Unternehmen Stepstone Group „KI macht unsere Arbeit anspruchsvoller“

Als Gast in der Interviewreihe zur Digitalisierung der PR, die von Christopher Morasch moderiert wird, begrüßen wir Nick Marten. Er ist Head of Content und Editor-in-Chief bei The Stepstone Group. Im Interview mit Christopher Morasch erläutert er, wie sein Team im Alltag KI einsetzt, und wagt einen Blick in die Kristallkugel: Wird die KI künftig Content Marketing obsolet machen?

Nick Marten erwartet, dass KI die menschliche Komponente im Content Marketing stärken wird. (Foto: Stepstone)

Frage: Herr Marten, die Stepstone Group verantwortet weltweit zahlreiche Jobportale. Sie möchte einerseits Menschen dabei helfen, den nächsten Schritt in ihrer Karriere zu gehen, andererseits geht es aber auch darum, Organisationen auf der Suche nach der richtigen Fachkraft zu unterstützen, um als Organisation erfolgreich zu sein. Würden auch Sie sich in Ihrem Job als „Matchmaker“ bezeichnen?

Nick Marten: Die Bezeichnung passt gleich auf mehreren Ebenen. Einerseits sorgen mein Team und ich dafür, dass wir Jobsuchenden und Unternehmen die richtigen Antworten auf ihre Fragen geben. Unser Ziel ist es, dass wir Menschen mit Wissen und Fähigkeiten ausstatten, sodass sie im Rahmen der Jobsuche zusammenzufinden können. Andererseits geht es in meiner Rolle auch darum, dass ich mein Team und neue Technologien zusammenbringe. Hier befassen wir uns aktuell damit, wie wir KI in unserem Arbeitsalltag sinnvoll einsetzen können.

Vielzahl von Anwendungsfeldern für KI

Frage: Wie wird das im Arbeitsalltag konkret?

Marten: In meinem Team liegt die Verantwortung für digitale Magazine, Content Mailings und Webinare für mehrere Jobportale der Stepstone Group in Europa. Es gibt also eine Vielzahl von Anwendungsfeldern für KI. Die Maschine hilft uns heute zum Beispiel bei der Identifikation von Themen und SEO-relevanten Keywords, wir erstellen Briefings, initiieren Brainstormings, lassen Inhalte übersetzen und erstellen natürlich auch Bestandteile unserer Inhalte mit Hilfe von KI. Speziell bei den wiederkehrenden, klassischen Evergreen-Themen macht die Maschine heute schon einen guten Job.

Frage: Wie groß ist Ihr Team? Oder ist da mittlerweile nur noch eine KI an der Arbeit?

Marten: (lacht) Nein, der Mensch ist nach wie vor ein wichtiger Faktor. Und ich habe gleich zwölf davon. Zwölf Mitarbeitende, die für die unterschiedlichen Märkte und Jobportale, Kanäle und Zielgruppen Inhalte aufbereiten und Menschen mit wertvollem Wissen für die Job- beziehungsweise Kandidatensuche versorgen. Wir merken, dass die KI unseren Arbeitsalltag schon heute erleichtern kann. Wiederkehrende, mühsame Aufgaben werden uns abgenommen oder der Zeitaufwand deutlich reduziert. Die KI ersetzt hierbei keinen Menschen in meinem Team, sondern ermöglicht uns mehr Fokus auf wichtigere Aufgaben. Mal ist die KI Impulsgeberin für uns, mal hilft sie dabei, relevante Keywords zu finden, mal schreibt sie im Auftrag einen ersten Draft oder einzelne Textabschnitte komplett selbstständig. Jeden Tag lernen wir in dieser Mensch-Maschine-Konstellation dazu. Jeden Tag werden sowohl wir als auch die Maschine besser.

"KI verstehe ich als Werkzeug und nicht als Autor"

Frage: Wenn man sich umsieht und immer mehr offensichtlich von künstlichen Intelligenzen generierten Content ausgespielt bekommt, steht die Frage im Raum: Wer soll all diese generischen Texte lesen? Wie sehen Sie das?

Marten: Die Flut von KI-Texten ist aus meiner Sicht das Resultat einer Art Sturm und Drang Phase der Kommunikations- und Marketingbranche. Die Neugierigen unter uns wollen die Möglichkeiten und Grenzen der Technologie austesten: Was ist möglich? Was ist erfolgreich? Wie weit kann ich gehen? Ich bin der festen Überzeugung, dass sich am Ende die Inhalte durchsetzen werden, die anderen Menschen tatsächlich weiterhelfen. Inhalte, die auf die Fragen und Bedürfnisse der Zielgruppe eingehen. Inhalte, die auf echter und fundierter Expertise beruhen. Die KI verstehe ich in der Texterstellung von Ratgeberinhalten als Werkzeug und nicht zwingend als Autor. So kann die Maschine auf Basis menschlichen Inputs einzelne Textabschnitte schreiben oder etwa einen Text in FAQs umformulieren. An diesen Stellen ist aus meiner Sicht irrelevant, ob eine KI oder ein Mensch die Inhalte zu Papier gebracht hat.

Frage: Also ist für Sie die Technologieakzeptanz bei dieser Art von Content nicht wirklich ein Problem?

Marten: Die Technologie ist kein Problem, solange sie verantwortungsbewusst eingesetzt wird. Natürlich geht es um Schnelligkeit und Effizienz in der Erstellung von Inhalten. Aber eben auch um Qualität, Seriosität, Gewissenhaftigkeit.
Wir sehen schon heute, dass KI für illegale Zwecke, zur Verbreitung von Unwahrheiten und Hate Speech genutzt wird. Nach dem Umgang mit Social Media wird das eine der nächsten Herausforderungen unserer Zeit und Gesellschaft werden.
Wir setzen daher auf eine Kombination aus menschlicher Expertise und technologischer Unterstützung. Gerade bei komplexen Themen wie zum Beispiel Arbeitsrecht ist der Austausch mit Expertinnen und Experten essenziell. Unsere Herangehensweise beruht darauf, Inhalte gründlich zu recherchieren und sorgfältig aufzubereiten, um Manipulation und Fehlinformationen entgegenzuwirken.

Höherer Bedarf an menschlicher Kreativität und Empathie

Frage: Bei Themen wie SEO oder auch Social-Media-Marketing scheint es einen interessanten Effekt zu geben, bei dem wir als Menschen ständig versuchen, die Maschine zu verstehen, während die Maschine versucht, uns Menschen zu verstehen. Wie sehen Sie dieses Verhältnis?

Marten: Wir befinden uns in einer ständigen Mensch-Maschine-Interaktion, bei der beide Seiten versuchen, die jeweils andere besser zu verstehen. Bei der Suchmaschinenoptimierung zum Beispiel analysieren wir, was Google wertschätzt und wie es Inhalte interpretiert, damit unsere Texte und Themen bessere Platzierungen und Sichtbarkeit in der Suchmaschine bekommen. Gleichzeitig verbessert Google seine Algorithmen kontinuierlich, um die Intentionen und Bedürfnisse der Nutzer besser zu verstehen und relevante Ergebnisse zu liefern. Es ist ein fortlaufender Prozess des gegenseitigen Lernens und Anpassens, der zeigt, wie eng Mensch und Maschine miteinander verwoben sind.

Frage: Glauben Sie, dass dies eine Verschiebung in der Wertschätzung menschlicher Beiträge im Content Marketing zur Folge haben könnte?

Marten: Absolut, es geht nicht nur um die Quantität, die bloße Anzahl von Artikeln. Es geht vielmehr um die Qualität und die Tiefe des Contents. Technische Voraussetzungen zu erfüllen ist wichtig, doch ich glaube, dass die menschliche Komponente im Content Marketing – gerade in dieser Sturm- und Drang-Phase der KI – eine fundamentalere Rolle spielen wird. Wenn wir uns noch viel ernsthafter mit unseren Zielgruppen, ihren Fragen und Bedürfnissen befassen, werden wir nicht weniger, sondern eher mehr Bedarf an menschlicher Kreativität und Empathie haben. Die routinemäßigen, automatisierbaren Aufgaben werden sicherlich zunehmend von Maschinen übernommen, aber dies ermöglicht es den Menschen, sich auf komplexere, wertvollere Tätigkeiten zu fokussieren.

Mehr Zeit für strategische Projekte

Frage: Heißt das, dass in Zukunft bestimmte Rollen im Content Marketing und in der Unternehmenskommunikation sich ändern, jedoch nicht verschwinden werden?

Marten: Ich glaube, dass uns bekannte Rollen bestehen bleiben, während sich Tätigkeiten- und Aufgabenbereiche verschieben werden. In der Unternehmenskommunikation beispielsweise wird es weiterhin Expertinnen und Experten für CEO-Kommunikation geben, ebenso wie Spezialisten für interne Kommunikation. Der Unterschied wird darin liegen, dass diese Fachleute zukünftig einen größeren Teil ihrer Arbeitszeit mit strategischeren, inhaltlich anspruchsvolleren Projekten verbringen, während wiederkehrende Aufgaben zunehmend von Technologien übernommen werden. Das bedeutet nicht, dass Maschinen plötzlich komplexe menschliche Kommunikationsaufgaben übernehmen, sondern eher, dass sie unterstützende Funktionen ausführen, die uns erlauben, unsere Ressourcen effektiver einzusetzen.

Frage: Wie schätzen Sie die langfristige Entwicklung ein? Bewegen wir uns in Richtung einer Science-Fiction-Realität, in der Maschinen die gesamte Kommunikationsarbeit übernehmen?

Marten: Nein, davon sind wir weit entfernt. Was wir erleben, ist keine Ablösung des Menschen durch Maschinen, sondern eine schrittweise Transformation der Arbeitswelt, in der Technologie uns hilft, effizienter und zielgerichteter zu agieren. Ich beobachte, dass Arbeitsplätze in unserer Branche sich wandeln, aber nicht gänzlich verschwinden. Unsere Arbeit wird „menschlicher“, indem wir uns auf die Bereiche konzentrieren können, die wirklich menschliche Fähigkeiten erfordern: Kreativität, strategisches Denken und zwischenmenschliche Kommunikation. Dieser Wandel ist – auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel und die große Arbeiterlosigkeit – eine großartige Chance für uns, kein Risiko.

Über den Autor: Christopher Morasch ist Professor für Public Relations an der Westfälischen Hochschule sowie Gründer und Geschäftsführer der digitell.me GmbH, ein auf Umfragen spezialisiertes Softwareunternehmen.

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