Medien „Lügenpresse“-Vorwurf: Presserat diskutiert über Änderung der Diskriminierungsrichtlinie

Deutscher Presserat LogoSpiegel online“ macht die Bestimmungen des Pressekodex als eine von mehreren Ursachen für die Probleme polizeilicher Öffentlichkeitsarbeit aus. Konkret geht es um den Passus unter Ziffer 12.1 des Pressekodex, der ursprünglich einmal aufgenommen wurde, um Minderheiten zu schützen. Darin heißt es wörtlich: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.“ Die so genannte Diskriminierungsrichtlinie ist nun nach der Berichterstattung über die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht in den Blickpunkt einer medialen Diskussion geraten. Der Deutsche Presserat berät am 9. März darüber, ob die Passage überarbeitet werden soll. Im Vorfeld äußerten sich verschiedene Chefredakteure deutscher Zeitungen. Ihre Meinungen sind keinesfalls einhellig.

In der aufgeheizten Diskussion nach den Kölner Ereignissen wurde nicht zuletzt auch in sozialen Medien deutlich vernehmbar der Vorwurf erhoben, die Diskriminierungsrichtlinie halte Journalisten davon ab, wahrheitsgetreu über Straftaten von Ausländern zu schreiben. Quasi als Beleg für die „Lügenpresse“-Vorwürfe von Pegida wurde angeführt, dass Herkunftsländer von Straftätern häufig nicht genannt würden.

Dem hält der Geschäftsführer des Presserates, Lutz Tillmanns, entgegen, dass die Diskriminierungsrichtlinie „keine Sprechverbote“ enthalte. Im „Tagesspiegel“ sagte er, vielmehr gehe es um eine berufsethische Verpflichtung, vor der Berichterstattung in jedem Einzelfall sorgfältig abzuwägen, ob es für das Verständnis relevant sei, die Zugehörigkeit zu einer Nationalität zu nennen. Bei Verkehrsunfällen etwa sei dies in aller Regel verzichtbar. Anders sehe es aus, wenn ein Ereignis eine politische Dimension gewinne, wie eben die Kölner Straftaten.

„Bild“-Chefredakteurin Tanit Koch fordert eine Änderung des Pressekodex. Die zitierte Diskriminierungsrichtlinie, die eine Nennung des ethnischen oder religiösen Hintergrunds von Tätern einschränkt, müsse nach den Silvester-Vorfällen von Köln verschwinden: „Sie steht für ungerechtfertigte Selbstzensur und belegt, wie unmündig Leser in den Augen des Presserats sind. Schlimmer noch: Ihre Anwendung schürt das Misstrauen gegenüber der journalistischen Arbeit – Menschen merken, wenn ihnen relevante Informationen vorenthalten werden“, sagt Koch im „medium magazin“.

Auch der Chefredakteur der Nordwest-Zeitung aus Oldenburg, Rolf Seelheim, forderte gegenüber der „Badischen Zeitung“ eine Überarbeitung: „Der Text ist so unscharf formuliert, dass er eher zu Missverständnissen führt, als dass er den Redaktionen bei der Entscheidung hilft.“ Keiner könne sagen, was ein „begründbarer Sachbezug“ sei. Die „Schere im Kopf“ führe dazu, dass womöglich genau das Gegenteil erreicht werde, „nämlich Spekulationen Vorschub zu leisten und vielleicht sogar zur Diskriminierung der falschen Gruppen beizutragen“. Auch dem Publikum sei das nicht mehr zu vermitteln, erklärt Seelheim. „Das Schlimmste ist doch, wenn Leser, die für ihre Zeitungen und Illustrierten Geld bezahlen, sich im kostenlosen Internet besser informiert fühlen, weil die Presse Ross und Reiter nicht nennt.“ Journalisten sollten den Lesern mehr Mündigkeit zutrauen: „Man sollte sie nicht für so dumm halten, dass sie von der Herkunft einzelner Täter auf die Gesinnung einer ganzen Nation schließen.“

Der Chefredakteur der „Badischen Zeitung“ sagte im eigenen Blatt: „Da wird selbst in Fällen, in denen die Nennung der Nationalität auf der Hand liegt, darauf verzichtet – aus Angst, es könnte vielleicht jemand daran Anstoß nehmen.“ Statt die Presserats-Richtlinie radikal zu ändern, wünscht er sich einen selbstbewussteren Umgang der Medien damit: „Wir müssen unsere Arbeit gut und unsere Entscheidungen transparent machen und den Lesern von Fall zu Fall erklären, warum wir anderer Meinung sind als sie.“

Seitennavigation