Unternehmen Orafol setzt auf PR Vom Tafelsilber zur Strategie: Wie Familienunternehmen Kommunikation lernen

Familienunternehmen gelten oft als verschwiegen, bodenständig, mitunter skeptisch gegenüber PR. Doch was passiert, wenn sie das ändern? Strategisch, konsequent, aus eigener Kraft? Bei Orafol, einem der größten ostdeutschen Familienunternehmen, hat man genau diesen Schritt gewagt. Kommunikationschefin Elke Beune spricht offen darüber, wie man Strukturen aufbaut, Führung sichtbar macht und warum gute PR im Mittelstand kein Luxus ist, sondern Führungsaufgabe.

"Familienunternehmen sollte man grundsätzlich nicht zu sehr in der Kuschelecke verorten", sagt Elke Beune von Orafol. (Foto: Martin Tervoort)

PR-Journal: Wenn ein Familienunternehmen beginnt, PR professionell aufzubauen: Wo fängt man an? Welche Grundsatzentscheidungen stehen am Anfang?

Elke Beune: Persönlichkeit wirkt! Das ist meine Erfahrung. Orafol ist das größte ostdeutsche Familienunternehmen in der gesamtdeutschen Industrie. Bevor wir über PR nachdenken konnten, mussten wir uns bewusst machen, dass in dieser Tatsache eine strategische Besonderheit liegt, ein Schatz, den wir heben wollen. Bevor es so richtig losging, mussten wir also hinsehen, verstehen und annehmen, woher wir kommen, wer wir heute sind (und warum), was uns von anderen Industrieunternehmen unterscheidet und welche Themen untrennbar mit uns verbunden sind. 

Führung als kommunikativer Hebel hat sich dabei schnell als sehr gute Startposition gezeigt. „Leadership“ wird allerdings in der Kommunikation gern überfrachtet und dadurch bis zur Unkenntlichkeit entstellt, sodass am Ende nichts Wahrhaftiges mehr übrigbleibt. In diese Falle wollten wir bei Orafol nicht treten. Eine zentrale Frage, die sorgfältig beantwortet werden musste, war: Ist unser Gründer, Inhaber und CEO bereit, sichtbar zu sein? In einem Familienunternehmen erfordert das noch mehr Überlegung als in Konzernen, bei denen die Unternehmensspitzen regelmäßig wechseln. 

PR-Journal: Sie haben sich bewusst entschieden, eine Führungspersönlichkeit „alter Schule“ zu positionieren. Das erfordert Mut, oder? 

Beune: Mut, für den wir belohnt wurden: In seinem Habitus, in seiner mecklenburgischen Verknappung, die ganz und gar auf Schnörkel verzichtet und gerade dadurch Nähe schafft, liegen eine Klarheit und Unmissverständlichkeit, die sich als außerordentlich PR-tauglich erwiesen haben. Die Grundsatzentscheidung war für uns eindeutig: Unsere PR ist menschlich.

PR-Journal: Welche handwerklichen Basics gehören aus Ihrer Sicht zwingend dazu?

Beune: Gerade im Mittelstand wird doch noch häufig unterschätzt, dass professionelle Kommunikation kein Selbstläufer ist. Wer PR strategisch aufbauen und damit langfristig zur Wertschöpfung beitragen will, muss investieren, in Strukturen, in Kompetenzen und ja: eben auch konkret Budgets bereitstellen. PR kostet Geld, vor allem am Anfang. Und es ist Vorleistung gefragt, weil sich die Investition nicht über Nacht amortisiert. Das einmal vorangestellt. 

Zu den handwerklichen Basics gehört für mich ein Sinn für Ordnung. Saubere, verlässliche Prozesse, Themenplanung, Freigabeschleifen - einfach klar geregelte Abläufe innerhalb der Kommunikationsabteilung, die auch anschlussfähig sind an die übrige Unternehmenslogik, sind für mich persönlich das A & O. Und die Technologie ist entscheidend: Kommunikationsabteilungen, die nicht umfänglich auf Digitalisierung im Workflow setzen, verbrennen Geld. Die Website als Corporate Hub bleibt dabei für mich das Rückgrat der Kommunikationsarbeit. Sie muss allerdings modern gedacht sein, also technisch auf der Höhe der Zeit. Nicht als teures Spielzeug oder „Nice-to-have“, sondern als Teil unternehmerischer Wertschöpfung. 

PR-Journal: Wie gelingt es, den strategischen Rahmen zu setzen: mit externen Partnern, mit internen Ressourcen – oder in einer Kombination?

Beune: Externe Partner bringen Erfahrung und vor allem eine professionelle Distanz mit. Das ist besonders wichtig, wenn Themen anstehen, die im Unternehmen viel verändern. Die Auswahl dieser Partner erfolgte bei uns je hälftig nach Bauchgefühl und Erfahrung. Gleichzeitig sind interne Stimmen unverzichtbar, vor allem von Kolleginnen und Kollegen, die schon lange im Unternehmen sind, Verantwortung tragen und verschiedene Entwicklungsstufen miterlebt haben. Die Unternehmer-Familie, bei uns repräsentiert durch Orafol Chef Dr. Holger Loclair und das aktive Managementmitglied Catherine Loclair, ist das Zünglein an der Waage. So sah unsere Startkonstellation für die PR Strategie aus: unser CEO, wenige Mitglieder des Vorstands, ich persönlich und zwei externe, hervorragende Kommunikations- und Sparringpartner aus Schwaben und Dresden am Kommunikationstisch. Für uns war das die perfekte Mischung. 

Wenn wir jetzt den nächsten Schritt in unserer globalen Kommunikation gehen, starten wir nach dem gleichen Prinzip, mit dem Unterschied, dass wir schon viel aufgebaut haben und PR technisch nicht mehr bei null beginnen. Einen passenden Partner dafür haben wir auch schon im Blick. Wir haben von Anfang an bewusst auf eine Mischung gesetzt. Dabei bleibt es.

PR-Journal: Familienunternehmen sind oft besonders geprägt durch Nähe, Loyalität und Unternehmenskultur. Wie fließt das in die Kommunikationsstrategie ein – und wie unterscheidet sich das von börsennotierten Konzernen?

Beune: Familienunternehmen sollte man grundsätzlich nicht zu sehr in der Kuschelecke verorten! PR muss auch hier leisten und Ergebnisse zeigen. Aber Familienunternehmen sind für mich eine vollkommen eigene PR-Kategorie mit ganz spezifischen Möglichkeiten. Gerade in Sachen Deutlichkeit können wir oft einfach und direkt kommunizieren, weil der Familienunternehmer nicht über jedes Stöckchen springen muss und häufig unabhängig agiert. Gleichzeitig tun sich viele Familienunternehmen schwer damit, Kommunikation & PR wirklich als Wertschöpfungsbeitrag zu begreifen. Wenn wir bei Orafol über Kultur sprechen, meinen wir immer auch Leistungskultur. Gerade das kommt in börsennotierten Konzernen heute oft zu kurz, weil andere Themen dem Fokus auf Wirtschaftlichkeit den Rang ablaufen. 

PR-Journal: Wenn Sie den Weg von Orafol beschreiben: Welche Stationen waren unverzichtbar, um die Kommunikation vom soliden Fundament bis zur internationalen Markenführung auszubauen?

Beune: Auch wenn der Druck in einem schnell wachsenden Unternehmen hoch ist, gehört es zur Pflicht von PR-Profis, Maß und Mitte zu wahren und klar zu erkennen: Was kann ich professionell leisten? Ein weiterer wichtiger Baustein war der Aufbau eines internen Teams. Niemand kommt komplett fertig in ein Unternehmen, um sofort alle Aufgaben der strategischen PR zu übernehmen. Das Team musste sich einarbeiten und Schritt für Schritt an Schlagkraft gewinnen. 

PR-Journal: Das klingt nach Ausbildungsarbeit.

Beune: Richtig, gute PR funktioniert nur, wenn die Beteiligten in die spezifische Aufgabe hineinwachsen. Wir blicken im Unternehmen generell eher wenig zurück, für die PR-Verantwortlichen lohnt sich dieser gelegentliche Blick aber sehr: So wird deutlich, wie viel in kurzer Zeit bereits möglich war und was in absehbarer Zeit noch erreicht werden kann. Die wichtigsten Wegmarken waren die klassischen Bausteine: die Verständigung und Verschriftlichung von Leitbild, Mission, Vision und Unternehmenswerten, die in allen Managementprozessen konsequent Berücksichtigung finden. 

PR-Journal: Und die interne Kommunikation?

Beune: Die lief tatsächlich wie von selbst, weil wir auf offene Türen gestoßen sind. Wir haben das Tafelsilber geputzt und nichts neu erfunden. Mein Herz geht auf, wenn ich an das große Echo zu unserer CEO-Kommunikation denke. Nicht unwichtig sind die sukzessive sichtbaren Veränderungen durch das neue Corporate Design - im Unternehmen und im Markt. Und alles wird getragen von einem Management, das sich auch über den CEO hinaus unglaublich diszipliniert einbringt, selbst bei einem ohnehin straffen Tagesgeschäft. 

PR-Journal: Und nun geht es an die Internationalisierung?

Beune: All das nehmen wir nun mit in die Internationalisierung unserer PR, zu 18 Töchtern an 31 Standorten. Mein Petitum: Erst am Stammsitz klar Schiff machen sich dann auf internationale PR-Abenteuer einlassen.

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