Unternehmen Analyse: Wie Unternehmen das Reputationsrisiko beschreiben
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- von Manfred Piwinger (Foto), Wuppertal
Berichte über das Reputationsrisiko sind rar. Dies zeigt eine entsprechende Auswertung der Risikoberichte von DAX-Unternehmen aus dem Jahr 2023. Nähere Beschreibungen dazu finden sich gerade einmal in einem Drittel aller Risikoberichte innerhalb der Jahresberichterstattung. Ein weiteres Drittel der Unternehmen in diesem Börsensegment verzichtet gänzlich auf entsprechende Angaben. Der verbleibende Rest der Unternehmen versteckt das Reputationsrisiko unter anderen Risikoarten. Nachfolgend wird die Berichterstattung zu diesem Thema zusammenfassend dargestellt.
Definitionen
Die Munich Re definiert das Reputationsrisiko in ihrem Jahresbericht (2023, Seite 98) „als Schaden, der eintreten kann, wenn sich das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit, etwa bei Kunden, Aktionären oder anderen Beteiligten verschlechtert.“
Ähnlich die Deutsche Bank (2023, Seite 11). Sie beschreibt das Reputationsrisiko als das Risiko möglicher Schäden an der Marke und dem guten Ruf und das damit verbundene Risiko bzw. die Auswirkungen auf ihre Erträge.“ Auch die Commerzbank (2023, Seite 257) sieht im Fall eines Reputationsschadens „die Gefahr eines Vertrauens- und Ansehensverlusts“ und ordnet es „den wesentlichen nicht quantifizierbaren Risikoarten“ zu.
Einen Schritt weiter geht die Allianz (2021, Seite 109), die von „Risiko eines unerwarteten Rückgangs der Aktie, des Werts des aktuellen Bestandsgeschäfts oder des Werts des künftigen Geschäftsvolumens – und zwar als Folge des Ansehensverlusts durch die Beurteilung interner und externer Stakeholder“ warnt.
Schon weiter zurückliegend definiert die HypoVereinsbank (2016, Seite 26) das Reputationsrisiko „als das Risiko eines negativen Gewinn- und Verlusteffekts (GUV), hervorgerufen durch unerwünschte Reaktionen von Interessengruppen (Stakeholdern) aufgrund einer veränderten Wahrnehmung der Bank.“
Airbus (2021, Seite 23) unterscheidet zwei Kategorien: „Firstly, there is a risk that misperceptions about the Company’s envirornmental performance is used as a key decision-making criteria for consumers, investors, or even new talents. Secondly, there is a risk that Company’s reputation is damaged by growing social concerns about the climate change impact of aviation or by the lack of transparency on progress made to address climate-related issues.”
Hannover Rück (2023, Seite 90) sieht die Gefahr, „dass das Vertrauen unserer Kunden, Aktionäre, Mitarbeitenden oder auch der Öffentlichkeit in unser Unternehmen beschädigt wird“ und geht dabei sogar noch einen Schritt weiter, indem der Rückversicherer davon ausgeht, dass „dieses Risiko die Geschäftsgrundlage des Konzern erheblich gefährden kann.“
Auf die Folgen eines Vertrauens- und Ansehensverlustes weisen zahlreiche Unternehmen in ihrer Risikoberichterstattung hin. „Kann unter Umständen auch zu Umsatzeinbußen führen“ (Henkel 2021, Seite 161) sowie „zu einer öffentlichen Fehleinschätzung der Geschäftsentwicklung“ (Adidas 2023, Seite 197). „Auf den Finanzsektor kann sich eine Herabstufung des vergebenen Credit Rankings auf die Kreditwürdigkeit auswirken“ (Mercedes Benz 2022, Seite 153).
Eine ungünstige oder fehlerhafte Berichterstattung – vor allem in den sozialen Medien – (Adidas 2022, Seite 186) könne folgenreich sein und „sich letztlich in Umsatzeinbußen niederschlagen und Auswirkungen auf die Erträge haben“.
Insbesondere bei Unternehmen der Finanzwirtschaft und der Versicherungswirtschaft trifft das Reputationsrisiko den unternehmerischen Nerv. Indiskretionen, insbesondere wenn es sich um Gerüchte, Spekulationen oder unautorisierte Meinungen handelt, kann zu finanziellen Konsequenzen wie dem Verlust von Vertrauen oder Geschäften mit Kunden auswirken und sich auf den Aktienkurs oder Kapitalinstrumente niederschlagen (Deutsche Bank 2021, Seite 59). Das Reputationsrisiko kann, folgt man der Allianz (2007, Seite 40), Verluste in weiteren Risikoarten, darunter Markt- und Kreditrisiken, verursachen.
Identifikation und Bewertung von Reputationsrisiken
„Die Identifikation und Bewertung von Reputationsrisiken sind Bestandteile des jährlichen ‚Top Risk Assessment‘ -Prozesses, der vom Allianz Konzern und allen operativen Bereichen durchgeführt wird“, darauf weist die Allianz 2023 hin. Die Deutsche Telekom (2023, Seite 147) begegnet „Risiken aus Marke und Reputation durch fortlaufende Markt- und Kommunikationsanalysen“. BMW (2022, Seite 130) beurteilt „sämtliche Risiken mithilfe eines Scoring-Modells bezüglich der Auswirkungen auf die Reputation“.
Munich Re (2023, Seite 59) verweist auf „spezifische Richtlinien und Prozessbeschreibungen“, welche den Umgang mit Reputations- und Nachhaltigkeitsrisiken innerhalb des Rückversicherers regeln. In den verschiedenen Geschäftsfeldern beurteilen sogenannte Reputationsrisiko-Komitees konkrete Reputationsfragen beziehungsweise potenzielle Reputations- und Nachhaltigkeitsrisiken.
Zur Identifikation von ESG- und Reputationsrisiken arbeiten bei Hannover Rück (2021, Seite 114) das Risikomanagement sowie der Bereich Corporate Communication eng zusammen.
Etwas komplexer liest es sich bei der Deutschen Bank (2023, Seite 152) an. Dort heißt es: „Die Modellierung und quantitative Messung des Reputationsrisikos findet explizit im Ökonomischen Kapitalmodell der Bank Berücksichtigung, da das Risiko im Wesentlichen durch das Ökonomische Kapital für strategische Risiken mit abgedeckt wird.“
Ein in dieser Weise weniger beachteter Aspekt lässt sich bei Rheinmetall (2023, Seite 100) finden: Verdachtsmoment und Kosten! Im Bericht heißt es: „Schon allein die Untersuchung und Aufklärung von Verdachtsfällen kann erhebliche interne und externe Kosten nach sich ziehen.“ Dies gelte vor allem bei einer Beeinträchtigung bei öffentlichkeitswirksamen Compliance-Verstößen.
Siemens (2023, Seite 26) bewertet relevante Risiken „aus verschiedenen Perspektiven wie Geschäftszielen, Reputation und regulatorischen Anforderungen nach Auswirkung und Eintrittswahrscheinlichkeit“.
Einen anderen Weg mehr auf einer betriebswirtschaftlichen Ebene geht Merck (2023, Seite 116). Im Rahmen eines umfassenden Risiko- und Chancen-Management identifiziert das Unternehmen auch aktuelle Risiken, die sich aus ESG-Aspekten (Environmental, Social, Governance) ergeben: „Das beinhaltet die Erfassung des Bruttorisikowerts für Schadenshöhe und Wahrscheinlichkeit sowie die nach risikomindernden Maßnahmen verbleibenden Nettorisikopositionen.“
Reputationsrisiko zunehmend in Risikoberichten zu finden
Als Tendenz zeichnet es sich ab, dass kapitalmarktorientiere Unternehmen das Reputationsrisiko in ihre jährlichen Risikoberichte mit aufnehmen, ohne es in allen Fällen explizit zu erwähnen. Dies enthält eine gewisse Logik, da das Reputationsrisiko in enger Wechselwirkung mit anderen Risikoarten steht und sich entsprechend auf das Geschäftsrisiko insgesamt auswirkt. Eine eigene Position „Reputationsrisiko“ kommt im betrieblichen Rechnungswesen eben so wenig vor wie die Gegenposition „Reputation“ als Aufsummierung sämtlicher nichtfinanzieller Unternehmenswerte. Aber das kann sich eines Tages ja noch ändern. Das wäre doch mal was!
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