Autoren-Beiträge Dennis Sulzmann: Prokons Paranoia

sulzmann dennisDer angeschlagene Ökofinanzierer hat seinen Anlegern gedroht. Die Kommunikation ist außer Kontrolle geraten. Schuld an der Misere sollen aber Medien sein. Prokon redet nicht gern mit Journalisten. Vielmehr redet das Unternehmen seit Monaten praktisch gar nicht mehr mit ihnen. Das Schweigen trägt pathologische Züge. Die Presse gilt den Ökofinanzierern als Bedrohung der guten Sache. Ihrer guten Sache. Sie passt nicht ins Prokonsche Weltbild. Und deshalb ist sie böse.

Zwischen der Drohung einer Insolvenz und der Entschuldigung für die drastischen Worte verging fast eine Woche. Erst dann erkannte das Unternehmen, dass Einschüchterungsversuche und Alarmismus nicht förderlich sind, wenn es um das Vertrauen der Anleger geht. Dass Prokon schon lange davor entschieden hat, nicht mehr auf Anfragen von Journalisten zu reagieren, ist mehr als eine Trotzreaktion auf missliebige Presse. Es ist ein Beleg dafür, wie wenig das Unternehmen von Kommunikation versteht - und als Folge auch die jetzt notwendige Krisenkommunikation ausfällt. Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie defizitäre Öffentlichkeitsarbeit einen Konzern in der öffentlichen Wahrnehmung ruinieren kann.

Öffentlichkeitsarbeit ausschließlich auf der eigenen Website
Als einziges Sprachrohr in die breite Öffentlichkeit dient Prokon die eigene Website. Dort veröffentlichte Geschäftsführer Carsten Rodbertus eine groteske Stellungnahme, eine Klageschrift, die der Presse erklären soll, warum man nicht mehr mit ihr kann. Prokon sieht sich inmitten einer „Skandalisierungswelle“. Im Frühjahr 2013, kurz vor der selbstverordneten medialen Kontaktsperre, habe man erkannt, dass die Berichterstattung „uns am Ende mehr geschadet als genutzt hat“. Es ist eine Sichtweise, die zwangsläufig Missverständnisse und Enttäuschung produziert. Sie geht davon aus, dass Berichterstattung den eigenen Zielen dienen muss. An dieser Einstellung allein ist nichts verwerflich, es ist PR. Eingeschnappt zu sein und zu mauern, wenn es anders läuft, zeugt dagegen nicht von Souveränität. Es zeigt auch, wie wenig man zu Selbstkritik fähig ist.

Melange aus Verfolgungswahn und Verschwörungstheorien
Ginge es nicht um Wohl und Finanzen zehntausender Anleger, könnte man das, was wie eine Melange aus Verfolgungswahn und Verschwörungstheorien wirkt, belächeln. Es wirkt gerade auch deshalb so bizarr, weil das Unternehmen kein unbedeutendes, sondern ein gewichtiges in der Ökobranche ist. Diese kommunikative Laienhaftigkeit mag man einem kleinen Handwerksbetrieb nachsehen. Bei Prokon bleibt ein fader Nachgeschmack. Man stellt dort lieber die Berichterstattung der Bildzeitung als Kampagne dar, nennt die Öffentlich-Rechtlichen politisch beeinflusst und wirft Journalisten pauschal mangelnde Sachkompetenz vor. Die Presse kennt sich nicht aus! Die haben das falsch verstanden! Wenn überhaupt! Und alles ist sowieso gesteuert! Von der Konkurrenz! Von der Lobby der konventionellen Energie! Es ist hanebüchener Unsinn.

Alberner Vorwurf
Die österreichische Erzählerin Marie von Ebner-Eschenbach notierte im 19. Jahrhundert weise: „Was nennen die Menschen am liebsten dumm? Das Gescheite, das sie nicht verstehen“. Den Medien fehlendes Wirtschaftswissen vorzuwerfen, ist genau die Polemik, die Prokon gegen sich ausgemacht haben will. Natürlich: Kein Journalist ist allwissend. Aber dort, wo es um Wirtschaft geht, arbeiten Wirtschaftsredakteure. Der Vorwurf ist albern. Kein größeres Unternehmen kann es sich leisten, aus welchen Gründen auch immer, der Presse konsequent jede Auskunft zu verweigern. Spätestens der Anschein, dass Journalisten bestimmte Informationen vorenthalten werden, weckt deren Jagdinstinkt.

Beinahe schizophrene Argumentation
Prokon argumentiert fast schon schizophren, wenn es um das geht, was Prokon selbst am Leben hält: Man hat erkannt, dass Vertrauen in diesem Business elementar ist. Vertrauen, das über Offenheit und Dialog entsteht. Berichten aber Journalisten kritisch, was nicht zuletzt den Anlegern zugutekommt, scheint das Prokon doch etwas zu offen zu sein. Die Anleger mögen sich mit den öffentlichen Bekanntmachungen des Unternehmens begnügen. Gerade hier ist kritische Presse wichtig. Die Berichterstattung ist Folge der unklaren Verhältnisse rund um Prokon, nicht die Ursache. Wer sich einer kritischen Öffentlichkeit gegenüber so verschließt wie Prokon, muss sich über das Misstrauen nicht wundern.

Dennis Sulzmann ist in Hamburg als freier Journalist und Berater tätig. Als Gastautor schreibt er für den NDR und weitere Auftraggeber. Seine Schwerpunkte als Berater liegen in den Bereichen Media Relations, Issue Management und Fundraising.

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