Personalien CSD Berlin Schillernd demonstrieren, präzise kommunizieren
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- von Annett Bergk, Hamburg
Zum vierten Mal übernimmt Sandrina Koemm-Benson den Presselead des Berliner Christopher Street Day – ehrenamtlich. Sie koordiniert 450 Journalist:innen aus aller Welt, organisiert Medienzugänge, begleitet internationale Liveschalten und stellt sicher, dass politische Botschaften nicht unter Glitzer und guter Laune verschwinden. Ein Gespräch über mediale Widersprüche und unbezahltes Commitment, das versucht, krasse Budgetkürzungen abzufangen.

PR-Journal: Frau Koemm-Benson, in diesem Jahr verantworten Sie zum vierten Mal in Folge die Pressearbeit für den Berliner CSD. Was bedeutet diese Aufgabe für Sie?
Sandrina Koemm-Benson: Es ist und bleibt eine große Ehre. Der Berliner CSD gehört zu den zehn größten queeren Demonstrationen weltweit. Das ist nicht nur für Berlin bedeutend, sondern hat auch eine Leuchtturmwirkung für andere CSDs in Europa und darüber hinaus. In dieser Position mitzuwirken, ist für mich eine Bestätigung und ein klarer Auftrag: Wir wollen Sichtbarkeit, aber mit Haltung. Es geht nicht nur um bunte Bilder, sondern um politische Botschaften. Das zeigt auch das diesjährige Motto „Nie wieder still!“, das alle CSDs in Deutschland gemein haben.
Es geht nicht nur um bunte Bilder, sondern um politische Botschaften.
PR-Journal: Die Herausforderung dabei: Der Berliner CSD vereint politische Anliegen und Eventcharakter. Wie gehen Sie damit in der Kommunikation um?
Koemm-Benson: Indem ich immer wieder klar mache, worum es uns geht: Wir sind keine Parade, kein Umzug, keine Party. Wir sind eine politische Demonstration mit einem Forderungskatalog. Natürlich gibt es Musik, Trucks und eine positive Atmosphäre, aber die politische Botschaft steht im Zentrum. Ich bin da sehr genau, auch im Wording. Wenn es in Akkreditierungsanfragen oder Medienberichten in die falsche Richtung geht, greife ich ein. Ich werde zur Löwin, wenn es um Sprache geht.
PR-Journal: Aber wie gelingt es Ihnen, diese inhaltliche Linie über alle Kanäle hinweg durchzuziehen?
Koemm-Benson: Wir arbeiten mit einem stringenten Informationsfluss. Bereits bei der Akkreditierung liefern wir eine Wordinghilfe mit, die auch Begriffe enthält, die vermieden werden sollten. Wir weisen auf unsere Webseite hin, auf das Motto, auf zentrale Botschaften. Viele Medien halten sich inzwischen daran. Aber gerade bei großen Reichweitenformaten rutscht es doch immer wieder in eine oberflächliche Darstellung ab. Dann müssen wir nachjustieren.
Das Motto des CSD 2025 lautet "Nie wieder still!". Damit möchten die Veranstalter:innen sich klar gegen Diskriminierung und für den Schutz queerer Rechte positionieren. (Grafik: CSD Deutschland e.V.)
PR-Journal: Wie bereiten Sie sich auf ein Event dieser Größenordnung vor?
Koemm-Benson: Mit einem klaren Plan. (lacht) Und körperliche Vorbereitung ist wichtig. Ich weiß, dass ich am Tag der Demo weite Strecken zurücklege. Letztes Jahr waren es 22 Kilometer in 28 Stunden. Deshalb starte ich Wochen vorher mit gezieltem Training, achte auf meine Ernährung, halte mich fit. Denn: Es gibt kaum Schlaf. Wir sind auf Abruf, reagieren auf Anfragen aus aller Welt, oft in unterschiedlichen Zeitzonen. Es kommen rund 450 akkreditierte Journalist:innen. Ich beantworte deren Anfragen oft mehrfach und immer individuell.
PR-Journal: Und am Tag selbst?
Koemm-Benson: Beginnt alles gegen sechs Uhr. Sieben Uhr bin ich am Brandenburger Tor zur Einweisung meines Teams. Danach geht’s weiter zur Leipziger Straße, wo die Demo startet. 8:30 Uhr startet das erste TV-Interview, oft live. Wir haben internationale Schalten, beispielsweise nach Mexiko, Peru oder in die USA. Auf der Strecke selbst wird live übertragen, unter anderem von ARD, ZDF und rbb. Dazu kommen unzählige Creator:innen, Printmedien, Radiosender. Wir dokumentieren alles und wissen genau, wer wann wo ist. Wir geben Zwischenergebnisse an die Presse, organisieren Fotozugänge, und erstellen in der Nacht nach der Demo die Meldung für die dpa. Mit Bildauswahl aus rund 2.000 Fotos, die unsere offiziellen Fotograf:innen gemacht haben. Auch kommen Künstler:innen und eingeladene Gäste häufig zu uns ins Pressezelt, weil sie sich verlaufen haben. (lacht) Dann helfen wir natürlich und halten gleichzeitig den Kontakt zur Bühne. Zudem bin ich dafür zuständig, die Statements der wichtigen politischen Redner:innen der Eröffnung und auf der Abschlusskundgebung im Vorfeld zu koordinieren.
PR-Journal: Wie beeinflussen die Budgetkürzungen Ihre Arbeit?
Koemm-Benson: Die Finanzierung ist in diesem Jahr tatsächlich schwieriger als sonst. Rund 200.000 Euro an Sponsorengeldern sind weggebrochen. Ich arbeite komplett ehrenamtlich und mein Team besteht aus wenigen Leuten, die ich selbst finanziere. Auch meine Taxifahrt um drei Uhr nachts zahle ich aus eigener Tasche. Aber das ändert nichts an meinem Anspruch. Wir liefern professionelle Kommunikation, unabhängig von der Größe des Budgets. Ich arbeite für den Berliner CSD e. V. aus Überzeugung und weil ich etwas bewegen möchte durch meine Arbeit. Geld war hier für mich noch nie der ausschlaggebende Faktor.
Rund 200.000 Euro an Sponsorengeldern sind weggebrochen.
PR-Journal: Nun müssen wir auch über den internationalen Kontext sprechen.
Koemm-Benson: Ja, das hängt zusammen. Der Berliner CSD ist weltweit vernetzt. Letztes Jahr war der Budapest Pride bei uns zu Gast und in diesem Jahr dürfen die Menschen in Ungarn unter Androhung von Haft- und Geldstrafen nicht mehr demonstrieren. Blicken wir auf die USA erreichen uns ähnliche Meldungen. Auch das gehört zur Kommunikation: Wir zeigen, was möglich ist, und wo es Rückschritte gibt. Daher ist es umso wichtiger, dass der CSD Berlin ein klares politisches Signal sendet.
PR-Journal: Was wünschen Sie sich für den diesjährigen CSD – kommunikativ und ganz persönlich?
Koemm-Benson: Kommunikativ wünsche ich mir, dass unsere Botschaften ankommen. Vor allem politisch. Dass unsere Forderungen wirklich gehört und umgesetzt werden. Und persönlich hoffe ich, dass alles gut verläuft. Dass ich die Nummer des Polizeichefs nicht wählen muss. Und dass es trocken bleibt. Nicht wegen der Schminke – die verläuft eh irgendwann – sondern wegen der Technik und Sicherheit aller Beteiligten sowie der Teilnehmer:innen.
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