Verbände DPRG Zukunftsforum 2019: Erreichen wir uns noch?
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- von Julia Dietlmeier, Leipzig
Das Smartphone haben wir ständig in der Hand, bei Konferenzen twittern wir, was das Zeug hält. Eine Nachricht nach der anderen wird in den Kosmos unserer selbst geschaffenen digitalen Umwelt geschossen. Aber führt immer mehr Kommunikation auch zu einem besseren Verständnis? Erreichen wir uns damit noch? Welche Folgen sind für die Gesellschaft zu beobachten? Das Thema „Kommunikation und gesellschaftlicher Zusammenhalt“ beschäftigte die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des DPRG-Zukunftsforums 2019, das vom 24. bis 25. Juni in Hamburg stattfand.
Droht eine Gesellschaft, die geprägt ist von Veränderungen, politischen Unwägbarkeiten und steigendem Populismus an dieser Unterschiedlichkeit zu zerbrechen? „Kommunikation muss ihren Beitrag leisten, damit dies nicht geschieht.“ Dessen ist sich Stefan Hencke, Mitglied im Bundesvorstand der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG), sicher. Ein schwieriges Thema, das sich die DPRG für das Zukunftsforum ausgesucht hat. Gernoth Barth, Konfliktberater und Mediator, stellt in seiner Keynote die These auf: Deutschland befindet sich bereits in einem hocheskalierten Zustand. Diskussionen werden auf Beziehungsebene und nicht mehr auf der Sachebene geführt. Es besteht keine Bereitschaft sich auf die Meinung anderer einzulassen, wodurch gegenseitiges Verständnis unmöglich wird.
Starke Themen prägen Diskussionen
An der Stimmung merkt man, dass es sich um ein Thema handelt, über das vielschichtig diskutiert werden kann. Die Frage ist nur, ob man zu einer Antwort kommen wird. Versucht wurde das in den Sessions, die sowohl am Montag als auch am Dienstag abgehalten wurden. Nach dem BarCamp-Prinzip konnten Teilnehmende Themen vorschlagen, die sie in 45 Minuten mit allen Interessierten diskutieren konnten. Themen wie Diversity in der Kommunikation und Social Purpose orientierten sich nah am übergeordneten Thema und halfen bei der Einordnung.
Mirko Kaminski, Gründer und CEO von achtung!, thematisiert in seiner Session unter dem Titel „Make them stop scrolling“ wie Inhalte gestaltet werden müssen, damit sie vom Konsumenten wahrgenommen und nicht in der Informationsflut übersehen werden. Dabei verdeutlicht er an Beispielen der diesjährigen Cannes Lions Gewinner, dass richtig starke PR heutzutage nur mit den Mitteln des Marketings funktioniert und Kommunikatorinnen und Kommunikatoren mit offenen, wachen Augen aus den Stärken anderer Bereiche schöpfen sollen.
Session-Planung mit (v. r.) Mirko Kaminski, Sascha Stoltenow, Hendrik Schulze van Loon und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. (© Marco Drews)
Andere Themen wie Change Kommunikation und CEO-Positionierung spiegelten die aktuellen Trends der Branche wider. „Ich war überrascht, wie viele der Referenten beim Dachthema des BarCamps ‚gesellschaftlicher Zusammenhalt‘ ins Schleudern gekommen sind. Nicht selten wurden wirtschaftliche Zwänge als Entschuldigung vorgebracht, keine klare Position beziehen zu können. Dabei ist es doch ganz einfach: Haltung ist es genau dann, wenn es wehtut. Alles andere ist Wegducken und Ausweichen“, zieht der Inhaber der Agentur Fassbender SportsCom Gregor Faßbender-Menzel sein Fazit. Auch Sybille Höhne, Mitglied des Bundesvorstands der DPRG, nimmt die Unternehmen in die Pflicht: „Gesellschaftliche Verantwortung kann nicht aus den Unternehmen rausgehalten werden. Nicht nur der ökonomische Erfolg zählt. Unternehmen müssen sich positionieren und sich auch gesellschaftspolitischen Fragen stellen.“ Dass Kommunikatoren der gesellschaftliche Zusammenhalt beschäftige, sei in den Sessions des BarCamps deutlich geworden.
Zusammenhalt beim Zukunftsforum funktioniert
Diese spannenden ersten Impulse sorgten auch am Abend noch für genügend Gesprächsstoff. Die Agentur RaikeSchwertner lud die Teilnehmer ein, per Barkasse über die Alster zum abendlichen Get-Together beim Hamburger Traditionsunternehmen Hapag-Lloyd zu fahren. Hier konnten sich langjährige DPRG-Mitglieder, Kommunikatorinnen und Kommunikatoren aus Agenturen und Unternehmen und der Kommunikationsnachwuchs über ihre Vorstellungen von gelungener Kommunikation austauschen. Der am Tage kontrovers diskutierte Zusammenhalt, war hier deutlich spürbar. Sybille Höhne freut sich, dass besonders der „Netzwerkgedanke“ des Zukunftsforums immer besser funktioniert.
Spiegel der Gesellschaft oder Brandbeschleuniger?
Für Diskussionsstoff sorgt am zweiten Tag des Zukunftsforums Klaus Gorny, Head of Corporate Communications von Facebook Deutschland, bei seiner Session zum Umgang mit veränderter Meinungsbildung bei Facebook. Während die Plattform sich selbst als „Spiegel der Gesellschaft“ betrachtet, sehen viele Teilnehmende des Zukunftsforums Facebook vielmehr als „Brandbeschleuniger“ in politischen Debatten. Das Netzwerk sei eine Plattform, die derzeit insbesondere von radikalen Gruppen zu ihrem eigenen Nutzen verwendet werde. Auf diese schwierigen Fragen nach der gesellschaftlichen Verantwortung von Facebook hat Gorny leider keine Antwort parat. Ihm sei aber bewusst, dass Facebook einige Debatten zu spät hat kommen sehen und hier noch Handlungsbedarf ihrerseits besteht.
Hands on: Praktischer Einblick in den Workshops
Neben weiteren BarCamps und Keynotes wurden am zweiten Tag des DPRG Zukunftsforums vier Workshopthemen angeboten.
Thema 1: Instagram – 500 Millionen aktive Nutzer pro Tag, zehnmal mehr Engagement als auf Facebook, 80 Prozent der User folgen Marken. Hannah Grempe, Director Social Media bei fischerappelt, ist klar, dass für Unternehmen oft kein Weg mehr an Instagram vorbeiführt. Entscheidend ist dabei jedoch nicht nur dass, sondern vor allem wie die Seite bespielt wird. „Content muss im Idealfall für jede Plattform gesondert generiert werden”, so Grempe.
Thema 2: Interne Kommunikation – “Angst erzeugt Widerstand”, betont Andrea Montua, Inhaberin der Montua Communications GmbH in Hamburg. Angst vor Veränderungen lähmt die Leistungsfähigkeit und ist mehr als nur ein lästiges Dagegenhalten von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Die Teilnehmer des Workshops diskutierten wie durch interne Kommunikation Veränderungsprozesse in Unternehmen gestaltet werden können. Klar wurde vor allem: Wenn die Führungsetage nicht mitspielt, ist ein Change-Prozess kaum möglich. Dafür braucht es vor allem Zeit und Ressourcen.
Thema 3: Kommunikationscontrolling – Nadin Ernst, Managing Director bei buchele cc, und Jule Lieber, Senior Consultant und Head of Communication Management, zeigten anhand der Kampagne #unfollowme und der Kampagne zur Europawahl wie man Kommunikations-Controlling in der Praxis richtig umsetzt. Dabei geht es vor allem darum, Schritt für Schritt Ziele zu definieren und in die richtigen Kennzahlen zu übersetzen, um die Zielgruppe mit geeigneten Kanälen optimal zu erreichen.
Thema 4: Reden schreiben – Markus Franz weiß wie es geht und empfiehlt stets auf Individualität und Kreativität zu setzen. Rednerinnen und Redner sind häufig viel zu sehr damit beschäftigt, den elitären Ansprüchen der Gesellschaft zu genügen. Doch darum geht es nicht. Auf Wirkung kommt es an – und dafür braucht es vor allem eines: Verständlichkeit.
Auch wenn das Thema des DPRG Zukunftsforums 2019 schwer zu greifen war, wurden in den Sessions und Workshops wichtige Impulse geliefert. Mindestens in einer Sache sind sich die Teilnehmer einig: Kommunikation ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unabdingbar. Dem eskalierenden Zustand wie er am Anfang postuliert wurde, muss unbedingt aktiv entgegengewirkt werden. Dazu ist es notwendig, Anspruchsgruppen zu verstehen und ihnen zuzuhören. Unternehmen müssen sich ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung stellen. Das ist sicher nicht immer leicht, aber dringend erforderlich. Es muss noch viel passieren, doch lässt sich zumindest schon festhalten: Der Wille und auch erste Lösungsansätze sind bereits vorhanden.
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