Unternehmen Studie zur Digitalisierung von Investor Relations: „Es mangelt an Strategien“

Der Deutsche Investor Relations Verband (DIRK), Frankfurt am Main, und das Center for Research in Financial Communication (CRiFC) der Universität Leipzig veröffentlichen mit der Studie „Digital Leadership in Investor Relations – Wie digital ist die Investor Relations in Deutschland?“ die Ergebnisse aus einer breit angelegten empirischen Untersuchung von börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Das Forschungsprojekt in Kooperation mit der Deutsche Post DHL Group, Deutsche Telekom, innogy und SAP zeigt, wie – und auch wie unterschiedlich – Investor Relations-Abteilungen den digitalen Wandel gestalten.

Die Studie ermittelte vier Typen der IR-Digitalisierung. (© DIRK / CRiFC)

Im Rahmen der Studie wurden 22 qualitative Interviews mit Vertretern von Aktiengesellschaften aus dem DAX, MDAX, TecDAX und SDAX geführt. Eine quantitative Onlinebefragung mit 73 Unternehmen aus dem Prime Standard und dem Freiverkehr quantifizierte und validierte die Erkenntnisse. Analysiert wurden unter anderem Voraussetzungen, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren der digitalen Investor Relations. Zudem wurde erhoben, welche digitalen Instrumente in welcher Intensität Anwendung finden. Daraus konnten der State of the Art der digitalen IR-Landschaft in Deutschland abgeleitet sowie vier unterschiedliche Typen im Umgang mit der Digitalisierung im IR-Bereich identifiziert werden.

Die Studie kommt zu folgenden Haupterkenntnissen:

  • Mangelnde Priorisierung: Nur 30 Prozent der Befragten geben an, dass die Digitalisierung ihre Abteilung stark beschäftigt. 78 Prozent der Unternehmen verfügen nicht über ein eigenes Digitalisierungsbudget und nur zwölf Prozent haben einen Verantwortlichen für das Thema Digitalisierung in ihrer Abteilung benannt.
    Zudem geben nur acht Prozent der Unternehmen an, dass eine spezifische IR-Digitalisierungsstrategie existiert. Ein Großteil der Unternehmen orientiert sich an der Digitalisierungsstrategie des Unternehmens (58 %) oder es gibt schlicht gar keine strategische Leitlinie für die Bewältigung der Digitalisierung (23 %). Damit wurde die strategische Bedeutung der Digitalisierung für die Finanzkommunikation bisher nur unzureichend erkannt.
  • Pflicht vor Kür: Beim Einsatz digitaler Tools ist vor allem die Effizienz entscheidend: Ein Großteil der IR-Abteilungen setzen digitale Instrumente ein, um ihre Arbeit effizienter zu gestalten (71,3 %) und um Standardprozesse in der Abteilung zu automatisieren (65,8 %).
    41 Prozent der Unternehmen wollen vor allem mit den üblichen Marktstandards mithalten, nur ein sehr geringer Teil nutzt die Digitalisierung, um sich im Wettbewerbsumfeld oder in der Branche als Vorreiter zu positionieren. Die Pflicht steht damit vor der Kür.
  • Treiber und Hürden: Die Globalisierung, das Interesse von Investoren und die positive Erfahrung anderer Unternehmen mit digitalen Kanälen sind die zentralen Treiber der Digitalisierung in der IR. Nur wenige sind aber bereit, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Als Hauptbarrieren wurden von den Befragten die hohen Kosten der Implementierung neuer Instrumente sowie fehlende finanzielle und personelle Ressourcen angesehen. Der Datenschutz und die Datensicherheit betrifft in Zeiten der Datenschutz-Grundverordnung auch die Investor Relations und gilt vielen als Hindernis für eine weitere Digitalisierung der Finanzkommunikation: er ist nach dem Ressourcenmangel die zweitwichtigste Hürde.
  • Vier Typen der IR-Digitalisierung: Die Studie konnte vier unterschiedliche Ansätze im Umgang mit der digitalen IR identifizieren, die als Digitalisierungs-Typen beschrieben werden. Beim Digital Transmitter (44 % der befragten Unternehmen) prägen die Erfüllung regulatorischer Normen sowie eine Orientierung an Marktstandards die Digitalisierungsaktivitäten. Der Digital Optimizer als zweite große Gruppe (42 % der Unternehmen) strebt durch den digitalen Wandel eine Steigerung der Effizienz sowie eine Professionalisierung der IR-Arbeit an. Durch eine Profilierung und Positionierung mittels digitaler IR-Aktivitäten strebt der Digital Positioner (6 % der Unternehmen) eine Vorreiterrolle in Bezug auf Digitalisierung an. Der Digital Pioneer (8 % der Unternehmen) arbeitet aktiv an einer digitalen Transformation der Finanzkommunikation und hinterfragt grundlegend etablierte Prozesse – etwa durch eine automatisierte, personalisierte Kommunikation.
  • Landkarte der digitalen IR: Small- und Mid-Cap Unternehmen fokussieren vor allem darauf, die Pflichtkommunikation mittels digitaler Instrumente zu gewährleisten, während Large-Cap-Gesellschaften durch die Digitalisierung ihre Effizienz und Professionalisierung vorantreiben. Ein Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und der Entscheidung für eine Positionierungsstrategie besteht nicht, hier sind strategische Prioritäten der Unternehmens- und Abteilungsleitung ausschlaggebend. Die Klärung der personellen Verantwortlichkeiten für das Thema Digitalisierung ist verbunden mit einem höheren Grad der Digitalisierung der Finanzkommunikation.

Hoffmann Christian Prof Leipzig„Mit der Studie ist es uns gelungen, den aktuellen Stand der Digitalisierung der Investor Relations in Deutschland abzubilden und unterschiedliche Herangehensweisen im Umgang mit der Digitalisierung in der Finanzkommunikation zu identifizieren,“ sagt Christian Hoffmann (Foto), Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig und Akademischer Leiter des Center for Research in Financial Communication. „Noch steht in der Praxis die Pflichterfüllung an erster Stelle. Häufig fehlt ein Verständnis, wie die Digitalisierung die Finanzkommunikation verändern kann – und entsprechend die Priorisierung des Themas in der Abteilung. Es mangelt an Strategien, klaren Verantwortlichkeiten, Budgets und auch Kompetenzen.“

Bommer Kay Gf DIRKKay Bommer (Foto), Geschäftsführer des DIRK, ergänzt: „Die Studie ist ein idealer Ausgangspunkt für die Diskussion und weitere Digitalisierung der Finanzkommunikation in Deutschland. Die Forschung hält den deutschen Aktiengesellschaften einen Spiegel vor, und mahnt, wichtige Weichenstellungen nicht zu verschlafen. Das bietet einen Anreiz für uns, die Professionalisierung der Finanzkommunikation in Deutschland weiter voranzutreiben.“

Die vollständige Studie „Digital Leadership – Wie digital ist die Investor Relations in Deutschland?“ steht auf der DIRK-Website hier oder auf der CRiFC-Website hier zum Download bereit. Print-Exemplare können formlos per Mail an DIRK bestellt werden.