Eine Erhöhung der Rundfunkgebühr nach elf Jahren um 86 Cent war ein Grund für die Krise in Sachsen-Anhalt, aber nicht die eigentliche Ursache.

Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen: Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), hat dafür gesorgt, dass in Magdeburg nicht über den neuen Rundfunkstaatsvertrag abgestimmt werden kann. Er hat die Vorlage der Landesregierung für die Sitzung des Magdeburger Landtags zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags von der Tagesordnung genommen. Die Koalition aus CDU, SPD und Grünen hat er damit zwar (vorübergehend) vor dem Aus bewahrt. Doch der Rundfunkstaatsbetrag kann dadurch nicht bis zum Ende des Jahres ratifiziert werden. Der medienpolitische Schaden wird von Experten für groß gehalten. Der politische Schaden ist möglicherweise noch größer.

Nachdem alle anderen Bundesländer ihre Zustimmung zum neuen Rundfunkbetrag gegeben hatten, war Sachsen-Anhalt das letzte Bundesland, das abstimmen sollte. Die Zustimmung wurde allgemein erwartet, bis es in Magdeburg vor rund einer Woche zum Eklat kam. Die CDU-Fraktion im Landtag wollte gemeinsam mit der AfD gegen die Erhöhung stimmen. Die Koalitionspartner der CDU waren brüskiert, die Koalition mit SPD und Grünen stand vor dem Aus. Die große Unzufriedenheit in weiten Teilen der CDU in Sachsen-Anhalt über die Ausrichtung der öffentlich-rechtlichen Medien war die Ursache, die Erhöhung um 86 Cent wurde als Grund vorgeschoben. Für die AfD war es ein gefundenes Fressen, die CDU am Nasenring durch Manege zu führen.

Klagen sind vorprogrammiert

Nebenbei bemerkt: Die monatlich 86 Cent mehr war die erste "Erhöhung" seit elf Jahren und wurde unabhängig extra von der dafür zuständigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ohne politischen Einfluss ermittelt.

Nachdem nun feststeht, dass in Sachen-Anhalt nicht abgestimmt wird, haben einige Bundesländer und auch einige öffentlich-rechtliche Sender Klagen gegen diese Entscheidung angekündigt. Das Deutschlandradio wird als erste Anstalt eine Verfassungsbeschwerde einreichen, denn eine bedarfsgerechte Finanzierung sei ab 2021 nicht mehr gesichert.

"Offenbarungseid auf dem Rücken Tausender Journalistinnen und Journalisten"

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, kritisierte die Entscheidung Haseloffs: „Der Ministerpräsident und die ihn stützende Koalition in Magdeburg mogeln sich aus der medienpolitischen Verantwortung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“ Komme es zu keiner Zustimmung des Landtags von Sachsen-Anhalt, werde es keine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent zum 1. Januar 2021 in ganz Deutschland geben. „Das ist ein politischer Offenbarungseid auf dem Rücken Tausender Journalistinnen und Journalisten in den Sendern.“

Der DJV-Vorsitzende appelliert an die Intendanten der Sendeanstalten, unverzüglich Verfassungsklage einzureichen. Der Mitteldeutsche Rundfunk hatte entsprechende Schritte bereits am Montag angekündigt.

Politischer Triumpf für die AfD

Über den medienpolitischen Schaden hinaus dürfte der politische Schaden noch größer sein. Der „Spiegel“ kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die CDU die Steigbügel gehalten habe für den bislang größten politischen Triumph der AfD. Und auch die öffentlich-rechtlichen Sender selbst hätten es versäumt, ihr Publikum inhaltlich zu überzeugen. „Spiegel“-Kommentator Markus Brauck verweist darauf, dass die öffentlich-rechtlichen Sender seit Jahren aufkommende Kritik an ihnen nicht überzeugend zurückgewiesen hätten. Es sei ihnen nicht gelungen, Fragen zu beantworten, warum es sie gebe, wozu man sie heute noch brauche oder was der Kern ihres Auftrags sei.

Brauck schreibt wörtlich: „Selbst jetzt, da jene gefährliche Allianz aus CDU und AfD droht, schweigen die Intendantinnen und Intendanten. Statt Leidenschaft für die gute eigene Sache zu zeigen, verweisen sie bloß darauf, dass das Karlsruher Gericht auf ihrer Seite stehe.“

Lautes Schweigen der Bundes-CDU

Schon in den vergangenen Tagen ist darüber hinaus das laute Schweigen der Bundes-CDU kritisiert worden. Nachdem sich die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer im Februar 2020 im Zusammenhang mit der damals anstehenden Wahl eines neuen Ministerpräsidenten in Thüringen mit der CDU-Landtagsfraktion angelegt hatte, hielt sie sich jetzt auffallend zurück. Damals war es ihr nicht gelungen, den Thüringer CDU-Landesverband auf ihre Linie zu bringen. Jetzt wollte sie offensichtlich eine Trotzreaktion des CDU-Landesverbandes in Sachsen-Anhalt vermeiden. Am vergangenen Freitag meldete sie sich dann zu Wort, um Ministerpräsident Haseloff den Rücken zu stärken.


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