Unternehmen Status quo der Digitalisierung in den Investor Relations: DIRK-Workshop liefert Einschätzungen

Der Rahmen war gut gewählt. Gerade ein Dutzend Teilnehmer. Die Mehrzahl kannte sich schon aus verschiedenen Arbeitskreisen oder einer gelegentlichen beruflichen Zusammenarbeit. Insgesamt gute Voraussetzungen für lebhafte Gespräche und einen wechselseitigen und intensiven Informationsaustausch. Die Rede ist vom DIRK-Workshop „Digitale Trends 2019“, veranstaltet Ende Januar vom Deutschen Investor Relations Verband (DIRK) gemeinsam mit der Kölner Unternehmensberatung für Digitale Konzernkommunikation NetFederation.

Im Kern ging es um die Frage, inwieweit Digitalisierung und Künstliche Intelligenz bereits Raum in der Finanzkommunikation gefunden haben: „Was ist Labeling, was Realität?“ Inwieweit werden die interaktiven Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten genutzt? Fragen über Fragen ohne Ende. Ins Gespräch gebracht auch das Missverhältnis zwischen erlebter und flüchtiger Interaktion. Was bleibt hängen? Wie sieht es mit der Sprachsteuerung aus? Sämtlich Themen, die noch in den Kinderschuhen stecken und längst nicht zu Ende gedacht sind.

IR-Digitalisierungsstrategien stehen noch ganz am Anfang

Gerade dazu war es interessant zu hören, wie die beteiligten Unternehmen damit umgehen. Die mitveranstaltende NetFederation hatte ein Review vorbereitet, besser gesagt: eine vorherige Analyse von Websites und Digitalem Fußabdruck als Grundlage einer realitätsnahen Betrachtung zum Status quo. In der folgenden Diskussion wurde mehr als deutlich, wie unterschiedlich Unternehmen in der Finanzkommunikation mit der Digitalisierung umgehen, worin die Unterschiede liegen und schließlich, was auf die Unternehmen noch alles zukommt. Weitgehend einig waren sich die Teilnehmer (darunter IR-Manager von Porsche, Evonik und Henkel) am Ende darüber, dass die Konzerne in Sachen digitaler Gesamtstrategie und IR-Digitalisierungsstrategie noch ganz am Anfang stehen – eine ernüchternde Feststellung. Dem entgegen steht: Ein Viertel der DAX-Konzerne sieht sich – laut aktuellen Geschäftsberichten – als digitaler Vorreiter. 

Positiv stechen einige Unternehmen wie BASF oder DP DHL heraus. So verschickt BASF beispielsweise Kursinformationen per WhatsApp, stellt den Geschäftsbericht im Full-HTML-Format zur Verfügung und nutzt eine ganzheitliche Social-Media-Kommunikation. Die Deutsche Post DHL setzt seit Sommer 2018 mit dem Chatbot „Carrie“ auf künstliche Intelligenz: Selbstlernende Kommunikation im IR-Bereich, dazu Schnittstellen zu bereichsfremden und externen Track-and-Tracing-Systemen, um z.B. ein verlorenes Paket wiederzufinden. Lediglich zur Quartals- und Jahresberichterstattung muss noch „von außen gefüttert werden“.

„Unternehmen bleiben weit unter ihren Möglichkeiten“

Man sieht: Es tut sich was. Und schneller als gedacht gibt es marktreife Lösungen. Leider nicht überall in der gleichen Professionalität. Die privaten, persönlichen digitalen Erfahrungen gehen meist weit über das hinaus, was im beruflichen Umfeld als Standard angesetzt wird. „Oft bleiben die Unternehmen weit unter ihren Möglichkeiten“, so Thorsten Greiten, Geschäftsführer von NetFederation, „meistens herrscht Pflichtkommunikation statt Kür.“ IR kann jetzt schon auf die Fortschritte in der Entwicklung von Chatbot-Technologien und künstlicher Intelligenz setzen, der Anstieg von Mobile Messaging Apps spricht klar für die Nutzung der neuen Kommunikationskanäle.

Andrea Wentscher von der BASF SE brachte es auf den Punkt: „Erstaunlicherweise werden gerade dialogorientierte Social-Media-Plattformen in der Finanzmarktkommunikation bisher nicht in vollem Umfang genutzt.“ Dies sei teilweise vermutlich auf fehlende Ressourcen sowie Unsicherheiten im Umgang mit neu zu schaffenden Prozessen zurückzuführen. Den kommenden Geschäftsmodellen sind kaum Grenzen gesetzt, so könnten beispielsweise Sentiment-Analysen neue Impulse für die Investor Relations-Arbeit bringen.

Offenheit gegenüber Veränderungen durch Digitalisierung ist gering

Und noch etwas ging aus dem Kölner Werkstattgespräch hervor: Die Offenheit gegenüber Veränderungen durch die Digitalisierung ist entgegen dem äußeren Eindruck noch sehr gering ausgeprägt. Sandra Tietz von der Universität Leipzig stellte in diesem Zusammenhang eine Studie vor, wonach lediglich in 8,2 Prozent der Fälle IR-Abteilungen über eine spezifische Digitalisierungsstrategie verfügen. Und 57 Prozent der Befragten gaben ergänzend an, sich vorerst an der Digitalisierungsstrategie ihres Unternehmens zu orientieren. Kai Bommer, Geschäftsführer des DIRK stellte – hierzu passend – ein hilfreiches Tool zum „Digital Self-Assessment“ vor.

Es wird derzeit noch in einer Arbeitsgruppe final ausgearbeitet und soll bereits im Frühjahr an den Start gehen. Grundsätzlich soll damit jeweils unternehmensweit der Stand der Digitalisierung erhoben werden.

„Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben“

Zu Beginn des Workshops hatte Gastgeber (und Moderator) Thorsten Greiten von NetFederation den Meta-Rahmen abgesteckt. Was Digitalisierung überhaupt ausmacht, welches die aktuellen Trends sind und vor allem welche wichtigen Faktoren Einfluss auf eine moderne Finanzkommunikation nehmen. Zusammengefasst hat er es in seinem Schlusswort – hier wörtlich wiedergegeben: „Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben! Technik-Zyklen werden zunehmend kürzer, sodass es heute nicht mehr ausreicht, Websites und digitale Tools alle paar Jahre zu erneuern. Vielmehr müssen sie kontinuierlich optimiert und weiterentwickelt werden, um den Anschluss an den Wettbewerb nicht zu verlieren. Nicht nur zu den technischen Entwicklungen im Allgemeinen, sondern vor allem auch hinsichtlich Zielgruppenbedürfnissen, guter Usability und User Experience heißt es für die Konzerne am Puls der Zeit zu bleiben.“

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