher Anspruchsgruppen und äußerst heterogenen Interessenslagen. Für die Kommunikation heißt das, Ziel, Wesen und Funktion des großen Ganzen mit den kommunikativen Teilbedarfen der Stakeholder – von den kritischen Öffentlichkeiten bis hin zu den zukünftigen Nutzern – in den jeweiligen Lebensphasen des Projektes zu orchestrieren. Ganz besonders gilt das für den Bau von Terminal 3 am Frankfurt Airport. Seine Bedeutung für die Stadt, die Region, den Standort Deutschland und dessen internationaler Wettbewerbsfähigkeit ist immens. Dabei treffen eine Vielzahl von zentralen Themen aufeinander: Mobilität und Begegnung, Wirtschaft und Wohlstand, Politik und Verantwortung, Fortschritt und Leistungsfähigkeit, aber auch Nachhaltigkeit. Die aktuelle Klimadebatte macht das deutlich. So ein Projekt erfordert ein kontinuierliches, gut ausbalanciertes kommunikatives Agieren auf mehreren Ebenen gleichzeitig: Information, Emotion, Faszination, nicht zu vergessen die Legitimation. Viel mehr Anforderung geht nicht.
PR-Journal: Was braucht es für solche Aufgaben an Erfahrungen und Kompetenzen?
Möhrle (Foto): Es braucht analytische, strategische und kreative Kompetenzen aus PR, Werbung, Design und digitaler Kommunikation und die Fähigkeit, alle Maßnahmen auch operativ umzusetzen. Das Kernteam besteht aus Beraterinnen und Beratern von A&B One und A&B One Digital. Unser Kreativpartner bei diesem Projekt ist die Werbeagentur Where is the beef? aus Hamburg.
Ein weiterer, wichtiger Aspekt beim Terminal 3-Projekt ist unsere räumliche Nähe zum Flughafen. Wir können in 15 Minuten direkt vor Ort sein. Das macht vieles leichter.
PR-Journal: Wie bereiten Sie Ihre Mitarbeiter und sich selbst auf solche Aufgaben vor, die ja immer auch ein gutes Verständnis von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen erfordern?
Möhrle: Als Agentur müssen wir immer – nicht nur für unseren Kunden Fraport AG – auf dem neuesten Stand über gesellschaftliche, wirtschaftliche oder politische Themen sein. Diesen Anspruch haben unsere Mitarbeiter auch an sich selbst. Sie müssen das Bauprojekt als solches in seiner Komplexität verstehen. Vor allem müssen sie gemeinsam mit unseren Partnern auf Kundenseite die kommunikativen Schätze heben, die darin stecken. Dann begleiten wir zum Beispiel Spezialtaucher dabei, wie sie auf der Baustelle unter Wasser den Beton einbringen. Und parallel dazu erstellen wir für den Kunden eine Risikoeinschätzung und geben ihm Empfehlungen für den kommunikativen Umgang mit Gegnern des Ausbaus, die im angrenzenden Wald campieren, an die Hand.
PR-Journal: Welchen Raum nimmt die Betreuung eines solchen Langfristkunden in der Agentur ein? Wie organisieren Sie, dass neben den kurzfristigen Engagements beispielsweise für Kampagnen anderer Kunden, das Terminal 3-Team immer ausreichend Unterstützung bekommt? Hat dieser große Kunde agenturintern immer Vorrang?
Möhrle: Heutzutage ist eine so langfristige Zusammenarbeit zwischen Agentur und Unternehmen durchaus nicht mehr die Regel. Das wertschätzen wir sehr. Das hat für beide Seiten Vorteile. Das tiefgreifende Verständnis für das Projekt und dessen vielschichtige und interdisziplinäre Kommunikationsanforderungen habe ich schon genannt. Das gilt auch für den Kunden und seine Besonderheiten als privatwirtschaftlich und öffentlich getragenes Unternehmen.
Wir als Agentur müssen einerseits Kontinuität und Qualität in der Beratungs- und Dienstleistung gewährleisten. Gleichzeitig wird von uns erwartet, dass wir frisch, kreativ und innovativ bleiben. Das macht es erforderlich, die eigenen Denkroutinen immer mal wieder in Fragen zu stellen und das Team mit neuen Kräften und Kompetenzen zu beleben. Das nützt auch dem Kunden.
Unsere Projektteams sind dabei so vernetzt und agil aufgestellt, wie das heute heißt, um auch kurzfristig benötigte Ressourcen und Kompetenzen bereitzustellen. Aber das ist für Agenturen nichts Neues.
PR-Journal: Um möglichst allen Zielgruppen gerecht zu werden, verfolgt Fraport schon länger einen Multi-Stakeholder-Ansatz gewählt. So nun auch bei der Terminal 3-Kommunikation: Von den Menschen in der Region über die Passagiere und Mitarbeiter des Flughafens bis zu Shareholdern einerseits und den Bürgerinitiativen und organisierten Gegnern wollen Sie allen gerecht werden. Erzählen Sie allen Gruppen eine andere Story, Herr Möhrle?
Möhrle: Natürlich nicht. Die Story zum Bau des neuen Terminal 3 am Flughafen Frankfurt kommt aus einem Guss, für alle Zielgruppen. Dazu gehört selbstverständlich ein ganzes „Set“ an Botschaften für unterschiedliche Informationsbedarfe. Der wichtigste Kanal dafür ist unser inzwischen preisgekrönter Content Hub. Dort stehen alle wichtigen Infos rund um das Projekt zur Verfügung. Dort bereiten wir in Text, Ton, Bewegtbild, Grafik und Animation die Highlights und Besonderheiten des aktuellen Baugeschehens auf. Dort zeigen wir die Menschen, die an dem Projekt arbeiten. Auch das vermittelt Information, Emotion und Faszination. Für die verschiedenen Anforderungen in der Kommunikation bieten wir aber selbstverständlich auch zielgruppenspezifische Informationen für Journalisten, Bürgerinitiativen, Bauinteressierte oder Luftfahrt-Fans an, die zu geeigneten Anlässen eingesetzt werden.
Hier ein Screenshot der Microsite zum Bau des Terminal 3. (Quelle: Fraport )
PR-Journal: Nun kann ich mir vorstellen, dass trotz der guten Zusammenarbeit immer wieder neue kommunikative Herausforderungen bewältigt werden müssen, in der Auftraggeber und Agentur auf eine Linie kommen müssen. Da Agenturen ja gemeinhin immer auch als Seismograph für neue Entwicklungen wirken sollen, haben Sie doch sicher schon vor Monaten die hohe Intensität der aktuellen Klimadiskussion vorausgesehen und Maßnahmen vorgeschlagen. Da müssen Sie doch im Hinblick auf die Ausweitung des klimaschädlichen Luftverkehrs profunde Antworten vorschlagen …
Möhrle: Die krisenpräventive Themenbeobachtung bei einem langfristigen Projekt – wie es bei der baubegleitenden Kommunikation für das Terminal 3 der Fall ist – umfasst viele potenzielle „Issues“, natürlich auch das Thema Umweltschutz. Wie genau sich bestimmte Themenkonjunkturen dann tatsächlich entwickeln, steht auf einem anderen Blatt. Sowohl ein Unternehmen wie die Fraport AG als auch wir als krisenerfahrene Agentur sind in der Lage, damit kommunikativ wirksam und angemessen umzugehen. Nachhaltigkeit und Klimaschutz stehen bei der Fraport AG nicht erst seit Greta Thunberg auf der Agenda; durch die aktuelle gesellschaftliche Debatte ist das nochmal mehr in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Terminal 3 ist dabei auf Kundenseite selbstverständlich integrierter Bestandteil aller Überlegungen und als Gebäude darauf ausgerichtet, energetisch sparsam zu arbeiten. Entsprechend spielt das auch eine Rolle in unserer Kommunikationsarbeit.
PR-Journal: Vier Jahre der gemeinsamen Kommunikation liegen noch vor Ihnen. Im Hinblick auf den Dreiklang „Legitimation – Faszination – Identifikation“ drängt sich die Frage auf: Wo stehen Sie heute zur Halbzeit? Ist der Abschnitt „Legitimation“ abgeschlossen, und Sie arbeiten jetzt daran, Faszination zu erzeugen?
Möhrle: Der strategische Dreiklang ist kein „Stufenprogramm“, das nacheinander abgearbeitet wird: Diese drei Aspekte definieren den kommunikativen Korridor, in dem wir uns bewegen. Wir sind aktuell in einer Phase, in der wir in der Kommunikation mehr Gewicht auf die Faszination setzen, die von dem Bauprojekt selbst ausgeht. Dass Unternehmen und Institutionen, die vergleichbar öffentlichkeitsrelevante Projekte realisieren, gegenüber ihren kritischen Öffentlichkeiten legitimieren müssen, warum diese sinnvoll und notwendig sind, gilt grundsätzlich immer. Die Intensität, mit der das geschehen muss, hängt allerdings oft genug von spezifischen medialen Themenkonjunkturen ab. Am Ende soll das Kommunikationsprojekt Terminal 3 auch zu einem Mehr an Identifikation mit dem Airport Frankfurt insgesamt führen.
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