Personalien Kristal Davidson Menschenrechte sind kein moralisches Add-on
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- von Annett Bergk, Hamburg
Wenn Kristal Davidson über ihre neue Rolle spricht, klingt das nicht nach dem üblichen Antrittsinterview. Eher nach Überzeugung. Nach einem klaren Verständnis davon, was Kommunikation leisten muss – gerade jetzt und in diesem Jahr. Seit Mai verantwortet sie die Öffentlichkeitsarbeit am Deutschen Institut für Menschenrechte. Sie will nicht verwalten, sondern gestalten. Und sie bringt das nötige Handwerkszeug mit, um beides zu verbinden: strategische Kommunikation mit Haltung.
„Menschenrechte sind keine moralische Kür, sondern das Rückgrat unseres demokratischen Zusammenlebens. Wer sie als Bremse begreift, hat ihre Funktion nicht verstanden.“
Davidson weiß, wie stark Sprache Realitäten formt. Ihre eigene Biografie – mit Wurzeln in Nordirland, Schottland und England – hat ihr früh gezeigt, dass Menschenrechte kein abstraktes Konstrukt sind, sondern tief ins Leben eingreifen. Schon als Journalistin suchte sie die Geschichten, die mehr waren als aktuelle Meldung. Jetzt, als Kommunikationsleiterin, will sie diesen Blick auf das Wesentliche zum strategischen Prinzip machen: eine Sprache finden, die verständlich ist – ohne zu vereinfachen. Und die Klarheit schafft, auch wenn es unbequem wird.
Vom Redaktionsalltag zur strategischen Navigation
Davidson bringt dafür vielfältige Erfahrung mit – unter anderem von ARD, ZDF und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Sie kennt die Mechanismen journalistischer Arbeit ebenso wie die Anforderungen politischer Kommunikation. Diese Doppelperspektive sieht sie als Vorteil. „Ich verstehe, wie Journalist:innen denken, und ich weiß, wie Organisationen gut kommunizieren. Diese Übersetzungsleistung ist heute entscheidend.“
Und sie ist notwendig. Denn wer heute über Menschenrechte spricht, muss auch über ihre Instrumentalisierung reden: als vermeintliches Hindernis politischer Handlungsfähigkeit, als Projektionsfläche in Debatten, die längst polarisieren, bevor sie überhaupt begonnen haben. Davidson will hier gegensteuern. Nicht durch Lautstärke – sondern durch Substanz.
„Wir analysieren, wir ordnen ein, wir arbeiten evidenzbasiert. Das ist unser gesetzlicher Auftrag. Unsere Kommunikation ist kein Meinungsbeitrag, sondern das Ergebnis fundierter Forschung.“
Kommunikation mit Haltung – aber ohne moralischen Zeigefinger
Was sie antreibt, ist die Frage, wie man Menschenrechte so vermittelt, dass sie anschlussfähig bleiben – gerade auch außerhalb der Blase. Dabei sieht Davidson das Institut nicht als moralische Instanz, sondern als Impulsgeberin: streitbar, aber dialogbereit.
Sie will raus aus den gewohnten Räumen, rein in neue Diskurse. Die großen Digitalfestivals? Wichtig, aber allein nicht ausreichend, da stark konsensgetrieben. Gesellschaftliche Wirkung entsteht dort, wo Reibung möglich ist. Wo Zielgruppen erreicht werden, die bislang nicht zuhören (oder nicht zuhören wollen).
Ob TikTok & Co die richtigen Orte dafür sind, lässt sie offen. Viel wichtiger sei, das eigene kommunikative Repertoire konsequent weiterzuentwickeln – im Team, mit den Fachabteilungen, auf Basis von gemeinsamer Reflexion. „Es gibt keine Schablonen. Aber es gibt viele Fragen, die wir uns gemeinsam stellen müssen.“
Menschenrechte in die Lebensrealität übersetzen
Davidson selbst formuliert also keine konkreten Ziele, zu Beginn geht es für sie vor allem darum, das Haus kennenzulernen, zuzuhören und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie dort Kommunikation im Zusammenspiel mit Wissenschaft, Politik und Gesellschaft wirken kann. Dennoch zeichnet sich ein möglicher Weg ab: Weg von der Menschenrechtsrhetorik als Expertenthema hin zur Alltagsrelevanz. Das beginnt bei klassischen Themen wie Antidiskriminierung und endet nicht bei Fragen des Zugangs zu Wohnraum, Bildung oder zivilgesellschaftlichem Engagement.
Auch Themen wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder der Klimawandel gehören für Davidson klar in den menschenrechtlichen Kontext. Ihre Haltung: Menschenrechte sind kein Randthema, sie sind der Rahmen.
„Debatte ist gelebtes Menschenrecht. Unsere Aufgabe ist es, sie zu ermöglichen – nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch.“
Was andere lernen können
Davidson denkt Kommunikation nicht als Funktion, sondern als Verantwortung. Haltung zeigt sich für sie nicht allein in öffentlichen Positionen, sondern im täglichen Miteinander. Gerade die interne Kommunikation sieht sie dabei als Prüfstein: Wird hier übersetzt, zugehört, reflektiert? Oder nur gesendet?
Für Unternehmen und Organisationen formuliert sie eine klare Botschaft: Wertebasierte Kommunikation ist keine Option, sondern Grundvoraussetzung. Gerade auch für diejenigen, die sich als „politikfern“ verstehen.
„Gesellschaft findet längst in Organisationen statt. Wer sich nicht positioniert, wird trotzdem gelesen. Durch das, was nicht gesagt wird. Zugleich bietet der Begegnungsort Arbeitsplatz die Chance, an der gesellschaftlichen Stärkung der eigenen Werte mitzuwirken.“
Was bleibt, ist der Eindruck einer Kommunikatorin, die nicht nur Konzepte vorlegt, sondern an ihrer Aufgabe wächst. Die Brüche nicht scheut, sondern nutzt, um Relevanz zu schaffen. Und die Kommunikation versteht als das, was sie im besten Fall sein kann: ein Möglichkeitsraum für Haltung, Wandel und Verbindung.
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