Branche Von Tools zu Transformation  Wir müssen (endlich) über Strukturen sprechen 

Künstliche Intelligenz ist Realität. Die Frage ist also nicht, ob wir sie einsetzen, sondern wie wir sie wirklich in die Organisation bekommen. Das wird auch auf der diesjährigen CommTech Academy Summer School am 9. Juli in Hamburg deutlich. Zwischen Panels, Präsentationen und Praxisbeispielen aus Unternehmen wie Audi, Panasonic oder der Bundesdruckerei zeigt sich: Die Tools sind da. Der Wille vieler auch. Was fehlt, sind die strukturelle Verankerung und ein realitätsnaher Umgang mit der Lücke zwischen Anspruch und Alltag.

Rund 150 Kommunikator:innen kamen auf den Otto Group Campus in Hamburg, um den Einsatz von KI in Kommunikationsstrukturen und -prozessen zu diskutieren. (Foto: Otto Group)

Was bringen all die Skills, wenn die DNA nicht mitzieht?

„Wir müssen in einen iterativen Lernprozess kommen“, sagt Annette Siragusano, Group Division Manager Corporate Communication der Otto Group, gleich zu Beginn und liefert damit das inoffizielle Motto des Tages. Denn so sehr sich alles um GenAI, Effizienz und Automatisierung dreht: Es geht nicht (mehr) nur um Skills. Es geht um Organisationen, die KI nicht als Add-on begreifen, sondern in ihre Kultur und Prozesse einweben. Es geht um eine neue Haltung und um das Aufbrechen der internen Kluft zwischen IT, Kommunikation und Führung.

Margarita Lindahl, Head of AI bei Panasonic stellt dazu eine provokante Frage: „Wie können alle Mitarbeitende einen eigenen KI-Agenten bekommen und wie müssen wir Organisationen strukturieren, damit das möglich ist?“ Das klingt weniger nach Tool-Auswahl und mehr nach echtem Umbau.

„Es heißt Copilot, nicht Autopilot“, erinnert André Pechmann, Director Communications bei Microsoft. Und viele stimmen nickend zu. KI übernimmt nicht. KI unterstützt. Dass ausgerechnet der Tech-Riese hier auf Augenhöhe argumentiert, ist bemerkenswert, passt aber zum Tenor des Tages: Die Zukunft der Kommunikation wird nicht „automatisch“ besser, sie wird nur dann besser, wenn wir sie gemeinsam mit den Menschen gestalten.

Dazu gehört auch, ehrlich hinzusehen: Wie realistisch ist die vielbeschworene Datenkompetenz eigentlich? Und wie steht es um die Bereitschaft zur Veränderung, jenseits von Lippenbekenntnissen?

Zwischen Content-Hub und KI-Klippe

Dass Content-Produktion mit KI effizienter wird, steht außer Frage. Quantitätssteigerung? Check. Doch wie steht es um die Qualitätsverbesserung? Kommunikation lebt von Einordnung, Kontext und Empathie. Dafür braucht es Menschen, die eben nicht nur prompten, sondern auch bewerten, priorisieren und strukturieren.

Sebastian Ackermann, Bereichsleiter Kommunikation & Marke bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, warnt: „Es wird überschätzt, was kontextfrei produziert wird und unterschätzt, was bisher in der Kommunikation geleistet wurde.“ Wer den KI-Hype nutzt, um menschliche Fähigkeiten zu entwerten, verkennt den Kern des Berufs.

Besonders deutlich wird der Gap zwischen Anspruch und Umsetzung in den Pausen, in denen sich die Diskussion um stille Barrieren dreht. Nach außen Zustimmung, intern Skepsis. Fachbereiche, die ausgebremst werden. Führungskräfte, die KI zwar befürworten, aber nicht einbetten. Es fehlt an Transferleistung.

Was hilft? Zuhören. Und zwar nicht nur den Trend-Reports, sondern den eigenen Leuten: Wo sind ihre Pain Points? Wie sieht ihre Arbeitsrealität aus? Wenn Kommunikation in Unternehmen wirklich transformiert werden soll, reicht es nicht, ein Prompting-Battle im Intranet zu veranstalten. Dann müssen Silos fallen, Machtfragen gestellt und eben Arbeitsrealitäten ernst genommen werden. 

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