Unternehmen CEOs in der Krise: Wenn die Haltungsnote entscheidet

Schwerpunkt Krisen-PR – Keine Frage, Unternehmens-Krisenfälle sind eine hohe Belastung für alle Beteiligten, insbesondere für CEOs. Sie sind es vor allem, die im Kreuzfeuer stehen und sich zu rechtfertigen haben, wenn im Unternehmen etwas gehörig schiefgelaufen ist. In der Regel steht dem CEO dafür ein ganzes Kommunikationsteam zur Seite. Das Team bereitet die Ereignisse auf, koordiniert die Informationen, entwickelt eine Kommunikationsstrategie, formuliert Kernbotschaften, mögliche Fragen und Antworten und organisiert Pressetermine. Nur die Haltung des CEOs zum eigentlichen Thema können die Kommunikationsexperten regelmäßig nicht kontrollieren. Sagt er, was er tatsächlich denkt? Oder sagt er nur das, was die Öffentlichkeit von ihm hören will? Die Antwort hierauf kann für die gesamte Krisenbewältigung erfolgskritisch sein.

Thomas Stein

„Wir haben gar nicht gelogen“, brach es während eines Interviews mit dem US-amerikanischen Radio-Sender NPR zum Dieselskandal aus Volkswagen-Chef Matthias Müller heraus. Man habe lediglich US-Gesetzte „falsch interpretiert“. Kurz zuvor hatte Müller sich noch offiziell für die Manipulation der Abgaswerte entschuldigt. Die US-Ermittlungsbehörden hatten zudem Volkswagen bereits vorgeworfen, nicht ausreichend zu kooperieren und den Skandal kleinreden zu wollen. Nach dem Radio-Interview durften sich die Skeptiker bestätigt sehen. So war nahezu die gesamte Kommunikationsarbeit aus der Zeit davor hinfällig, die Arbeit der Kommunikationsexperten zur Vorbereitung der USA-Reise – soweit – umsonst.

„V“ wie Arroganz

An anderer Stelle stand der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im Gerichtssaal und zeigte die seitdem wohl in Deutschland berühmteste Geste eines CEOs, die in die Geschichtsbücher eingegangen ist: die gespreizten Zeige- und Ringfinger als Victory-Zeichen. Interpretiert wurde sie als Zeichen der Arroganz einer vermeintlichen „Finanzelite“ und als Respektlosigkeit gegenüber dem Gericht. Später wurden unterschiedliche Geschichten kolportiert, wie es zu dieser Geste kam. Dass seine Geste einen derartigen "Sturm der Entrüstung" lostreten würde, hätte er "im Traum nicht gedacht", sagte Josef Ackermann einige Jahre später. Da war seine Geste schon längst zu einem Sinnbild der Überheblichkeit des Top-Managers geworden und stand vielzitiert für die Verfehlungen der gesamten Branche während der Finanzkrise.

Die richtige Haltung in Krisen kann, wie die Beispiele der Konzern-Chefs zeigen, entscheidend für das Gelingen der Kommunikationsarbeit sein. Auf dem regelmäßig langen und anstrengenden Weg durch eine Krise kann sich kaum ein Mensch, auch ein CEO nicht, ständig so unter Kontrolle haben, dass nicht irgendwann das Innere nach außen tritt. Hat sich der CEO bis dahin nur verstellt, ist dieser Zeitpunkt besonders kritisch. Denn widerspricht er plötzlich dem bisher Gesagten oder zeigt sich überheblich, wird die Glaubwürdigkeit fundamental zerstört. Dann geht es nicht nur zurück auf „Los“, sondern die Krise wird noch verschärft, ein Aufarbeiten auch mit allen Kommunikationsmitteln gegebenenfalls sogar unmöglich – mit diesem CEO.

Eine Demutsgeste für die Reputation

Anders läuft es regelmäßig in Japan. Zumindest augenscheinlich. Nach der Fukushima-Katastrophe, bei der es 2011 zur dreifachen Kernschmelze im Atomkraftwerk der Firma Tepco kam, entschuldigten sich drei der Top-Manager öffentlich mit einer tiefen Verbeugung. Einer sehr tiefen Verbeugung. Die Katastrophe führte derweil zu einer veränderten Wahrnehmung der Atomkraft in der ganzen Welt. In Deutschland führte sie zur politisch gewollten und von der Bevölkerung gestützten Energiewende und zum Ausstieg aus der Atomenergie. Im Gerichtsprozess in Tokio wiederholten die Manager die Entschuldigung und wurden im September 2019 vom Bezirksgericht Tokio vom Vorwurf freigesprochen, ihre professionellen Pflichten vernachlässigt zu haben. In Erinnerung bleiben die tiefe Verbeugung und die Entschuldigung.

Eine Entschuldigung an der richtigen Stelle kann in Krisen durchaus sehr hilfreich sein. Gute Kommunikationsarbeit kann den Verlust an Reputation wiederaufarbeiten. Sehr gute Kommunikation und das Nutzen der erhöhten Aufmerksamkeit in einer Krise können sogar die Reputation über das vormalige Niveau hinaus steigern. Das ist dann möglich, wenn nach der eigentlichen Krise weitere Kommunikationsmaßnahmen zur Rückgewinnung des Vertrauens umgesetzt werden. Mercedes packte nach seinem missglückten „Elch-Test“ der damals neu eingeführten A-Klasse als erster Fahrzeughersteller das elektronische Stabilitätsprogramm ESP in eine Kleinwagen-Serie. Und für die Käufer gab es noch einen kleinen Stoffelch zum Auto dazu. Eine Entschuldigung mit Augenzwinkern.

Einsturzgefährdet: Potemkinsche Dörfer

So ist gute Kommunikationsarbeit in Krisen nicht allein auf die Kommunikation beschränkt. Zwar gibt es noch immer Geschäftsführer, die glauben, mit nur ausreichend aggressiver PR-Arbeit vom eigenen Fehlverhalten ablenken zu können, ohne etwas verändern zu müssen. Kommunikationsexperten wissen aber, wie fragil der Aufbau Potemkinscher Dörfer ist, die nur Schein und nicht Sein verändern. Denn irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo ein Blick hinter die Fassade möglich wird. Ein investigativer Journalist findet die Whistleblower oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über Social-Media-Kanäle Interna verbreiten. Und manchmal sind es eben auch die CEOs, die sich für einen Moment nicht unter Kontrolle haben. Oder die Dimension einer Krise nicht wirklich verinnerlicht haben.

Kommunikation stößt regelmäßig an ihre Grenzen, wenn die Führung eines Unternehmens nicht empathisch und veränderungsbereit auf berechtigte Kritik reagiert. Natürlich kann man Kritik widersprechen. Aber es ist die Erwartungshaltung der Stakeholder, dass die Geschäftsführung eines Unternehmens berechtigter Kritik auf Augenhöhe und ohne Arroganz begegnet. Hierfür ist die richtige Haltung der CEOs nötig, die dann auch in schwachen Momenten und auf Fragen, die nicht im Q&A stehen, die richtigen Antworten hervorbringt.

Über den Autor: Thomas Stein ist Managing Partner und Krisenexperte bei Instinctif Partners. Er arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Berater auf Agenturseite. Reputationsmanagement (Veröffentlichungen unter anderem im „Handbuch für Kommunikation“), Krisen-PR und Interne Kommunikation sind seine Schwerpunktthemen. Bei Instinctif Partners ist Thomas Stein seit 2007 Mitglied der Geschäftsleitung.

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