Branche Krisenkommunikationsgipfel 2025: Von Mäusefallen und KI

Faszinierend, inspirierend und in Teilen auch erschreckend. Der vom Krisennavigator, dem Institut für Krisenforschung Kiel, organisierte 37. Krisenkommunikationsgipfel in Leipzig hatte von allem etwas zu bieten. Im Mittelpunkt: Krisen ganz unterschiedlicher Art. Insgesamt 14 Expertinnen und Experten hatte Frank Roselieb, geschäftsführender Direktor des Krisennavigator, geladen, um ihre Erfahrungen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu teilen.

Der Austausch unter Fachleuten stand beim Krisenkommunikationsgipfel 2025 in Leipzig erneut im Mittelpunkt. (Foto: Phil Stephan)

Richard Tigges hat sicherlich schon angenehmere Gespräche geführt. Denn sein telefonisches Gegenüber, ein Journalist, bleibt hartnäckig. Ob es denn nicht doch ein Sicherheitsproblem bei Audi gegeben habe. Immerhin habe es ja eine Explosion im Ingolstädter Werk gegeben.

Tigges, seines Zeichens Direktor Globale Strategische Kommunikation der Audi AG in Ingolstadt, antwortet routiniert. Nein, die Explosion war nicht fremdverschuldet. Nein, es gab keinen Personenschaden. Vielmehr ging es um die Durchführung einer kontrollierten Sprengung einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg, die auf dem Werksgelände gefunden wurde. Dennoch: Der Journalist bleibt beharrlich – und lässt den Kommunikationsprofi erst vom Haken, nachdem dieser zugesichert hat, ihm auch die Ablaufpläne für solche Fälle zu schicken. Danach kann Tigges wieder aufatmen.

KI als Sparringspartner in der Krisenkommunikation

Das Besondere dabei: Fast nichts davon ist real. Weder die Explosion in Ingolstadt noch der Redakteur. Vielmehr spricht Tigges an diesem Mittwochvormittag mit einer KI. Die hat er zuvor lediglich mit den Worten „Explosion im Audi-Werk Ingolstadt“ gefüttert. Heraus kommt ein handfestes Krisenszenario, mit dem die Kommunikationsexperten von Audi den Notfall üben können – inklusive Presseberichten zu dem Vorfall, Social-Media-Posts und etwaigen Journalistenanfragen. Auf Knopfdruck können diese angerufen werden – und dann geht es für den Anrufer in die Bütt.

Nicht das einzige Beispiel, bei dem Tigges und sein Team KI im Alltag einsetzen. Die Erzeugung von Kernbotschaften? In Teilen ebenfalls KI-Sache. Sie durchforstet bisherige Artikel des Unternehmens und extrahiert mögliche Botschaften, die von der Kommunikation anschließend geprüft werden. Hier sieht Tigges auch eine Kernaufgabe im Umgang mit KI. „Die inhaltliche Kreation wird zunehmend von KI übernommen. Aber es bleibt die Aufgabe der Kommunikationsexperten, diese zu bewerten“, so Tigges.

Starkes Rednerprogramm

Der Umgang mit KI war während des diesjährigen Krisenkommunikationsgipfels nur ein Teil des Programms. Insgesamt 14 Expertinnen hatte „Zeremonienmeister“ Frank Roselieb, geschäftsführender Direktor des Krisennavigator, geladen, um ihre Erfahrungen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu teilen. Anhand von fünf Themenkategorien (Krisenkommunikation und Resilienz, Krisenkommunikation und Reputation, Krisenkommunikation und Medien, Krisenkommunikation und Zukunftsoptimismus sowie Krisenkommunikation und Kritische Infrastruktur) gaben sie Einblicke in ihre Arbeit. Mit dabei waren unter anderem Vertreter des Klinikums Ernst von Bergmann in Potsdam, von Femern A/S in Deutschland, von der Sozietät GvW Graf von Westphalen in Hamburg sowie von den Berliner Wasserbetrieben. Insgesamt 120 interessierte Zuschauerinnen hatten sich dazu – digital oder in Präsenz – im Leipziger Kubus im Helmholtz-Zentrum eingefunden.

Mit Mäusefallen zur Meldekette

Um den Ablauf einer Krise zu demonstrieren, benötigt es jedoch nicht zwangsweise digitale Unterstützung. Manchmal reichen bereits ein paar Mäusefallen, um zu demonstrieren, wie gut oder schlecht Mechanismen funktionieren. Das verdeutlichte Thomas Theisejans. Der Chief Expert IT-Notfallmanagement und Deputy Chief Information Security Officer der Deutschen Bahn AG in Berlin stattete einige der Kongressteilnehmer mit einer solchen aus. Diese waren zusätzlich mit einem Tischtennisball bestückt, der als „Problemfall“ fungierte.

Die Aufgabe der Teilnehmer: den Federmechanismus der Mausefalle betätigen und so die Tischtennisbälle mitten unter die anderen Teilnehmer zu schleudern. Deren Aufgabe wiederum: Jedes „Problem“ schnellstmöglich an den dafür zuständigen Teilnehmer zurückzuschicken, damit dieser es lösen kann. Eine im Prinzip leichte Aufgabe. Dass es dennoch nicht jedes Problem schaffte, zügig zu dem vorgesehenen Ansprechpartner zu gelangen, verdeutlichte die Aufforderung Theisejans, dass es in einer Krise wirkungsvolle Meldeketten braucht –auch in der IT.

Reputationsbemühungen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks

Deutlich ernster wurde es bei dem Vortrag von Michael Naumann. Der Hauptabteilungsleiter Kommunikation und Dialog sowie Unternehmenssprecher des Mitteldeutschen Rundfunks in Leipzig führte im Rahmen seines Vortrags durch die zahlreichen Hürden, denen sich der MDR hinsichtlich seiner Berichterstattung ausgesetzt sieht.

Besonders problematisch: die zunehmende Verunglimpfung der Medien als „Lügenpresse“ und die daraus resultierenden aggressiven Anfeindungen der MDR-Medienschaffenden. Ein Resultat davon: Berichterstattungen von Demonstrationen funktionieren nur noch mit Sicherheitskräften, die den Journalisten zu ihrem eigenen Schutz an die Seite gestellt werden. Ebenfalls erschreckend: Aufgrund der Anfeindungen in den sozialen Medien erhalten die Mitarbeiter des Community-Managements Supervisionsangebote, um damit fertigzuwerden. Um hier für mehr Anbindung der Zuschauer zu sorgen, unternimmt der MDR zahlreiche Anstrengungen – angefangen von Dialogangeboten vor Ort über eine eigene Korrekturseite bis hin zum Einladen der Bürger in die Redaktionen.

Klare Zuständigkeiten ein Muss

Neben Naumann kennt sich auch ein weiterer in Leipzig ansässiger Experte mit Krisen aus. Als Sprecher der Polizeidirektion Leipzig führte Olaf Hoppe die Kongressteilnehmer durch den Alltag der Polizei. Sein Appell: In der Krise benötigt es Schnelligkeit – und eine Struktur, die diese ermöglicht. So werden 95 Prozent der bei der Polizeidirektion Leipzig eingehenden Anfragen direkt vom Polizeisprecher freigegeben. Lediglich bei den fehlenden fünf Prozent wird die Freigabekaskade um weitere Ansprechpartner erweitert. Ebenso beeindruckend: Dank klarer Informationsbeschaffung können viele Vorkommnisse, bei denen Kommunikation nötig ist, von nur einer Person gehandhabt werden. Auch bei dem Umgang mit Fehlern in der Kommunikation hat Hoppe eine klare Meinung. „Fehler zu machen ist normal. Entscheidend ist, dass man daraus lernt.“

Empfehlungen für die Politik

Auch 2025 ein Highlight: die Podiumsdiskussion des Krisenkommunikationsgipfels. An dieser nahmen in diesem Jahr Tabea Köbsch, Leiterin der Stabsstelle für Kommunikation und Koordination der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Dresden, Ralph Schreiber, Regierungssprecher des Freistaates Sachsen in Dresden, Utz Brömmekamp, Geschäftsführender Gesellschafter der plenovia GmbH in Düsseldorf, sowie Immo Fritsche, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Leipzig, teil.

Das Plenum selbst wartete naturgemäß mit einem aktuellen, aber auch kontroversen Thema auf – insbesondere dann, wenn man sich in der Rolle des Bundeskanzlers wiederfindet, wie im Falle von Brömmerkamp. Der wusste sich auf die Frage von Roselieb, was er in der Situation machen würde, jedoch zu helfen. Sein Rat für den Anfang: unverbrauchte Akteure ins Spiel bringen, die Zuversicht versprühen und so für Aufbruchsstimmung sorgen. Ob dieser Rat von der baldigen Regierung umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Kommunikation für das Tierwohl

Dass es nach wie vor nicht ohne die Grundlagen der Krisenkommunikation geht, verdeutlicht Knut Tondera, Vice President Corporate Audit der Fressnapf Holding SE in Krefeld. Er weiß aus unzähligen Erlebnissen: Nuancen reichen bereits, um aus einem Problem eine handfeste Krise zu machen. Und dann muss es schnell gehen. Bei dem dann aktiv werdenden Krisenstab rät er zu schlanken Strukturen inklusive der klassischen Rollenverteilung, die neben der kommunikativen unter anderem auch die rechtliche Beratung miteinbezieht. Eine weitere aus seiner Sicht wichtige Herangehensweise in der Krisenkommunikation: die Null-Toleranz-Politik. Ein Züchter von Nagern, der von einer Tierschutzorganisation überführt wird, wie er diese schlägt? Aus Kommunikationssicht nicht tolerierbar. Die Trennung von dem Unternehmen erfolgt entsprechend sofort, um Reputationsschäden zu vermeiden.

2026 heißt es „Moin“

Der diesjährige Krisenkommunikationsgipfel machte deutlich, dass Krisenkommunikation nach wie vor von Schnelligkeit, schlanken Strukturen und guter Vorbereitung lebt. Gleichzeitig zeigte sich, dass insbesondere mit dem Einzug von KI in die Welt der Medienschaffenden ein neuer Faktor entsteht, der bei der Krisenkommunikation – sei es bei der Prävention oder bei der eigentlichen Umsetzung – zu berücksichtigen ist. Ebenso wurde deutlich, wie wertvoll der fachliche Austausch in diesem Bereich unter Expertinnen und Experten sein kann. Die nächste Gelegenheit dazu bietet der 38. Krisenkommunikationsgipfel, der im März 2026 in Hamburg stattfinden wird.

Über den Autor: Phil Stephan verantwortet als Senior PR Manager die Kommunikation der Droniq GmbH in Frankfurt am Main. Als freier Mitarbeiter der „PR-Journal“-Redaktion hat er bereits 2023 und 2024 von den Krisenkommunikationsgipfeln in Köln und München berichtet.

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