Maria Große Böckmann und Andres Backmeier

Maria Große Böckmann und Andres Backmeier

Eine nichtrepräsentative Befragung unter 50 Geschäftsführern deutscher Mittelständler: Digitalisierungsdefizit erforderte neue Formate der internen Kommunikation / Veränderte Sicht auf Dienstreisen und Homeoffice / Kommunikation wird zum Seismograf für Zukunftsthemen.
Die Corona-Pandemie hat nicht nur das private und öffentliche Leben, sondern auch die Unternehmenskommunikation maßgeblich verändert. Zahlreiche Unternehmen haben in den vergangenen Monaten einen Transformationsprozess durchlaufen, dessen Ende noch nicht absehbar ist. Dieser Prozess hat neue Kommunikationsformate hervorgebracht und die Haltung zu Geschäftsreisen und zur Gestaltung von Arbeitsprozessen verändert. Und er hat die Bedeutung von Kommunikation insgesamt neu definiert.

Doch was wird davon zukünftig erhalten bleiben, oder: „what stays“? Das hat Engel & Zimmermann im Rahmen einer Expertenbefragung unter Geschäftsführern mittelständischer deutscher Unternehmen untersucht. „Corona hat viele Unternehmen hinsichtlich ihrer internen Kommunikation kalt erwischt und ein massives Digitalisierungsdefizit offenbart“, bilanziert Dr. Andreas Bachmeier, Vorstand und Partner von Engel & Zimmermann. „Die Rolle der Unternehmenskommunikation wird in Zukunft viel stärker nach innen gerichtet sein, sodass die Mitarbeiter als Zielgruppe eine ganz neue Bedeutung erlangen.“ Und: Kommunikation bekomme mehr und mehr die Aufgabe vorauszusehen, was auf Unternehmen zukommt.

Corona stellt Geschäftsführer vor Herausforderungen in der internen Kommunikation
Wie in vielen anderen Bereichen, hat Corona auch bei der internen Kommunikation Schwachstellen offengelegt. Gerade Produktionsmitarbeiter konnten aufgrund ihrer Arbeitsweise ohne Computerzugang nicht über Videomeetings oder das Intranet erreicht werden. Digitale Lösungen, wie eine eigene Mobile-App, haben trotzdem nur 6 Prozent der befragten Geschäftsführer als Instrument der internen Kommunikation eingesetzt. Um alle Mitarbeiter zu erreichen, haben 62 Prozent der befragten Unternehmen auf ein klassisches, analoges Instrument zurückgegriffen: das Mitarbeiterschreiben. Der analoge Aushang hat also eine wahre Renaissance erlebt. Zudem zeigt die Umfrage, dass das Management das Ziel verfolgte, seine Mitarbeiter nicht nur regelmäßiger (75 Prozent), sondern auch transparenter (44 Prozent) über aktuellen Entwicklungen zu informieren.

„Die Corona-Pandemie hat Defizite in der internen Kommunikation offengelegt, die sich aber durch eine verbesserte digitale Infrastruktur gut beheben lassen“, erläutert Maria Große Böckmann, Leiterin Beratung bei Engel & Zimmermann. Als beliebtes Tool der internen Kommunikation hat sich bei den Befragten die Video-Konferenz etabliert. Drei Viertel der Teilnehmer haben diese bedingt durch die Corona-Situation neu beziehungsweise zusätzlich eingesetzt. Und auch künftig werden viele Meetings wohl über Zoom, GoToMeeting oder ähnliche Anwendungen abgehalten werden: 80 Prozent der Befragten wollen dieses Kommunikationsinstrument beibehalten. Das Mitarbeiterschreiben sieht etwas weniger als die Hälfte als Teil ihrer zukünftigen Kommunikation an. Besonders bemerkenswert sind die Ergebnisse zu den Zielen der internen Kommunikation ausgefallen. 69 Prozent der Geschäftsführer gaben an, Sorgen und Ängste zu nehmen, sei ihnen besonders wichtig gewesen. Vertrauen zu schaffen (56 Prozent) und Transparenz zu zeigen (50 Prozent), erachteten sie ebenfalls als besonders wichtig. Die Vermittlung von Fakten – sonst üblicherweise eines der Kernziele der internen Kommunikation seitens der Geschäftsführung – haben nur 25 Prozent als sehr wichtig empfunden.

Corona schafft mehr Zusammenhalt – vor allem intern
Nicht nur bei der technischen, sondern auch bei der zwischenmenschlichen Zusammenarbeit stellten die Kontaktbeschränkungen eine Herausforderung für viele Organisationen dar. Insgesamt lässt sich jedoch festhalten, dass sich die Corona-Zeit auf das Verhältnis zwischen Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten positiv ausgewirkt hat. Besonders die Bereitschaft zu flexibleren Arbeitszeiten (75 Prozent) und das Verständnis für die persönliche Situation des Gegenübers (62 Prozent) haben sich nach Angaben der Geschäftsführer eher verbessert. Die Hälfte der Befragten gibt zudem an, dass sich die Bereitschaft zum Entgegenkommen positiv entwickelt hat. Alles in allem gab ein Viertel der Befragten an, dass sich der Zusammenhalt in der Belegschaft während der Corona-Zeit verbessert habe, drei Viertel erkannten keine Veränderung.

Dienstreisen stehen auf dem Prüfstand / Homeoffice is here to stay
Engel & Zimmermann wollte auch wissen, wie sich Corona auf die Haltung der Geschäftsführer zu Dienstreisen und Homeoffice auswirkt. Die Ergebnisse der Befragung zeigen: Nach den Lockerungen ist eine Rückkehr zur Reiseintensität vor Corona unwahrscheinlich. Die Hälfte der befragten Geschäftsführer kann sich vorstellen, eine neue Policy einzuführen, die einen anderen Umgang mit Dienst-(Flug-)Reisen regelt. Auf die Frage, wie diese aussehen könnte, gab mehr als die Hälfte (55 Prozent) an, dass die Erfordernisse der Reise einer kritischen Prüfung unter Kosten-Nutzen-Aspekten unterzogen werden. Weitere 22 Prozent können sich sogar eine Genehmigungspflicht für Dienstreisen mit der Bahn oder dem Flugzeug vorstellen, während ebenfalls rund ein Fünftel (22 Prozent) die Anzahl an Geschäftsreisen grundsätzlich reduzieren will. „Die Selbstverständlichkeit, mit der wir vergangenes Jahr noch in den Linien-Flieger zur Geschäftsreise gestiegen sind, wird nicht mehr zurückkehren. Hier kommen auch Nachhaltigkeitsgesichtspunkte zum Tragen. Um diese neue Haltung substanziell zu untermauern, ist eine Aufnahme dieser Policy in offiziell anerkannte Nachhaltigkeitsstandards denkbar“, erklärt Große Böckmann.

Im Zuge der Kontaktbeschränkungen wurde die Arbeit von zu Hause in vielen Unternehmen zu einer Notwendigkeit. Das mit Erfolg: Von den Geschäftsführern können sich 81 Prozent vorstellen, eine Regelung einzuführen, die den Mitarbeitern mehr Homeoffice-Möglichkeiten bietet. Durchweg positive Erfahrungen mit der Heimarbeit haben 35 Prozent der Teilnehmer verbucht. Gemessen daran, dass in vielen Unternehmen die Verwaltungsmitarbeiter plötzlich und über Wochen hinweg von zu Hause gearbeitet haben, ist dieser Wert sehr hoch. Rund 42 Prozent machen sich allerdings langfristig Sorgen um den Zusammenhalt unter den Mitarbeitern und die Integration von neuen Kollegen in bestehende Teams. „Diese Ergebnisse zeigen uns, wie wichtig neue Instrumente der internen Kommunikation sind und dass die Unternehmen sich intensiv damit auseinandersetzen müssen“, so Große Böckmann. Nicht nur beim Arbeitsort, auch bei den Arbeitszeiten deutet sich eine zunehmende Flexibilisierung an: Drei Viertel der Teilnehmer gaben an, dass sich die Bereitschaft zu flexibleren Arbeitszeiten eher verbessert hat.

E&Z-Branchenszenarien zeigen auf, was künftig auf Unternehmen zukommt
Vorstand Dr. Andreas Bachmeier sieht in den Veränderungen durch Corona den Ausgangspunkt für eine sich insgesamt wandelnde Rolle der Kommunikation. „Der gesellschaftliche und politische Einfluss auf Unternehmen und Branchen nimmt zu. Sie müssen sich fragen, welche Veränderungen, Dynamisierungen und Einflussfaktoren auf dem Markt entstehen – und sie müssen diese Veränderungen voraussehen, um ihnen richtig zu begegnen. Die Kommunikation muss hier zunehmend Prognosen liefern, was auf Branchen und Unternehmen zukommt, und Vernetzungen schaffen.“ Engel & Zimmermann hat hierfür FUTURE SIGNS entwickelt – Zukunftsszenarien, die alle wichtigen Akteure mit einbeziehen. Sie umfassen Produkte/Marke/Märkte, Gesellschaft/NGOs/Bürger und Verbraucher, Medien und Influencer, die lokale und überregionale Politik wie auch Verbände/Stakeholder. „Diesen Mehrwert können wir am besten zugänglich machen, wenn wir prognostizieren, was auf den unterschiedlichen Ebenen auf unsere Kunden in den nächsten fünf Jahren zukommt. Das, was nach Corona an positiven Veränderungen bleibt, ist der Ausgangspunkt für diesen Ansatz und gibt ihm eine besondere Relevanz“, so Bachmeier.


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