Ergänzend zum Beitrag "Ein Ex-HVA-Offizier besorgte ein Verlegerdossier ..." vom 16. Dezember hat der Meister des investigativen Journalismus Hans Leyendecker am Tag darauf nochmal "nachgelegt". Auch dieses "Dokument" wollen wir Ihnen nicht vorenthalten.

von Hans Leyendecker, erschienen am 17. Dezember 2004 in der "Süddeutschen Zeitung"

Im vorigen Jahr kam ein böser Verdacht auf: Hatte der Undercover-Journalist André Plath im Auftrag einer Berliner Beratungsfirma oder sogar auf Order von Beschäftigten der Deutschen Post AG Material über angebliche Scientology-Verbindungen des Post-Rivalen United Parcel Service (UPS) zusammengestellt? UPS musste sich über Monate erbittert gegen den Vorwurf wehren, mit der Sekte eng in Verbindung zu stehen.


Die alte Geschichte, zu der damals die Beteiligten keine erhellenden Antworten gaben, bekommt neuen Schwung. Im Zusammenhang mit der Zivilklage des einstigen Stasi-Offiziers Günther Bohnsack gegen den früheren Post-Kommunikationschef Gert Schukies wurde bekannt, dass zwischen dem im April 2003 aus dem Konzern geschiedenen Schukies und Plath eine vertrauliche, langjährige "Arbeitsbeziehung" bestanden hatte. "Je nach Auftrag", ließ Schukies vortragen, sei Plath, "tätigkeits - und erfolgsbezogen entlohnt" worden. Plath ließ erklären, es habe zu Schukies, der heute Unternehmensberater ist, ein "längeres direktes und auch indirektes Auftragsverhältnis bestanden". Die Bezahlung sei nicht nur im Erfolgsfall erfolgt. Die "publizistische Auswertung" wie die "Herstellung von Kontakten zu Zeitungen oder Nachrichtenmagazinen" sei Aufgabe von Schukies gewesen.

Übersetzt heißt das: Ein sehr freier Journalist arbeitet inkognito für einen hochrangigen PR-Manager. Firmenkonkurrenten oder Gegner des Managers werden ins Zwielicht gebracht - und das Ergebnis der Zusammenarbeit soll eine Enthüllung in den Medien sein. In dem vor Gericht anhängigen Fall hatte Bohnsack als Helfer von Plath und im Auftrag von Schukies belastendes Material über den österreichischen Verleger Johann Oberauer gesucht, weil sich Schukies über den Salzburger geärgert hatte. Er fand das gelieferte Material allerdings nicht ausreichend. Plaths und Bohnsacks Belege über eine angebliche Stasi-Verbindung von Oberauer seien nicht "hieb- und stichfest". Der "hohe Qualitätsstandard hinsichtlich der Veröffentlichung in einer renommierten Zeitung" sei nicht erfüllt worden.


Dass PR-Chefs großer Firmen sich durch journalistische Undercover-Aktionen Vorteile verschaffen wollen, soll nach Angaben von Insidern zwar kein übliches, aber auch kein ganz seltenes Verfahren sein. Bezahlt wurde meist über Agenturen, die im Gegenzug eine Rechnung erhöhen dürften: "Rechnen wir ein Litho mehr", soll der gängige Spruch sein. Der frühere VW-Kommunikationschef Klaus Kocks beschreibt die Usancen im Mediengeschäft so: "Nicht, ob die Quelle sauber, sondern ob die Geschichte dreckig genug ist, ist denen wichtig."

Diesen Artikel veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung des Autors Hans Leyendecker.


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